Ein grosses Herz für eine kleine Schule – Henri Behar sagt Adieu
28.02.2025 Interview«Small school – big heart». Dieses Motto der JFK International School verwirklichte kaum jemand so gut wie Schuldirektor Henri Behar. Ein gutes Jahrzehnt war die Schule sein Lebensmittelpunkt und seine Passion. Anfang dieses Jahres hat er die Hauptverantwortung an seine ...
«Small school – big heart». Dieses Motto der JFK International School verwirklichte kaum jemand so gut wie Schuldirektor Henri Behar. Ein gutes Jahrzehnt war die Schule sein Lebensmittelpunkt und seine Passion. Anfang dieses Jahres hat er die Hauptverantwortung an seine Nachfolgerin abgegeben. Im Interview erzählt er, was er besonders vermissen wird und wie er dennoch den Kontakt zu seiner geliebten Schule halten wird.
SONJA WOLF
Henri Behar, nun sind Sie pensioniert.
Nein, noch nicht ganz! Eigentlich hätte ich schon letztes Jahr in Rente gehen sollen. Da es jedoch ein Problem mit meinem Nachfolger gab, habe ich meine Tätigkeit verlängert, um jemand Neues zu suchen. Glücklicherweise haben wir Shirley Mitchell gefunden, die im Januar ihre Arbeit aufgenommen hat. Nun arbeite ich mit ihr zusammen und übergebe ihr langsam meine Aufgaben und Erfahrungen. Nach dem Wintersemester Ende März werde ich offiziell aufhören zu arbeiten.
Was sind dann Ihre Pläne?
Back to the roots! Ich möchte mit meiner Frau in mein Heimatland Guatemala zurückkehren. Das Wetter dort ist sehr angenehm, und es ist ein schönes Land zum Leben. Das Rentendasein ist meiner Meinung aber nicht dazu da, nur noch auf der faulen Haut zu liegen. Ich werde weiterhin das Sommercamp der JFK leiten. Das ganze Jahr über kann ich von Guatemala aus arbeiten und dann im Sommer anreisen, um persönlich anwesend zu sein. Das Sommercamp dauert sechs Wochen, von Juli bis Mitte August.
Das tönt immer noch nach recht viel Arbeit.
Sicher, aber die Schule ist fast wie mein Baby – ich kann die Verbindung nicht einfach abbrechen! Gleichzeitig kann ich den Europaaufenthalt dann jeweils nutzen, um meine beiden Töchter in der Schweiz und meinen Sohn in Deutschland zu besuchen.
Ein gutes Jahrzehnt als Schuldirektor der JFK-Schule sind eine lange Zeit. Was bewog Sie damals dazu, ins Saanenland zu kommen?
Es war wie ein Hilferuf. Die Schule befand sich 2011 in einer Phase des Wandels: Die Lovell Familie hatte gerade die Schule an die JFK Foundation übergeben, und viele Familien hatten die Schule verlassen. Die Schule stand mit nur 27 Schülern kurz vor dem Aus.
Viele Menschen dachten gar, sie sei bereits geschlossen. Da fragte mich Philippe Gudin an, der mich bereits aus der Schulwelt kannte, ob ich die Herausforderung annehmen würde, die JFK-Schule wieder in Form zu bringen. Und das tat ich dann ab 2014.
Hatten Sie bereits Erfahrung im Leiten einer Schule?
Ja, aber mehr zufälligerweise. Denn ich bin eigentlich ausgebildeter Architekt. Allerdings war ich meiner eigenen Schule, dem Collège du Léman in Genf, sehr verbunden. Dort hatte ich nach unserem Umzug von Guatemala die letzten beiden Schuljahre verbracht. Und dann arbeitete ich dort immer wieder während und auch nach meinem Architekturstudium, unter anderem als Leiter des Internats, des Marketings und auch des Sommercamps.
Haben Sie damals erwartet, so lange hier im Saanenland zu bleiben?
Jein. Ich wusste, dass es Zeit brauchen würde, die Schule wieder aufzubauen, mindestens drei Jahre. So lange wollte ich auf jeden Fall bleiben. Ansonsten war ich der Meinung, man könne hier nichts unternehmen und ich müsste jedes Wochenende nach Genf zurückkehren. Aber weit gefehlt! Ich verliebte mich sehr schnell in die Gegend und blieb. Nach Genf gehe ich inzwischen höchstens ein bis zwei Mal pro Jahr.
Wo wohnen Sie hier im Saanenland?
Ich wohne im Schulinternat in Saanen, mitten unter den Schülern.
Leidet da nicht Ihre Privatsphäre?
Nein, ich mag es, morgens aufzuwachen, die Kinder zu hören und schon in der Schule zu sein. Ausserdem ist es sehr praktisch: Wenn einmal etwas Unvorhergesehenes passiert, bin ich gleich vor Ort.
Und Ihre Frau kommt damit klar?
Ja, sie unterstützt mich. Sie versteht meine Rolle als Schuldirektor und weiss, dass vieles hands-on vor Ort erledigt werden muss.
Was hat sich im letzten Jahrzehnt im Schulalltag verändert?
Vor allem die Eltern. Sie sind anspruchsvoller und überbeschützend geworden. Manchmal ist es schwierig, ein Gleichgewicht zu finden, weil viele Eltern in bester Absicht handeln, ihren Kindern aber ungewollt die Entwicklung erschweren.
Und die Kinder? Gibt es da auch Veränderungen?
Die Kinder sind im Grunde genommen überall auf der Welt gleich. Bei den jüngeren ist es schön zu sehen, wie sie miteinander spielen, auch wenn sie anfänglich nicht dieselbe Sprache sprechen. Allerdings sehe ich auch bei den Kindern die Auswirkungen unserer schnelllebigen Gesellschaft und der übermässigen Nutzung von Bildschirmen. Es fällt ihnen schwerer, sich zu konzentrieren und eine Belastbarkeit zu entwickeln, da sie alles sofort und einfach haben wollen. Daher legt die JFK-Schule grossen Wert auf Outdooraktivitäten als Ausgleich. Da lernen die Kinder, aus ihrer Komfortzone herauszukommen und dass man sich anstrengen muss, um etwas zu erreichen.
Was wird Ihnen am meisten fehlen, wenn Sie wieder in Guatemala sind?
Die Kinder! (Bekommt feuchte Augen.) Entschuldigung, das berührt mich jetzt mehr, als ich dachte.
Das ist doch ganz normal.
Die Interaktion mit den Kindern ist an so einer kleinen Schule enger und menschlicher. Die Kinder sehen mich nicht als den strengen Direktor, sondern eher wie einen «big father». Sie kommen mit ihren Anliegen und Erlebnissen zu mir und umarmen mich auch mal. Diese Nähe und der Kontakt zu den Kindern werden mir sehr fehlen.
Und das Saanenland?
Auch das wird mir fehlen, vor allem die Menschen. Ich dachte früher immer, dass die Deutschschweizer verschlossen seien, aber ich fand die Leute hier sehr offen und nett! Darüber hinaus liebe ich die Region mit all ihren Aspekten: Spazierengehen am Arnensee oder Lauenensee und das Skifahren im Winter. Ich bin zwar kein Skirennfahrer, geniesse die Natur aber sehr!