Zwei Nepalesen lernen käsen
18.07.2025 GstaadZwei Nepalesen lernen käsen
Um der Bevölkerung in ihrem nepalesischen Dorf neue Absatzmärkte zu eröffnen, lernten zwei Nepalesen mit tibetischer Abstammung auf der Alp Turnels das Käsen. Ursula und Daniel Michel haben ihnen die ...
Zwei Nepalesen lernen käsen
Um der Bevölkerung in ihrem nepalesischen Dorf neue Absatzmärkte zu eröffnen, lernten zwei Nepalesen mit tibetischer Abstammung auf der Alp Turnels das Käsen. Ursula und Daniel Michel haben ihnen die Käse-Basics beigebracht, organisiert hat es der Manjushri Verein.
KEREM S. MAURER
Mit konzentriertem Blick beobachten Dawa Norbu und Nima Chiring das Thermometer, um im richtigen Moment das Kupferkessi vom Holzfeuer zu nehmen. Mit geübten Handgriffen entnehmen sie mit dem Käsetuch die Käsemasse, lassen sie abtropfen und hieven sie gemeinsam in die bereitgelegte Form. Von da an übernimmt Ursula Michel, Käserin auf der Alp Turnels zwischen Wasserngrat und Gifer hoch über Gstaad, die Weiterverarbeitung. Obschon es so aussieht, als seien die drei ein seit Langem eingespieltes Team, sind die beiden Nepalesen erst seit knapp vierzehn Tagen auf der Alp. «Wir wollen hier das Käsen lernen, damit wir unsere Hirten zu Hause ausbilden und ihnen neue Absatzmöglichkeiten ermöglichen können», erklärt der 35-jährige Dawa Norbu. Er hat dank dem Schweizer Manjushri Verein in Kathmandu die Manjughoksha Academy besucht. «Dawa Norbu hat einen nepalesischen Bachelor in Sozialwissenschaften, leitet seit fünf Jahren die Dorfschule in seinem Heimatdorf Samagaun und hilft der Dorfbevölkerung in vielen Belangen. Er ist für Samagaun ein wichtiger Mann», erklärt Vereinspräsidentin Ursula Meichle auf Anfrage dieser Zeitung. Dawa Norbu hat den zweiten Nepalesen mit tibetscher Abstammung, Nima, einen Hirten, der zu Hause zwölf Yaks hält, für das Projekt ausgewählt. Nima will künftig seine Yakmilch zu Käse verarbeiten und an Touristen, Sherpas und Hotels verkaufen. Doch wie kommen die beiden ausgerechnet nach Gstaad zu Ursula und Daniel Michel?
Idee aus der dortigen Bevölkerung
«Schönried ist unsere zweite Heimat. Wir verbringen gerne den Winter hier, kennen die Familie Michel und sind seit Jahren Stammkunden in deren Stallbeizli», sagt Ursula Meichle, deren Tochter Melanie 2006 den Manjushri Verein gegründet hat. Melanie Meichle kennt Dawa Norbu seit über 20 Jahren, als sie als «volunteer teacher» an der Manjughoksha Academy unterrichtete. Ursula Meichle, die dem Verein seit 2012 als Präsidentin vorsteht, hat mit Dawa Norbu in den letzten zehn Jahren in Samagaun schon einige Projekte, wie etwa die Sanierung der Dorfschule oder den Neubau eines Gesundheitszentrums realisiert. Und als Dawa Norbu mit seiner Idee auf sie zugekommen ist, nutzte diese ihre Kontakte und ermöglichte das Projekt auf der Alp Turnels. «Es macht Sinn, wenn der Anstoss zu solchen Projekten aus der betroffenen Bevölkerung ausgeht», sagt Melanie Meichle. Eine Praxis, die der Verein seit jeher so halte.
Mutschli sind ideal
«Wir haben uns die Sache gut überlegt. Die beiden hatten ja vom Käsen keine Ahnung», räumt Ursula Michel ein. Schliesslich gehe es bei ihrem Käse nicht nur um ein Produkt mit sehr hohen Qualitätsanforderungen, sondern auch um ihr Einkommen. Doch ihr Mann, Landwirt Daniel Michel, habe sich derart positiv zu diesem Projekt geäussert, dass sie eingewilligt und versucht haben, den beiden Nepalesen das Käsehandwerk näherzubringen. Und, haben sie nach diesen 14 Tagen ihren Entschluss bereut? «Nein», sagt Ursula Michel lachend. «Sie haben es gut gemacht und uns geholfen, wo sie konnten. Zudem haben sie uns von ihrem Leben in Nepal erzählt und damit unseren Horizont erweitert.» Sie hätten gemeinsam Mutschli hergestellt, weil diese für die Absichten der Nepalesen von der Grösse her ideal seien. Ausserdem haben Ursula und Daniel Michel den beiden Nepalesen ein «Käserei-Starterkit» organisiert. «Dabei handelt es sich um einige Käseformen, in denen sie ihren Käse pressen können. Alles andere können sie ihn ihrem Heimatland besorgen», so Ursula Michel.
Unentgeltliche Hilfe
Sämtliche Leistungen, die Ursula und Daniel Michel erbracht haben, leisteten sie unentgeltlich. «Das ist unser Beitrag an diese in unseren Augen sehr sinnvolle Entwicklungszusammenarbeit», betont Ursula Michel. Die Verantwortlichen sind überzeugt, dass sich Dawa Norbu und Nima Chiring in den vergangenen zwei Wochen das nötige Grundwissen des Käsereihandwerks angeeignet haben und dass sie zurück in Samagaun die Möglichkeit haben, dort sofort mit dem Käsen anzufangen.
DER MANJUSHRI VEREIN
Der Manjushri Verein ist in Nepal tätig und engagiert sich im Interesse des tibetischen Volkes für die Förderung der Bildung und die Erhaltung des tibetischen Kulturgutes. Melanie Meichle hat den Verein im Jahr 2006 gegründet, ihre Mutter Ursula Meichle steht ihm heute als Präsidentin vor. «Es hatte alles im Jahr 2005 mit einem halbjährigen Freiwilligeneinsatz als Englischlehrerin in der Manjughoksha Academy begonnen. Vor meiner Abreise nach Nepal hatte ich die vage Hoffnung, durch meinen Unterricht etwas Gutes für die tibetische Exilgemeinschaft bewirken zu können. Nach über einem halben Jahr kehrte ich mit der Gewissheit zurück, dass es nicht bei diesem einmaligen Einsatz bleiben würde. Ich hatte meine Tätigkeit in Nepal jedoch nicht mit dem Anspruch begonnen, etwas ganz Grundsätzliches verändern zu können. Nein, die Welt wollte ich nie verbessern. Ich würde es eher das Ausschöpfen der eigenen Kapazitäten nennen – einen Anspruch, den ich seit meinen Erlebnissen in Kathmandu an mich selbst hatte», schreibt die Gründerin auf der Vereinswebsite, und: «Wir sind stolz, dass sich unsere Administrationsbeträge in den letzten fünf Jahren aussergewöhnlich tief hielten: 99 Prozent der Spendengelder flossen direkt in die Projekte.»
Quelle: www.manjushri-verein.ch