Schweizer Emotionen, internationale Überraschungen – Gstaad kommt in Fahrt
18.07.2025 SportSchweizer Emotionen, internationale Überraschungen – Gstaad kommt in Fahrt
Dominic Stricker liefert sich ein hochklassiges Duell mit dem topgesetzten Casper Ruud, Ignacio Buse schreibt als Qualifikant mit drei starken Auftritten seine ...
Schweizer Emotionen, internationale Überraschungen – Gstaad kommt in Fahrt
Dominic Stricker liefert sich ein hochklassiges Duell mit dem topgesetzten Casper Ruud, Ignacio Buse schreibt als Qualifikant mit drei starken Auftritten seine eigene Turniergeschichte, und Henry Bernet steht an der Seite seines Kindheitsidols Wawrinka auf dem Center-Court. In Gstaad verdichten sich in diesen Tagen grosse Auftritte, kleine Überraschungen – und viele Momente, die bleiben.
JEANETTE WICHMANN/ÜBERSETZUNG AVS
Montag, 14. Juli: Highlights der ersten Runde
Dominic Stricker
Stricker gewinnt erneut seinen Auftaktmatch – und steht zum dritten Mal bei den EFG Swiss Open Gstaad im Achtelfinale. Nach einem nervösen Start gegen den routinierten Franzosen Pierre-Hugues Herbert (ATP 144) fand der Berner Oberländer zunehmend seinen Rhythmus. Mit starker Unterstützung des heimischen Publikums drehte Dominic das Spiel eindrucksvoll, übernahm im dritten Satz die Kontrolle und siegte mit 4:6, 6:4, 6:2. Das Erste, was der 22-Jährige im Platzinterview sagte, war ein Dank an die Zuschauer: «Ihr habt mir sehr geholfen. Im ersten Satz war ich etwas nervös, das hat man gesehen – umso schöner, wieder hier in Gstaad vor euch zu spielen.» Stricker ist ein Familienmensch – und seine Resultate zeigen, wie viel es ihm bedeutet, in der Schweiz zu spielen. Es war sein erster ATP-Sieg seit Oktober, als er in Basel bei den Swiss Indoors das Achtelfinale erreichte.
Ignacio Buse (Peru)
Eine der Überraschungen des Tages gelang dem jungen Qualifikanten Ignacio Buse, der den als Nummer 5 gesetzten Laslo Djere in einem umkämpften Dreisatzmatch mit 7:6(4), 1:6, 6:4 bezwang. Buse zeigte Nervenstärke im Tiebreak des ersten Satzes, kam nach einem schwachen zweiten Durchgang zurück und sicherte sich den Sieg mit starkem Spiel im Entscheidungssatz. Damit feiert der Peruaner seinen bislang grössten ATP-Erfolg – und zieht ebenfalls ins Achtelfinale ein.
Doppel-Spotlight: Wawrinka und Bernet
Am Montagabend ging für den jungen Schweizer Henry Bernet ein Traum in Erfüllung: Gemeinsam mit Stan Wawrinka trat er im Doppel an. Noch vor zehn Jahren hatte der damals achtjährige Bernet seinen späteren Partner im Fernsehen gesehen, als Wawrinka in Paris die French Open gewann. Heute, mit 18 und selbst Junioren-Grand-Slam-Sieger, durfte Bernet in Gstaad Seite an Seite mit seinem Idol vor Heimpublikum auf dem Platz stehen. Das Wildcard-Duo traf in der ersten Runde auf Hendrik Jebens und Albano Olivetti – und verlor mit 4:6, 4:6. Doch für Bernet war das Ergebnis zweitrangig: «An Stans Seite zu spielen, war etwas ganz Besonderes – eine grosse Ehre», sagte er.
Die gemeinsame Teilnahme wurde über ihre gemeinsame Spieleragentur ermöglicht – und war umso bedeutsamer, da Bernet zuletzt verletzungsbedingt pausieren musste. Nach seinem sensationellen Sieg bei den Australian Open der Junioren im Januar hatte er mit einer Stressfraktur der Rippe zu kämpfen, die ihn monatelang ausser Gefecht setzte. Gstaad war seine Rückkehr in die ATP-Welt – nach einigen Einsätzen auf ITF-Ebene in Klosters und Getxo. Im Übergang vom Junioren- zum Profibereich sammelt Bernet nicht nur spielerische, sondern auch mentale Erfahrungen: «Ich muss lernen, Stans Ruhe zu übernehmen», sagt er. «Er gibt sich immer eine Chance zu gewinnen – auch wenn es schlecht steht. Er bleibt ruhig, geduldig – daran arbeite ich.» Nächste Woche setzt Bernet seine Saison beim Challenger in Zug fort – mit viel Inspiration und einem unvergesslichen Erlebnis im Gepäck.
Dienstag, 15. Juli: Höhen und Tiefen für Schweizer Tennisfans
Kym feiert seinen ersten ATP-Sieg
Ein grosser Meilenstein gelang Jérôme Kym (ATP 154): Er holte seinen ersten Sieg auf ATP-Tour-Ebene – mit einem 7:5, 4:6, 7:5 gegen den Franzosen Calvin Hemery (ATP 171). Der 22-jährige Aargauer, der in Kitzbühel trainiert und mit der Höhe gut zurechtkommt, überzeugte mit starkem Aufschlag und mentaler Stabilität. Nach einem frühen Aufschlagverlust im zweiten Satz kämpfte sich Kym im dritten Durchgang zurück und sicherte sich nach zwei Stunden und fünfzehn Minuten einen emotionalen Heimsieg. «Das Turnier, die Berge, die Kulisse – das liegt mir einfach», sagte er nach dem Match. Als Nächstes wartet im Achtelfinale der italienische Qualifikant Francesco Passaro (ATP 131) – eine weitere Chance, die Schweizer Erfolgsgeschichte fortzusetzen.
Wawrinkas Heim-Comeback endet früh
Weniger erfreulich verlief der Tag für Stan Wawrinka (ATP 156): Seine Rückkehr nach Gstaad endete bereits in Runde 1. Trotz herzlichem Empfang und lautstarker Unterstützung in der Roy Emerson Arena unterlag der 40-Jährige dem Kasachen Alexander Shevchenko (ATP 101) deutlich mit 3:6, 2:6. Wawrinka, der hier vor 20 Jahren sein erstes ATP-Finale erreichte, bleibt bis heute der letzte Schweizer, dem dies in Gstaad gelungen ist. Ganz nahbar nahm er sich nach dem Match Zeit für Autogramme und Gespräche mit den Fans – ein Zeichen, wie viel ihm Gstaad weiterhin bedeutet.
David Goffin
Nach der verletzungsbedingten Absage von Matteo Berrettini rückte der belgische Routinier per Wildcard ins Feld – und nutzte die Gelegenheit prompt: Gegen Spaniens Martin Landaluce setzte er sich in zwei umkämpften Sätzen mit 7:6(2), 6:3 durch.
Francesco Passaro
Der italienische Qualifikant sorgte für eine der grössten Überraschungen des Tages: Mit 6:1, 7:5 warf er den als Nummer 8 gesetzten Arthur Rinderknech aus dem Turnier – eine dominante Leistung des 23-Jährigen, der mit viel Schwung aus der Quali kam.
Doppel-Erfolg: Letztes Schweizer Team bleibt im Rennen
Auch im Doppel gab es Grund zur Freude für die einheimischen Fans: Dominic Stricker und Jakub «Kubi» Paul gewannen ihren Erstrundenmatch in drei Sätzen und stehen in der nächsten Runde. Kampfgeist und eingespieltes Teamwork sorgten für Spannung – und dafür, dass die Schweizer Fahne im Doppel weiter weht.
Mittwoch, 16. Juli: knappe Entscheidungen und aufstrebende Talente
Buse setzt seinen Lauf fort
Ignacio Buse zeigte auch an seinem dritten Matchtag in Folge keine Müdigkeit. Der 20-jährige Peruaner bezwang den Polen Kamil Majchrzak mit 6:1, 5:7, 6:1 – erneut überzeugte er mit Beweglichkeit, Ausdauer und klugem Spiel. Nach erfolgreicher Qualifikation mausert sich Buse zur stillen Entdeckung des Turniers.
Stricker fordert Ruud bis zum Äussersten
Das mit Spannung erwartete Duell der beiden Linkshänder Dominic Stricker und Casper Ruud sorgte für Hochspannung in der Roy Emerson Arena. Stricker startete furios, spielte aggressiv und furchtlos – und setzte Ruud von Beginn an unter Druck. Beide servierten stark – Ruud mit neun Assen, Stricker mit sieben – und der Schweizer schaffte als Erster das Break zum 4:3. Doch Ruud konterte sofort mit dem Rebreak und sicherte sich den ersten Satz mit 7:5 nach einem druckvollen Vorhandschlag. Auch der zweite Durchgang war eng, ging ins Tiebreak – Stricker kämpfte beherzt, verlor aber knapp mit 6:8. Ruud, zweifacher Gstaad-Sieger, gab nach dem Match zu, dass ihm die Höhenlage zu schaffen machte – lobte aber Strickers Vielseitigkeit und hartnäckiges Spiel. Endstand: Ruud besiegt Stricker mit 7:5, 7:6 (8:6) – aber der Unterschied war hauchdünn.
Lucky Loser Patrick Zahraj ...
... zog nach dem Ausfall von Pedro Martínez ins Hauptfeld ein – und kämpfte tapfer gegen Roman Andres Burruchaga (ARG), musste sich nach starkem zweiten Satz aber mit 4:6, 6:4, 1:6 geschlagen geben.
Der letzte Match des Tages – Goffin vs. Cerundolo – musste wegen Regen unterbrochen werden.
Donnerstag, 17. Juli: Die Highlights
Im Duell zwischen Francisco Comesana und Roberto Carballés Baena setzte sich der Argentinier klar mit 6:1, 6:4 durch und steht nun im Viertelfinale – dort trifft er auf den Sieger des rein kasachischen Duells zwischen Alexander Shevchenko und Alexander Bublik, das am Donnerstagnachmittag mit Spannung erwartetet wurde (nach Redaktionsschluss).
Der Match zwischen Francisco Cerúndolo und David Goffin wurde am Donnerstagmittag beim Stand von 4:4 im zweiten Satz fortgesetzt, nachdem er am Vorabend wegen Regens und Dunkelheit unterbrochen worden war. Doch Goffin fand nach der Pause nicht mehr in seinen Rhythmus und gewann nur noch zwei Punkte bis zum Ende des Spiels. Cerúndolo machte kurzen Prozess, holte sich die letzten beiden Sätze mit 6:4, 6:1 und sicherte sich damit das Ticket fürs Viertelfinale gegen Casper Ruud.
Im letzten Einzel des Tages trat der letzte verbliebene Schweizer im Hauptfeld, Jérôme Kym, gegen den italienischen Qualifikanten Francesco Passaro an. Zum Redaktionsschluss war auch dieser Match noch nicht entschieden. Doch das Wochenende verspricht Spannung – denn der Sieger dieser Begegnung trifft im Viertelfinale entweder auf die Nummer 4 des Turniers, Tomás Martín Etcheverry, oder auf den Franzosen Arthur Cazaux.
Und natürlich griff auch das Schweizer Doppel Stricker/Paul ins Geschehen ein (nach Redaktionsschluss) – sie trafen auf die routinierten und als Nummer 4 gesetzten Robin Haase und Constantin Frantzen. Ob jugendlicher Mut und eingespieltes Teamwork ausreichen, um Erfahrung und Routine zu schlagen?