Herausfordernde Planung für den Schulbeginn

  05.05.2022 Saanenland

Am kommenden Montag, 9. Mai, geht es für die Schüler nach den Frühlingsferien wieder zurück in die Klassenzimmer. In der Gemeinde Saanen hält sich aber aktuell noch eine grosse Anzahl weiterer schulpflichtiger Kinder und Jugendlicher aus der Ukraine auf. Beginnt auch für sie die Schule am Montag?

SONJA WOLF
«So weit sind wir leider noch nicht», informiert Verwaltungsdirektor Roman Gimmel auf Nachfrage. «Allerdings haben wir bereits eine Lösung aufgegleist und arbeiten an deren Realisierung.» Im Saanenland waren zu Beginn der Frühlingsferien 50 Waisenkinder plus sieben weitere Kinder von deren Betreuungspersonen angekommen (der Anzeiger berichtete).

Dazu gibt es 22 Kinder – 10 davon schulpflichtig –, die mit ihren Familien bereits seit Kriegsbeginn ins Saanenland geflüchtet und privat untergebracht sind. Vier von diesen sind bereits in Regelklassen integriert. «Ob weitere Flüchtlingskinder in die Regelklassen integriert werden können, hängt von verschiedenen Faktoren wie Schulstandort, Klassengrössen, Sprachkenntnisse usw. ab», so Gimmel.

Abwägen der besten Lösung
Was aber passiert mit der grossen Gruppe der Waisenkinder? Mindestens 45 unter ihnen sind im schulpflichtigen Alter, dies ist im Verhältnis zu den etwa 560 Regelschülerinnen und -schülern der Gemeinde Saanen recht viel. Aufgrund der hohen Zahl hat sich die Gemeinde für die Bildung von sogenannten Willkommensklassen entschieden, bei denen die Schüler zunächst separat unterrichtet werden.

Schnelle Hilfe gefragt
Die kantonale Vorgabe sieht vor, die Beschulung geflüchteter Kinder und Jugendlicher in zwei bis vier Wochen nach deren Ankunft zu organisieren. «Auf den 9. Mai wäre natürlich die Idealvorstellung gewesen», so Gimmel, «aber es fehlen im Moment vor allem noch Lehrpersonen, Klassenhilfen und Dolmetscher, um den Unterricht zu starten.»

Gesucht werde das entsprechende Personal über Inserate und das Stellenportal des Kantons Bern. «Erschwerend kommt freilich hinzu, dass im Kanton Bern wie auch schweizweit ohnehin ein Lehrermangel vorherrscht», bedauert Gimmel. Ein zügiges Vorgehen bei der Beschulung der Kinder und Jugendlichen wurde zudem noch dadurch erschwert, dass deren Ankunft in die Frühlingsferien fiel.

Verstärkte Task Force
Dennoch wurde umgehend gehandelt: Die «Task Force Ukraine», die seit Ende März wöchentlich tagt, wurde rasch und unbürokratisch durch ein zweites Gefäss speziell für die Einschulung der ukrainischen Schulkinder ergänzt. Dieses besteht aus Mitgliedern der Stiftung B – die sich um unbegleitete, minderjährige Asylsuchende und Flüchtlinge im Kanton Bern und hier speziell um die Waisenkinder kümmert –, aus weiteren Mitgliedern der Gemeinde Saanen sowie der Schulleitung. Ausserdem arbeitet die Gruppe eng mit dem Schulinspektorat zusammen. Dank des Sondereinsatzes aller beteiligten Akteure sollte der Unterricht in den Willkommensklassen am 16. Mai, spätestens jedoch am 23. Mai beginnen können.

Hauptziel: Deutsch lernen
Zur inhaltlichen Ausgestaltung des Unterrichts laufen noch Abklärungen mit den Betreuern der Flüchtlingsgruppe. Es geht darum, deren Bedürfnisse mit dem tatsächlich umsetzbaren Angebot in der Schulgemeinde Saanen abzustimmen. «Alles hängt natürlich stark vom Personal ab, das rekrutiert werden kann», so Roman Gimmel.

In den verbleibenden Maiwochen werde allerdings zunächst nur ein reduzierter Unterricht in Deutsch als Zweitsprache durchgeführt, da die älteren Kinder bis zum ukrainischen Schuljahresende am Fernunterricht ihrer eigenen Schule teilnehmen. «Ab Juni erfolgt die Beschulung dann umfassender im Sinne von Willkommensklassen mit Intensivkursen in Deutsch als Zweitsprache, aber auch in den anderen Fächern der obligatorischen Schule wie Mathematik, Natur/Mensch/ Gesellschaft, Gestalten, Musik und Sport», so der Verwaltungsdirektor.

Wie gehts weiter?
Die Willkommensklassen werden voraussichtlich bis zu den Sommerferien aufrechterhalten. «Die Beschulung im neuen Schuljahr ist in rollender Planung», informiert Gimmel. Ein weiterer grosser Anstieg der Schülerzahlen wird übrigens nicht erwartet, da der Kanton Bern in der Vergangenheit bereits sehr viele Flüchtlinge aufgenommen hat und gemäss der kantonalen Ausgleichsregelung nun andere Kantone in die Pflicht genommen werden.

Im kleineren Rahmen
In den Gemeinden Lauenen und Gsteig/ Feutersoey hat man Herausforderungen in einem derart grossen Rahmen nicht. In die Lauener Schule gehen (noch) keine Schulkinder aus der Ukraine und in Gsteig/Feutersoey sind laut Schuldirektor Tom Schild zwei Brüder im Kindergarten und in der zweiten Klasse. «Da fiel die Integration auf menschlicher Ebene leicht», so Schild. Und bezüglich der Sprache? «Die Kinder können Russisch und so behelfen sich die Lehrerinnen mit einem vokalen Übersetzungsprogramm Russisch-Deutsch vom Tablet. Die Verständigung klappt aber auch ohne viel Worte.» Für Abklärungen über den Unterricht hinaus helfe die Tante der Kinder, die Deutsch spreche. Tom Schild: «Laut Aussage der Eltern kommen die beiden gerne in die Schule und fühlen sich wohl.»


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