MOB-Generaldirektor: «Die Technik ist unter Kontrolle und erfüllt unsere Erwartungen»
04.03.2024 InterviewLange hat die Montreux-Berner Oberland-Bahn (MOB) an diesem Produkt getüftelt, letzten Winter präsentierte sie es der Welt: den Goldenpass Express, der ohne Umsteigen eine Verbindung zwischen Montreux und Interlaken bietet. Bereits über ein Jahr ist der Zug in Betrieb, wenn ...
Lange hat die Montreux-Berner Oberland-Bahn (MOB) an diesem Produkt getüftelt, letzten Winter präsentierte sie es der Welt: den Goldenpass Express, der ohne Umsteigen eine Verbindung zwischen Montreux und Interlaken bietet. Bereits über ein Jahr ist der Zug in Betrieb, wenn auch mit einem unerwarteten Unterbruch. Im Interview blicken wir mit Generaldirektor Georges Oberson auf die letzten Monate zurück, in denen der Zug nicht nur auf Schienen Publikum anzog, sondern auch im Netz.
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Georges Oberson, Hand aufs Herz: Sind Sie ein Fan von Roger Federer oder von Trevor Noah?
Natürlich von Roger Federer, wie alle Schweizer! Wer mag Roger Federer nicht?
Hätten Sie sich andere Stars gewünscht, um Ihren Goldenpass Express zu bewerben?
Wir haben noch andere Botschafter, beispielsweise Shania Twain. Als Patin unseres Zuges ermöglicht sie uns, den Goldenpass Express in den vereinigten Staaten unter dem Namen «Shania Train» zu vermarkten. Auch Michael von Grünigen, der Pate des Zuges «Gstaad», ist ein Gewinn für uns. Der Goldenpass Express ist der Zug der Stars und Lebensgeniesser.
MOB-Generaldirektor Georges Oberson zeigt sich im Interview glücklich und stolz über den Goldenpass Express. «In aller Bescheidenheit – es ist ein Projekt, von dem jeder träumt.» (FOTOS: MOB)
Dass der Goldenpass Express ein Zug der Stars ist, sehen wir bei der Werbung von Schweiz Tourismus mit Roger Federer und Trevor Noah. Bis heute ist das Video auf Youtube über 83 Millionen Mal aufgerufen worden. Welche Gedanken gingen Ihnen durch den Kopf, als Sie den Werbeclip das erste Mal gesehen haben?
Ich war sofort begeistert von der Schönheit der Landschaften, des Zuges und dieser wunderbaren Region und auch von diesem entspannten und willkommenen Humor.
Welche Bedeutung hat es für die MOB, dass Ihr Goldenpass Express im Fokus dieser internationalen Werbung steht?
Ein solches Werbemedium zu haben, ist eine unglaubliche Chance für unser Unternehmen, aber auch für die gesamte Region. Zudem hat uns «National Geographic» einen prestigeträchtigen Preis für den Goldenpass Express verliehen, und zwar als luxuriösester Zug der Welt (wir haben berichtet). Es ist eine einzigartige Visitenkarte, die nun auf der ganzen Welt zu finden ist.
«Dieser Zug weckt auch die Neugier von Kundinnen und Kunden aus dem In- und Ausland», sagt Oberson.
Nun ist der Goldenpass Express schon über ein Jahr lang auf den Schienen unterwegs. Wie beurteilen Sie das erste Betriebsjahr?
Das erste Jahr ist immer eine schwierige Übung. Ausserdem ist der Goldenpass Express eine Weltpremiere und unsere Teams von der MOB und der BLS müssen die ganze neue Technologie beherrschen. Das erste Jahr war jedoch sehr positiv: Die Technik ist unter Kontrolle und erfüllt unsere Erwartungen, die finanziellen Ergebnisse sind ausgezeichnet und die Rückmeldungen der Kundinnen und Kunden sind sehr positiv.
Was hatten Sie für Erwartungen an das neue Angebot? Und haben sich diese erfüllt?
Wir hatten eine hohe Verfügbarkeit erwartet und das Ziel wurde erreicht. Wir hatten eine kontinuierliche Steigerung der Auslastung über das ganze Jahr hinweg angestrebt und dies konnten wir auch dieses Jahr erzielen. Der nächste Schritt wird der Ausbau des Cateringangebots sein.
Sie haben diesen Zug lange geplant, nun ist er seit über einem Jahr Realität. Welche Vorteile haben sich für die MOB mit diesem neuen Angebot ergeben?
Viel Aufmerksamkeit in den Medien aus der ganzen Welt. Dieser Zug weckt auch die Neugier von Kundinnen und Kunden aus dem In- und Ausland. Es ist eine Neuheit, die gefällt und überzeugt. Von nun an spricht man in der ganzen Welt über die MOB und die wunderschöne Gegend vom Berner Oberland bis nach Montreux.
Mit dem Goldenpass Express wagt die MOB den Spagat zwischen Touristen und Pendlern.
Wie sind die Reaktionen der Gäste und der Pendler?
Die Touristen sind begeistert. Sie veröffentlichen Tausende von Fotos und Videos auf den sozialen Netzwerken – es ist unglaublich. Pendler wiederum haben ein zusätzliches Angebot eines Zuges, der weltweit einzigartig ist. Und das alles für den Preis eines Standardzuges.
Welche Gästesegmente konnten Sie mit dem Goldenpass Express gewinnen?
Wir haben einen Rekord bei der Anzahl der US-amerikanischen Kunden aufgestellt. Noch nie zuvor hatte die MOB so viele befördert. Es ist eine sehr interessante Klientel, welche ein paar Tage in der Region verbringt und begeistert ist, sie zu entdecken. Auch Kunden aus Südostasien sind stark vertreten. Bisher fehlen nur die Chinesen. Aber wir sind überzeugt, dass auch sie zurückkehren und den Goldenpass Express lieben werden.
Wie beurteilen Ihre Mitarbeitenden das neue Angebot?
Sie sind stolz auf dieses neue Angebot, denn sie sehen jeden Tag, wie zufrieden unsere Kunden sind. Wir sind stolz darauf, mit einem so dynamischen Unternehmen zu arbeiten.
Eine neue Zugtechnologie: Mit einer Kombination aus variablem Drehgestell und einer Umspuranlage in Zweisimmen ist es der MOB möglich, den Goldenpass Express trotz zwei verschiedener Spurweiten auf der Strecke Montreux-Interlaken fahren zu lassen.
Nach den ersten Wochen des Betriebs kam ein Dämpfer: Auf der Normalspur des BLS-Netzes wurde durch die Goldenpass-Express-Waggons eine erhöhte Abnutzung festgestellt. Wie haben Sie diese Nachricht aufgenommen?
Das war natürlich ein Schock. Aber alle arbeiteten umgehend daran, eine optimale Lösung zu finden. Denn jeder wusste, dass wir es schaffen würden. Solche Ereignisse schweissen die BLS- und MOB-Mitarbeitenden noch enger zusammen. Es ist eine gute Gelegenheit, sich weiterzuentwickeln und immer besser zu werden.
Wie konnten Sie das Problem lösen und wie lange hat es gedauert?
Wir haben an unserem Drehgestell spezielle Einstellungen für das BLS-Netz vorgenommen. Drei Monate waren nötig, um alle diese Einstellungen vorzunehmen. Während dieser ganzen Zeit blieb das Angebot jedoch vollständig bestehen. Allerdings mussten wir in Zweisimmen umsteigen. Aber unsere Kunden sahen das Problem und waren sehr verständnisvoll.
Hatten Sie dadurch Betriebseinbussen?
Ja, natürlich sind diese Verluste hauptsächlich auf Stornierungen zurückzuführen, die unmittelbar nach der Ankündigung der Abschaffung des Goldenpass Expresses im BLS-Netz erfolgten. Aber sie hielten nicht lange an und nach einigen Tagen hatten wir wieder den Standardrhythmus erreicht.
Eine Verbindung vom Genfersee bis an den Brienzersee: Dies ist die Route des Goldenpass Expresses.
Gab es weitere Herausforderungen, denen Sie im Betrieb des Goldenpass Expresses begegnet sind?
Die Herausforderungen werden nun darin bestehen, die vielen erwarteten Gäste unter den besten Bedingungen zu empfangen. Mit jedem Monat werden es mehr und mehr Kunden, die den Goldenpass Express nutzen wollen. Wir müssen sie unbedingt alle so empfangen, als wären sie die Einzigen an Bord. Der Kunde muss das Gefühl haben, willkommen zu sein, geschätzt und respektiert zu werden. Das ist nicht immer einfach, vor allem, wenn der Zug ausgebucht ist.
Auf Ihrer Homepage schreiben Sie, dass der Goldenpass Express ab April 2024 autonom zugänglich ist, also rollstuhlgängig sein wird. Welche Massnahmen ergreifen Sie?
Wir nehmen neue Niederflurwagen in Betrieb. Heute befinden wir uns in der Zulassungsphase für dieses Material. Die Tests sind äusserst positiv. Darüber hinaus wurde das Material in enger Zusammenarbeit mit Inclusion Handicap entwickelt, dem politischen Dachverband der Behindertenorganisationen Schweiz. Es war eine echte Win-win-Partnerschaft für alle Beteiligten.
Der Goldenpass Express startete vergangenen Winter in den öffentlichen Verkehr.
Pendelnde Richtung Zweisimmen haben uns mitgeteilt, dass sie am Nachmittag ab Saanen für jede zweite Verbindung zuerst den Bus nehmen müssten, um dann in den Zug in Gstaad einsteigen zu können. Es komme vor, dass sie den Anschluss in Gstaad verpassten, weil genau dieser Zug die Barriere schliesse und der Bus entsprechend davor warten müsse. Haben Sie schon von dieser Problematik gehört? Haben Sie dafür Massnahmen ergriffen?
Dabei lohnt sich ein Blick auf unser Angebot, welches wir ausbauen konnten. Früher hatten wir alle zwei Stunden einen Zug zwischen Rougemont und Zweisimmen. Durch den Goldenpass Express und die Umstrukturierung des Fahrplans fand eine Taktverdichtung statt. Nun haben wir vier Kurspaare am Morgen und zwei Kurspaare am Nachmittag, die zusätzlich durch vier Goldenpass-Express-Paare ergänzt werden. Auch Postauto hat sein Angebot ausgebaut und die Linie 183 Schönried–Saanen–Gstaad eingeführt, die im Knoten Gstaad um die Minute 00 Anschlüsse an die Pendelzüge Zweisimmen–Gstaad und Goldenpass Express bietet. Der einzige uns bekannte Konfliktpunkt zwischen Bus und Zug befindet sich an den Bahnübergängen des Bahnhofs Saanen. An dieser Stelle kommt es selten vor, dass eine kommerzielle Fahrt eines MOB-Zuges die Fahrt eines Postautobusses beeinträchtigen kann, da es tagsüber nur wenige potenzielle Konflikte gibt und die geplante Fahrzeit der Linie 183 unserer Meinung nach ausreicht, um den Anschluss in Gstaad zu gewährleisten.
Grundsätzlich ist der Goldenpass Express ein touristisches Angebot, welches Sie international bewerben, zusätzlich ist dieser Zug aber auch ein wichtiges öffentliches Verkehrsmittel für die Region, auch in Hinblick auf eine nachhaltige Mobilität. Wie schaffen Sie diese Gratwanderung, beiden Interessengruppen gerecht zu werden?
Es ist ganz einfach die Geschichte der MOB, unsere Geschichte. Eine ideale Mischung aus Pendlern und Touristen, für die in der Region ein aussergewöhnliches Bahnangebot zur Verfügung steht. Ohne die Touristen wäre die Existenz der Bahn gefährdet. Und das ist seit der Einweihung der MOB Realität. Es ist ein Zeichen für die bemerkenswerte Intelligenz der Pioniere, die diese Linie ins Leben gerufen haben. Das Problem hat sich im Laufe der Jahre nicht verändert und auch die Lösung ist dieselbe geblieben. Das ist die Kunst des Kompromisses, die der Schweiz so am Herzen liegt.
«Die Herausforderungen werden nun darin bestehen, die vielen erwarteten Gäste unter den besten Bedingungen zu empfangen», so Oberson.
Abschliessend: Welche Bedeutung hat der Goldenpass Express für Sie persönlich als Generaldirektor der MOB? Was verkörpert dieser Zug für Sie?
Riesigen Stolz und ein Glücksgefühl in jedem Moment. Und – in aller Bescheidenheit – es ist ein Projekt, von dem jeder träumt. Es ist ein Lebensprojekt!
Das Interview wurde schriftlich geführt.