Gsteig: Rückzug von Traktandum sorgt für Unmut
17.12.2024 GsteigDer Gemeinderat strich das Geschäft der Deponieerweiterung von der Traktandenliste, obschon der Einsprecher den Rückzug seiner Einsprache schriftlich angekündigt hatte. Und Gemeinderatspräsident Markus Willen sowie die Gemeinderäte Simon Graa und Urs von ...
Der Gemeinderat strich das Geschäft der Deponieerweiterung von der Traktandenliste, obschon der Einsprecher den Rückzug seiner Einsprache schriftlich angekündigt hatte. Und Gemeinderatspräsident Markus Willen sowie die Gemeinderäte Simon Graa und Urs von Siebenthal wurden verabschiedet.
KEREM S. MAURER
57 Anwesende oder neun Prozent der Gsteiger Stimmberechtigten wohnten am Freitag einer gleich doppelt denkwürdigen Gemeindeversammlung in Gsteig bei: Zum einen weil es für Gemeindepräsident und Gemeinderatspräsident in Personalunion, Markus Willen, und die beiden Gemeinderäte Simon Graa (öffentliche Sicherheit) und Urs von Siebenthal (Bauwesen, Forstund Landwirtschaft) die letzte Gemeindeversammlung im Amt war. Und zum anderen, weil das Traktandum «Überbauungsordnung Deponie Typ A Saali – Erweiterung Süd» vom Gemeinderat zurückgezogen wurde. Alle anderen traktandierten Geschäfte wurden vom Souverän genehmigt (siehe Kasten).
Rückzug wegen BKW-Einsprache
Die BKW erhob Einsprache gegen die Deponieerweiterung, weil sie aufgrund des Plans nicht überprüfen konnte, ob die gesetzlich vorgeschriebenen Abstände in Bezug auf einen Container, und ein Toi Toi – welche auf dem dafür vorgesehenen Installationsplatz zu stehen kommen sollen – und einem Strommast sowie der Hochspannungsleitung gewährleistet werden können. Ebenso ging es um das Einhalten von Grenzwerten im Zusammenhang mit nichtionisierenden Strahlen. Markus Willen: «Da wir nicht unter Vorbehalt über ein Geschäft abstimmen wollen, hat der Gemeinderat beschlossen, das Traktandum zurückzuziehen.» Dies sorgt bei Heinz Addor, Präsident der SL Abbau und Deponie AG, für Unverständnis. «Wir waren am Freitag vor der Gemeindeversammlung mit der BKW in regem Kontakt», sagt er auf Anfrage. Nach einigem hin und her habe die BKW kurz nach halb sechs per Mail bestätigt, dass «die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden und die Einsprache zum Vorhaben am Montag, 16. Dezember zurückgezogen werde» (Mail liegt der Redaktion vor). Daraufhin habe die SL Abbau und Deponie AG unverzüglich den Gsteiger Gemeinderat informiert. Doch dies reichte ihm nicht, weil eine rechtsgültige Unterschrift fehlte. Noch einmal Heinz Addor: «Ich habe dem Gemeinderat vorgeschlagen, unter Vorbehalt über das Geschäft abstimmen zu lassen, damit wir weitermachen können.» Doch das habe der Gemeinderat abgelehnt. Den so von Heinz Addor erhobenen Vorwurf will der Gemeinderat nicht so stehen lassen und teilt auf Anfrage mit: «Der SLAD – SL Abbau und Deponie AG – wurde rechtzeitig die Frist gesetzt, um die von der BKW geforderten Bereinigungen umzusetzen. Da es sich hierbei um gesetzlich einzuhaltende Abstände handelt, hätten diese Anforderungen bereits bei der Projektierung durch die SLAD bzw. der von ihr beauftragten Projektverfasserin berücksichtigt werden müssen. Der Gemeinderat hat vorgängig klar kommuniziert, der Gemeindeversammlung nur ein vorbehaltloses Geschäft unterbreiten zu wollen. Nun erleidet das Projekt als Konsequenz davon eine Verzögerung um ein halbes Jahr und wird erst im kommenden Mai der Stimmbevölkerung vorgelegt.
Notfalltreffpunkt und Schneeräumung
Unter «Verschiedenes» informierte Simon Graa, dass der Notfalltreffpunkt der Gemeinde Gsteig im Katastrophenfall in der Gemeindeverwaltung errichtet und mit einer entsprechenden Fahne gekennzeichnet werde. Und ebenfalls unter «Verschiedenes» wurde die Schneeräumung thematisiert. Die Gemeinde, so der Votant, würde 75 Prozent der Schneeräumungskosten übernehmen. Doch Leute, die nicht an Gemeindestrassen wohnten, müssten dafür ganz oder zu einem grossen Teil selbst aufkommen. Er wünschte sich, dass die Schneeräumung im ganzen Gemeindegebiet einheitlich geregelt und entschädigt würde. Markus Willen versprach, es werde bis zur nächsten Gemeindeversammlung ein entsprechender Vorschlag ausgearbeitet.
Aussergewöhnliche Gesprächskultur
Am Ende der Versammlung dankte Markus Willen insbesondere Simon Graa und Urs von Siebenthal für ihre langjährigen Einsätze in der Kommunalbehörde. Simon Graa habe während der letzten zwölf Jahre in über 270 Gemeinderatssitzungen sehr viele Geschäfte behandelt und während neun Jahren die Schulkommission mit all deren Schwierigkeiten sehr souverän geführt. Auch während der drei Jahre in der öffentlichen Sicherheit – und nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem Bären Gsteig – habe er sich in grossem Masse für die Gemeinde eingesetzt. An Urs von Siebenthal gewandt sagte Willen, er sei für ihn immer einer der wichtigsten Ratskollegen gewesen mit seiner offenen und humorvollen Art. «Der Gemeinderat verliert grosses Wissen und zwei tolle Menschen», so Willen. Simon Graa hob die aussergewöhnlich gesunde Gesprächs- und Diskussionskultur hervor, die in Gsteig herrsche. Man könne durchaus verschiedener Ansichten sein, diese vertreten, ohne dass am Ende alle miteinander verkracht seien. Diese Fairness und der respektvolle Umgang untereinander habe er immer sehr geschätzt.
Ungewöhnliche Lösungsansätze
In ihrer Laudatio für den abtretenden Markus Willen jonglierte Barbara Kernen, die im kommenden Jahr in seine Fussstapfen treten wird, mit einigen Zahlen. Sie kam zum Schluss, dass Willen während seiner siebzehn Jahre – fünf als Vize- und zwölf als Gemeindepräsident – auf rund 5881 Stunden kam, die er in Sitzungen für das Gemeindewohl verbracht habe. «Das ist eher tief gerechnet, effektiv dürften es deutlich mehr gewesen sein», so Kernen. Oft habe Markus Willen völlig neue Lösungsvorschläge gebracht, bei denen sie sich oft gefragt habe, warum sie da nicht selbst darauf gekommen sei. Willen sagte: «Ich habe es gerne getan, da wird mir sicher einiges fehlen. Aber ich freue mich auf viel mehr Zeit, die ich mit meiner Frau und meinem Hund verbringen kann.» Am Schluss gab es für ihn, Simon Graa und Urs von Siebenthal von den Anwesenden stehende Ovationen.
DIE GESCHÄFTE
– Das Budget für 2025, das für den allgemeinen Haushalt einen Aufwandüberschuss von 684’439 Franken vorsieht, wurde ohne Wortmeldungen genehmigt.
– Die Genehmigung der Teilrevision des Organisationsreglements wurde ohne Wortmeldungen genehmigt.
– Der Verpflichtungskredit für Gstaad Saanenland Tourismus in der Höhe von 74’250 Franken für ein weiteres Jahr wurde ohne Wortmeldungen genehmigt.
– Der Bruttoverpflichtungskredit in der Höhe von 400’000 Franken für den Trottoirneubau Lädi-Grundbrücke Feutersoey wurde nach drei Wortmeldungen genehmigt.
– Die Übertragung des Mehrzweckgebäudes Zelg Gsteig ins Verwaltungs- vom Finanzvermögen wurde nach einer Wortmeldung genehmigt.
– Der Verpflichtungskredit in der Höhe von 60’000 Franken für den Ersatz der Bühnenbeleuchtung in der Mehrzweckhalle Gsteig wurde genehmigt.