Maternité Alpine: «Was ist unserer Region eine wohnortsnahe Gesundheitsversorgung wert?»
10.11.2023 RegionDas Wirrwarr von Argumenten, die derzeit für oder gegen das Gesundheitsnetzwerk Simme Saane im Umlauf seien, sorge für sehr viel Verunsicherung, schreibt das Geburtshaus Maternité Alpine in einer Medienmitteilung. Als betroffene Institution nimmt sie deshalb ...
Das Wirrwarr von Argumenten, die derzeit für oder gegen das Gesundheitsnetzwerk Simme Saane im Umlauf seien, sorge für sehr viel Verunsicherung, schreibt das Geburtshaus Maternité Alpine in einer Medienmitteilung. Als betroffene Institution nimmt sie deshalb Stellung.
«Wir möchten beliebt machen, den Blick aufs Ganze nicht zu verlieren. Es geht hier um ein GESUNDHEITSnetzwerk. Gesundheit ist unser oberstes Gut. Unser oberstes Ziel ist eine qualitativ gute integrierte Versorgung für alle», schreibt das Geburtshaus Maternité Alpine. Ein Plan B sei nicht zweckdienlich, weder für die Maternité Alpine noch für die anderen beteiligten Institutionen. «Es ist ein Trugschluss zu glauben, die Zentralisierung von stationären Spitalangeboten mit einer Beschränkung auf ambulante Leistungen, zweckdienlich und in guter Qualität mit Kosteneinsparungen aufrechterhalten zu können.»
Grundversorgung lasse sich nicht in ambulant und stationär teilen
Eine ganzheitliche patientenorientierte Grundversorgung lasse sich nicht in ambulant und stationär dividieren, das Ganze sei mehr als seine einzelnen Teile, bedinge sich gegenseitig und sei voneinander abhängig. «Wir sind überzeugt, dass das Campusprojekt für unsere Alpenregion eine grosse Chance ist, auch wenn es die Gemeinden etwas kostet. Es braucht neue integrierte Versorgungsmodelle.»
«Warum ein integriertes Modell?»
Mit der Schliessung des Akutspitals stünde kein Operationssaal und damit auch keine Anästhesie mehr zur Verfügung. Daher müsste die Maternité Alpine den Betrieb einstellen, weil eine Rückversicherung fehle, falls Nothilfe zusammen mit der Fachärztin und den Hebammen der Maternité Alpine beansprucht werden müsste, heisst es weiter.
Die Dienstleistungen des Geburtshauses auf die Geburtenzahlen zu reduzieren – wie dies von den Projektgegnern geschrieben werde – sei schlicht falsch. Wichtige Angaben fehlten und die allermeisten Dienstleistungen des Geburtshauses würden bei der Schliessung des Spitals verschwinden. Dies sei namentlich folgendes Angebot der geburtshilflichen Grundversorgung (durchschnittliche Jahreszahlen der sieben Betriebsjahre):
– 56 Geburten
– stationäre Wochenbettbetreuung (Pflegetage über 650 Tage)
– 30 stationäre Wochenbettbetreuung nach Geburt im Spital wegen Ausschlusskriterien
– ambulante häusliche Wochenbettbettbetreuung von Mutter und Kind (rund 600 Konsultationen bis zum 56. Lebenstag des Kindes = 16’000km Wegdistanz)
– ambulante Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft (300– 400)
– Notfallkonsultationen und Triage Tag und Nacht das ganze Jahr (120–170)
– Kurswesen (Geburtsvorbereitung etc.)
Wer würde dann diese Versorgungslücke schliessen?
Aber nicht nur die Maternité Alpine wäre davon betroffen. Auch für die Fachärztinnen Geburtshilfe/Gynäkologie breche die operative Tätigkeit in Gynäkologie weg, was es unattraktiv mache, den Beruf in der Region auszuüben. «Können diese ohne Spital in der Region gehalten werden?», fragt sich die Maternité Alpine.
Fallzahlen vs. Qualität
Es gebe keinen wissenschaftlich belegten Zusammenhang von Fallzahlen und Qualität für die Grundversorgung in der Schweiz, wie das Geburtshaus ausführt. Die Qualitätsmessungen in der Maternité Alpine über die sieben Jahre attestierten eine hohe Zufriedenheit der Eltern, und die Gesundheitsergebnisse seien im Vergleich zu anderen Versorgern trotz kleinen Fallzahlen sehr gut. Nachgewiesen sei jedoch: Fehle in der Geburtshilfe eine wohnortsnahe niederschwellige Versorgung, verschlechterten sich die gesundheitlichen Ergebnisse (Outcome) von Mutter und Kind.
Viele Qualitätsprobleme und hohe Kosten entstünden in zentralisierten, zerstückelten Versorgungssystemen durch fehlende interprofessionelle Zusammenarbeit und durch Doppelspurigkeit.
Fachpersonal und Ausbildungsplätze
Des Weiteren lasse sich Fachpersonal mit einem attraktiven integrierten Versorgungskonzept leichter rekrutieren. «Wir von der Maternité Alpine sprechen aus Erfahrung. Mit einem interessanten ganzheitlichen Versorgungsmodell, das grossen Wert auf die interprofessionelle Zusammenarbeit legt, konnten wir seit Betriebsstart die nicht vorhandenen lokalen Fachkräfte immer mit qualifiziertem Personal aus den Zentren rekrutieren.»
Fachkräfte liefen nicht davon, wenn sie sich mit einem Versorgungsmodell identifizieren könnten, wo Team- und Zusammenarbeit ohne hohen Druck durch hohe Fallzahlen und Rentabilität geprägt seien und genügend Zeit für die Patient:innen möglich sei. «Mit dem Wegbrechen der Maternité Alpine und dem Spital würden zusätzlich Ausbildungsplätze fehlen, die schon jetzt überall zu wenig vorhanden sind und notabene den Fortbestand des Fachpersonals fördern und sichern», so das Geburtshaus.
«Wir stellen die Grundsatzfrage, was unserer Region eine wohnortsnahe Gesundheitsversorgung wert ist? Wollen wir wirklich nur aus finanziellen Gründen auf all die obenerwähnten Dienstleistungen verzichten? Wohlbemerkt: das sind nur die Dienstleistungen betreffend der Maternité Alpine. Geschweige denn alle übrigen involvierten Organisationen.» Aus Sicht der Maternité Alpine fehle den Gegnern des Projektes der Blick für das Ganze und das Engagement für eine positive Entwicklung im Alpenraum. «Ihre Energie würde besser in eine konkrete Unterstützung für die Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung fliessen, statt in deren Abbau und zur Bekämpfung des Projektes.»
PD/JOP