Gstaad House im Fokus
20.11.2025 GstaadWelche Pläne verfolgt die Gstaad House AG und welche Vorgaben gelten für die Nutzung und Zukunft des Areals Tomi? Gstaad House AG und die Gemeinde Saanen im Interview.
«Gstaad House ist ein Gesamtkunstwerk»
SIAMAK SIASSI IM ...
Welche Pläne verfolgt die Gstaad House AG und welche Vorgaben gelten für die Nutzung und Zukunft des Areals Tomi? Gstaad House AG und die Gemeinde Saanen im Interview.
«Gstaad House ist ein Gesamtkunstwerk»
SIAMAK SIASSI IM INTERVIEW
Von der Idee bis zum Konzept: Geschäftsführer Siamak Siassi gibt Auskunft über seine Vision, den Standort Gstaad und das geplante Gebäude von Gstaad House.
JONATHAN SCHOPFER
Siamak Siassi, was ist das Konzept von Gstaad House?
Wir haben drei Grundpfeiler: Kunst lagern, präsentieren und handeln. In Gstaad gibt es viele Kunstsammler, bislang jedoch keine speziell dafür errichtete, hochsichere Einrichtung, die den Ansprüchen der Kunstsammler gerecht wird. Wir sind überzeugt, dass Gstaad House diese Lücke schliesst.
Gleichzeitig möchten wir nicht alles im Detail preisgeben – ein gewisser Vorsprung gegenüber der Konkurrenz ist uns wichtig.
Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Ich habe festgestellt, dass die Menschen in Gstaad zwar sehr diskret sind, gleichzeitig aber Freude daran haben, ihre Wertanlagen – etwa Kunst oder Autos – zu teilen. So entstand die Idee, einen Ort zu schaffen, an dem Kunst, Mode, Design und Autos sicher aufbewahrt und in einem intimen Rahmen gezeigt werden können.
Natürlich ist es ein Business. Doch im weiteren Sinn ist Gstaad House ein Gesamtkunstwerk – ein Ort, an dem sich Gleichgesinnte austauschen, eine Art Think Tank für Kunst und Kultur.
Welche Rolle spielt das Gebäude selbst?
Das Gebäude ist in verschiedene Etagen unterteilt, die jeweils von unterschiedlichen Betreibern genutzt werden. So wird es beispielsweise ein sicheres zollfreies Lager für Kunstwerke geben, das von einem offiziell lizenzierten Partner aus dem Kanton Bern be
trieben wird. Wir werden einen 5D-Scan anbieten, der digitale Fingerabdrücke, Schadensberichte und andere technische Informationen für Authentifizierungs-, Restaurierungs- und Versicherungszwecke liefert.
Im obersten Stockwerk befindet sich ein privater Mitgliederklub. Ein externer Betreiber wird dort das Restaurant führen und es werden Veranstaltungen für Mitglieder stattfinden. Darunter befindet sich eine Halle, in der Ausstellungen, Auktionen oder Konzerte stattfinden können.
Müssen sich Besucher einer öffentlichen Veranstaltung anmelden oder erfolgt die Teilnahme auf Einladung eines Mitglieds?
Der Zugang zu Veranstaltungen im Gstaad House hängt von der Art des Programms ab. Einige kulturelle Aktivitäten stehen einem breiteren Publikum offen, während andere für kleinere, spezifischere Gruppen konzipiert sind.
Was die Grösse betrifft, so ist der Veranstaltungssaal bewusst eher für intime Erlebnisse als für grosse Konzerte konzipiert. Die typische Kapazität liegt je nach Format zwischen 80 und 200 Gästen. So kann der Raum für Ausstellungen, Vorträge, Aufführungen und Auktionen genutzt werden, die sich durch Raffinesse auszeichnen
Wird Gstaad House anderen Konzertveranstaltern Konkurrenz machen?
Nein, wir treten mit niemandem in Konkurrenz. Unser Konzept ist einzigartig. Wir wollen kein klassischer Veranstaltungsort sein, können uns aber vorstellen, gelegentlich Live-Musik in intimer Atmosphäre anzubieten.
Wenn wir eine Ausstellung zeigen, kann sie etwa von einer Musikinstallation begleitet werden. Wir denken in Gesamterlebnissen – kleine, fein kuratierte Formate, etwa Jazzkonzerte. Grossveranstaltungen mit tausend Besuchern wird es bei uns nicht geben.
Haben Sie Kontakt zu einem klassischen Musikfestival im Saanenland, wie dem Gstaad Menuhin Festival & Academy, den Sommets Musicaux de Gstaad oder dem Gstaad New Year Music Festival?
Was die Zusammenarbeit angeht, so ist der Dialog mit den grossen Festivals im Saanenland sowohl selbstverständlich als auch wünschenswert. Diese Institutionen sind ein wesentlicher Bestandteil der kulturellen Identität der Region und das Gstaad House ist als Plattform konzipiert, die sich in dieses Ökosystem einbringen und es unterstützen kann. Das Projekt ist offen für Partnerschaften, bei denen Umfang und künstlerische Ausrichtung übereinstimmen, wodurch Möglichkeiten für gemeinsame Programme und einen sinnvollen kulturellen Austausch entstehen.
Zählen auch Museen zu Ihrer Zielgruppe?
Obwohl unsere Hauptzielgruppe private Sammler sind, führen wir bereits diskrete Gespräche mit Institutionen, die den Wert einer vertrauenswürdigen Präsenz in der Region erkennen. Unser Modell ist flexibel und skalierbar, und wir sind offen für langfristige Beziehungen mit Museen oder Kulturpartnern, die unsere Standards teilen.
Bieten Sie auch für Saisonresidenten Dienstleistungen an?
Ja. Gstaad House ist aussergewöhnlich flexibel gestaltet, um sich dem Rhythmus des saisonalen Lebens in der Region anzupassen. Viele Bewohner benötigen temporäre Lagerräume, variablen Zugang und eine nahtlose Koordination mit Dienstleistungen wie Installation, Versand, Konservierung oder kuratorischer Unterstützung. Gstaad House fungiert nicht als passives Lagerhaus, sondern als massgeschneiderte Plattform, die sich an die sich wandelnden Bedürfnisse von Sammlern anpasst und sich mühelos in das saisonale kulturelle Ökosystem von Gstaad integriert.
Können Sie bereits etwas über Investoren oder Partner sagen?
Das Projekt wird privat von einer Gruppe internationaler Partner unterstützt. Aufgrund von Vertraulichkeitsvereinbarungen können wir derzeit keine Namen nennen. Wir können lediglich sagen, dass die Ausstellungen von einem etablierten Partner kuratiert werden, der Zugang zu wichtigen Veranstaltungen im Kunstkalender bietet, von grossen Kunstmessen bis hin zu Atelierbesuchen. Es verbindet Kunstliebhaber und gewährt ihnen durch eine besondere Mitgliedschaft einen privilegierten Status in der globalen Kunstszene.
Gab es unterschiedliche Interessen unter den Investoren?
Die Investoren einigten sich letztendlich auf gemeinsame Werte – Kultur, Design und Diskretion –, aber der Weg dorthin war nicht immer einfach. In den letzten vier Jahren wandten sich viele Interessenten an das Projekt, oft mit sehr individuellen Vorstellungen. Einige wollten das Gebäude in eine private Ausstellungsfläche für ihre eigenen Sammlungen verwandeln, andere schlugen Modelle vor, die nur einer kleinen Gruppe von Personen zugute kamen. Meine grösste Herausforderung bestand darin, diesem Druck zu widerstehen und sicherzustellen, dass sich das Gstaad House zu einem Unternehmen mit einem Ökosystem von verschiedenen Aktivitäten entwickelte und
nicht zu einer Ein-Mann-Show. Für mich war es entscheidend, dass alle Komponenten – Lagerung, Ausstellungen, Veranstaltungen, Gastronomie – miteinander verbunden bleiben und ein ganzheitliches und gehobenes Erlebnis schaffen. Die Aufrechterhaltung dieser Kohärenz und die Wahrung der Integrität des Konzepts war eine meiner grössten Leistungen bei der Entwicklung des Projekts.
Wie verlief der Entstehungsprozess mit der Gemeinde Saanen?
Ursprünglich wollten wir das Gebäude 2017 auf der gesamten Gewerbezone Tomi errichten. Die Gemeinde Saanen lehnte das Vorhaben ab. Schliesslich erhielten wir die Bewilligung für die Zone in Hanglage.
Durch diese Lage liegt ein grosser Teil des Gebäudes unterirdisch: Nur rund 4000 Quadratmeter sind oberirdisch, etwa 10’000 Quadratmeter befinden sich darunter.
Wie kam es dazu, dass das Gebäude nicht im Chaletstil gebaut wurde?
Das Design wurde entwickelt, um den ästhetischen und architektonischen Kriterien der Gemeinde gerecht zu werden, dessen Mitglieder letztendlich den zeitgenössischen Ausdruck des Projekts genehmigten.
Welche Vorteile bietet der Standort Gstaad gegenüber Metropolen?
Städte können überfüllt, exponiert und in manchen Fällen politisch oder finanziell instabil sein. Gstaad bietet das Gegenteil: geopolitische Neutralität, physische Sicherheit und eine Gemeinschaft, die den Wert von Kunst versteht. Für viele Sammler geht es nicht nur um Logistik, sondern auch um den «Peace of Mind».
Wann soll Gstaad House fertiggestellt sein?
Wir haben die letzte Phase des Genehmigungsverfahrens erreicht und von der Gemeinde grünes Licht für den Baubeginn im Juni 2025 erhalten. Sobald die Finanzierung steht, beginnen die Bauarbeiten. Dann werden wir auch einen offiziellen Zeitplan bekannt geben.
DIE GEMEINDE SAANEN IM INTERVIEW
«Je nach Nutzung dürfen Gewerbebauten vom Chaletstil abweichen»
Die Vergabe von 20 Prozent der Gewerbezone Tomi an die Gstaad House AG sorgt für Diskussionen. Welche Vorgaben gelten in der Zone und was passiert mit der verbleibenden Fläche? Die Gemeinde Saanen gibt Auskunft: Heinz von Gunten (hvg) Abteilungsleiter Bauinspektorat, Raumplanung und Umwelt, sowie Kaspar Westemeier (kw), Abteilungsleiter Liegenschaften, beantworten die Fragen.
JONATHAN SCHOPFER
Wie gross ist die Fläche, die in der Gewerbezone Tomi an die Gstaad House AG vergeben wurde?
kw: Die Baurechtsfläche für das Gstaad House beträgt 2500 Quadratmeter. In der übrigen Fläche der Gewerbezone verbleiben danach noch rund 9750 Quadratmeter. Somit beansprucht Gstaad House AG rund 20 Prozent der Gesamtfläche Tomi.
Wem gehört die Fläche Tomi, in welcher Zone ist sie?
kw: Die Gewerbezone Tomi ist im Alleineigentum der Einwohnergemeinde Saanen. Sie liegt in der Gewerbezone G im Sinne von Art. 12 Abs. 1 des Baureglements der Einwohnergemeinde Saanen (siehe Kasten).
Die Gewerbezone Tomi umfasst die Parzelle Saanen-GBB-Nr. 243. Auf den Vermessungsplänen ist auch bereits das selbstständige und dauernde Baurecht zugunsten der Gstaad House (Switzerland) SA als «projektiertes Grundstück» ersichtlich. Der Baurechtsvertrag ist jedoch noch nicht im Grundbuch eingetragen, da noch nicht alle Vorbedingungen erfüllt sind.
Ist dieser Status öffentlich einsehbar? Welche Vorbedingungen sind offen?
kw: Im vorliegenden Fall muss die Baurechtsnehmerin innert einer gewissen Frist mit dem Bau beginnen. Zudem muss sie verbindlich nachweisen, dass die Finanzierung des gesamten Vorhabens gesichert ist.
Wie sind die Konditionen im Baurecht?
kw: In der Regel werden selbstständige und dauernde Baurechte gewährt. Sie sind übertrag- und belehnbar und werden für mindestens 30 und höchstens 100 Jahre abgeschlossen. In den meisten Fällen in der Gemeinde Saanen werden 100-jährige Baurechte vereinbart.
Der Baurechtszins basiert auf einem Basislandwert, der sich aus dem Landwert und allfälligen Erschliessungskosten zusammensetzt. Dieser wird mit 5 Prozent verzinst und teilweise oder vollständig periodisch der Teuerung angepasst. Jüngere Baurechtsverträge enthalten eine Abfederung durch einen günstigeren Baurechtszins in den ersten zwölf Jahren.
Können auswärtige Firmen Landflächen kaufen?
kw: Nein. Ein Verkauf an auswärtige Firmen ist ausgeschlossen; dies gilt sinngemäss auch für die Vergabe von Baurechten. Hauptkriterium ist, dass der Baurechtsnehmer seinen Wohn- oder Geschäftssitz in der Einwohnergemeinde Saanen begründet. Bezüglich Tätigkeit stehen der Bau-, der Gewerbe- und der Dienstleistungssektor im Vordergrund.
Wer bewilligt die Gesuche?
kw: Die Anfragen für Baurechtsparzellen werden von einer vorberatenden Kommission geprüft. Die Vergabe des Baurechts erfolgt durch den Gemeinderat.
hvg: Baugesuche werden durch das Bauinspektorat Saanen behandelt und bewilligt.
Kann die Gemeinde Interessenten auch ablehnen?
kw: Ja, wenn sie die Hauptbedingung, also Geschäftssitz in der Gemeinde Saanen, nicht erfüllen. Bei Nachfrageüberhang kommen weitere Kriterien zum Tragen. Fairness und Gleichbehandlung sind hier zentral.
Gab es weitere Interessenten für die Parzelle, die schlussendlich an Gstaad House vergeben wurde und nach welchen Kriterien erfolgte die Auswahl?
kw: Es gab mehrere Interessensmeldungen. Der Gemeinderat konzentrierte sich jedoch zunächst auf die Gewerbezone Dorfrütti, die schneller entwickelt werden konnte. Erste Kostenschätzungen der Erschliessung im Gebiet Tomi führten zudem zu einer Neubewertung der Situation.
Gstaad House deponierte 2017 das Interesse. Die zuständigen Gremien stimmten nach Verhandlungen einem Baurecht zu, da sich die Bewerberin verpflichtete, die Erschliessungsanlagen vollumfänglich zu finanzieren. Dadurch sinkt der Basislandwert, was zu tieferen Baurechtszinsen für alle künftigen Betriebe führt.
Für die verbleibende Fläche: 2023 schrieb die Gemeinde sie öffentlich aus. Acht Bewerber erfüllten die Kriterien; ihr Landbedarf überstieg aber die verfügbare Fläche. Dennoch wurden alle acht Bewerber zugelassen. Sie haben nun die Aufgabe, in enger Zusammenarbeit untereinander tragfähige Lösungen zu finden.
Für rund zwei Millionen Franken wurde die Erschliessungsstrasse von Gstaad House finanziert. War dies eine Bedingung?
kw: Ja, wie schon erwähnt, es war eine klare Bedingung der Gemeinde.
Können andere Interessenten die Zugangsstrasse nutzen?
kw: Ja, sie profitieren von einer fixfertigen Erschliessungsanlage und von günstigeren Baurechtszinsen.
Welche Nutzungen sind zulässig auf der Gewerbefläche Tomi?
kw: Die Nutzungsmöglichkeiten auf der Baurechtsparzelle werden durch eine Nutzungsbeschränkung eingegrenzt, dem «Zweckentfremdungsverbot». Die Gewerbebauten dürfen ausschliesslich als Betriebsstätten oder ähnliche Nutzungen für ortsansässige Gewerbebetriebe genutzt werden. Kann ein belasteter Eigentümer dies nicht erfüllen, muss er die Baute innert sechs Monaten einem ortsansässigen Gewerbebetrieb zur Nutzung überlassen.
Zusätzlich gilt eine privatrechtliche Gewerbebeschränkung: Es darf kein Lebensmittelbetrieb geführt werden, sprich keine Produktion, Lagerung oder Verkauf von Lebensmitteln.
Wenn Gstaad House ein Restaurant für Privatmitglieder anbietet – ist das eine Grauzone?
kw: Mit der Unterzeichnung des Baurechtsvertrags hat sich die Baurechtsnehmerin verpflichtet, die zu Lasten des Grundstücks im Grundbuch eingetragenen Dienstbarkeiten, darunter auch diese Gewerbebeschränkung, einzuhalten. Es ist somit Aufgabe der Baurechtsnehmerin zu klären, ob ihre beabsichtigten Tätigkeiten diese Bestimmung verletzen oder nicht. Die Begünstigten dieser Dienstbarkeit sind Privatpersonen. Die Einhaltung erfolgt daher nach privatrechtlichen Regeln; eine Klärung durch das Amt erfolgt nicht.
Welche architektonischen Vorschriften gelten für Bauten? Weshalb kein Chaletstil?
hvg: In der Gewerbezone gelten die Regeln der ortsüblichen Bauweise nur eingeschränkt. Je nach Nutzung dürfen Gewerbebauten vom Chaletstil abweichen (Baureglement Art. 26 Abs. 3 Bst. a). Beispiele sind das Betonwerk oder die ARA. Aufgrund der Nutzung sind solche Bauten teilweise auf abweichende Baustile, als dies bei Wohnbauten ist, angewiesen.
Die Baupublikationen waren im amtlichen Anzeiger ersichtlich, gilt das auch für die Baupläne? Sind sie öffentlich einsehbar?
hvg: Ja, während der publizierten Auflagefrist. Danach erlaubt das Informationsgesetz grundsätzlich Einsicht auf Antrag, im Gewerbebereich jedoch eingeschränkt wegen dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen.
Verfügt die Gemeinde Saanen derzeit noch über freie Gewerbeflächen zur Vergabe?
kw: Nach vollständiger Überbauung vom Tomi verfügt die Gemeinde über keine nennenswerten eigenen Gewerbelandflächen mehr.
GEWERBEZONE G (ART. 12 ABS. 1 BAUREGLEMENT )
Die Gewerbezone ist Gewerbebauten vorbehalten. Wohnräume für das betriebsnotwendige an den Standort gebundene Personal sind zugelassen, sofern durch geeignete Vorkehrungen für wohnhygienisch einwandfreie Verhältnisse gesorgt wird. Innerhalb der Gewerbezone G und gegenüber angrenzenden Gewerbe- und Lagerzonen GL ist die offene oder geschlossene Bauweise erlaubt.
PD





