Gute Musik hat keine Grenzen
11.08.2025 KulturAm vergangenen Sonntagmittag konnten die Gäste des 69. Menuhin Festivals Gstaad das vierte und letzte Konzert der «Mountain Spirit»-Konzertreihe erleben. Zum ersten Mal wurde es unter dem Titel «Yodel meets Gershwin» als «Flying Lunch» in der ...
Am vergangenen Sonntagmittag konnten die Gäste des 69. Menuhin Festivals Gstaad das vierte und letzte Konzert der «Mountain Spirit»-Konzertreihe erleben. Zum ersten Mal wurde es unter dem Titel «Yodel meets Gershwin» als «Flying Lunch» in der Lounge auf dem Eggli durchgeführt. Musikalische Highlights mit der einheimischen Sopranistin Beatrice Villiger und dem Zürcher «casalQuartett» und allerlei Kulinarisches aus der Bergrestaurantküche wurde im «fliegenden Wechsel» kredenzt.
TINA DOSOT
Perfekter hätte es nicht sein können. Hoch über Gstaad vor Traumbergkulisse, bei Traumwetter und in einem lockeren, sommerlichen Ambiente wurde den Gästen ein unglaubliches, genau auf dies alles abgestimmtes Konzert geboten. Mit sicherem Griff hatte man für diesen Anlass die einheimische Sopranistin Beatrice Villiger ausgewählt. Bekannt für ihre Naturverbundenheit, aber auch dafür, musikalisch gerne einmal Grenzen zu überschreiten, bot sie ein Programm, das einen mitten in der Bergwelt zurücklehnen und schwelgen liess! Zum gemeinsamen Musizieren ausgesucht hatte sie sich nicht ohne Grund das Zürcher «casalQuartett», das selbst seine Liebe «zum Blick über den Tellerrand» bekundet. Das exzellente Streichquartett ist bekannt für seine Vielfältigkeit. Mit einer Sopranistin, die auch jodelt, habe man aber noch nie gearbeitet, erzählte Sprecher Markus Fleck vor dem spannenden Experiment.
Yodel meets Gershwin?
Wer aber nun denkt, Beatrice Villiger hätte Gershwins Oper gejodelt, der irrt. Mit viel Feingefühl für das, was sie vorhatte, hat sie gemeinsam mit dem «casalQuartett» ein Programm zusammengestellt, wie es schöner nicht hätte passen können und das sich ganz langsam den «Grenzgängen» näherte. Um das Publikum einzustimmen und nicht gleich zu überfordern, begann sie mit Franz Schuberts «Der Wanderer». Mit dem von Schubert vertonten bekanntesten Gedicht der deutschen Romantik nahm sie das Publikum behutsam – zunächst ganz klassisch – mit auf die Reise durch «ihre» Bergwelt. Fröhlich erzählte sie dem Publikum von ihrer Jugend in den Bergen der Region und wie sie das Jodeln auf der Alp lernte, während sie versuchte, den Älplern die Arie der «Königin der Nacht» näherzubringen.
Jodellieder – mit besonderem Touch
«Stärne» und «Wulche» des Mühlethurner Komponisten Jürg Röthlisberger, mit Quartettbegleitung, arrangiert von Reto Stadelmann – beide auch anwesend – folgten. Wunderbar, mit Gefühl und Kraft, gab Beatrice Villiger den beiden typischen Schweizer Jodelliedern einen besonderen Touch. War es das Jodeln oder ihre volle, weiche Sopranstimme, die den Liedern Tiefe und Wärme verliehen? Schwer zu sagen. Eine Grenze war schon hier aufs Angenehmste überschritten.
Wie romantisch Volksmusik sein kann, bewies die Künstlerin postwendend mit dem Sprung nach Irland – das Volkslied «The Salley Gardens» konnte sie angenehm fliessend an die beiden Schweizer Jodellieder anschliessen – und eine weitere Grenze öffnen.
«casalQuartett» – zwischen Tradition und Innovation
Das «casalQuartett» konnte sich dank grosser Erfahrung auch dieser Herausforderung stellen. Leicht, einfühlsam, brillant und mit einem besonderen Klang und Stil unterstützten sie Beatrice Villigers herzlichen und inspirierenden Vortrag. Mit Konzerten in aller Welt haben sie sich wohl eine aussergewöhnliche stilistische Vielfalt angeeignet, die ihnen zu Gute kam. Dies und ihre vitale Bühnenpräsenz machten sie bereits zu einem der international renommiertesten Quartette der Schweiz.
Während Beatrice Villiger sich fliessend und mit sichtbarer Freude zwischen Klassik, Schweizer Jodel und irischer Volksmusik bewegte, zeigte das Schweizer Quartett im Solo mit vier dänischen Volksliedern, wie auch sie sich selbstsicher und mit Überzeugung zwischen Tradition und Innovation bewegen können. Mit dem Potpourri aus der Suite der Gershwin-Oper «Porgy and Bess» distanzierte sich das «casalQuartett» jedoch für einen Moment vom aufgezeigten Weg. In einem elfminütigen, mitreissenden Spektakel zeigten die vier ihr Temperament, ihr ausgezeichnetes Zusammenspiel und ihr technisches Können, was mit anhaltendem Applaus belohnt wurde.
Hinhören und Verstehen: die «Jodel-Serenade»
Auch nach der Pause konnte Beatrice Villiger das bereits geübte Publikum mit zwei traditionellen Jodelliedern (Reto Stadelmann hatte wiederum die Quartettbegleitung arrangiert) romantisch stimmen.
Höhepunkt des Nachmittags war aber der 1. Satz der «Jodel-Serenade» von Reto Stadelmann. Der Komponist aus Château-d’Oex hatte Beatrice Villiger schon zur Uraufführung eingeladen und beide freuten sich, das Werk in Begleitung des Zürcher Quartetts nochmals präsentieren zu können. Gutes Zuhören war gefragt, um dieses frische, zeitgenössische Stück aufnehmen und verstehen zu können.
Beatrice Villiger und das «casal-Quartett» wurden natürlich nicht ohne Zugabe entlassen. Sie schlossen den musikalischen Kreis mit Schuberts «Ode an die Musik».
«Gute Musik hat keine Grenzen», sagte die Künstlerin, sichtlich erfreut, dass das Experiment gelungen war. «Wenn sie uns berührt, ist sie gut…»