Asiatische Hornissen, Teil 1: «Keinen medialen Hype daraus machen!»
09.08.2024 InterviewDie Asiatische Hornisse ist im Kanton Bern angekommen, doch Robert Hauswirth nimmts gelassen. Er vergleicht die Situation mit jener der Varroamilbe oder des Beutekäfers und ist überzeugt, dass man bis in spätestens zehn Jahren gezwungenermassen mit ihr umgehen und leben ...
Die Asiatische Hornisse ist im Kanton Bern angekommen, doch Robert Hauswirth nimmts gelassen. Er vergleicht die Situation mit jener der Varroamilbe oder des Beutekäfers und ist überzeugt, dass man bis in spätestens zehn Jahren gezwungenermassen mit ihr umgehen und leben kann.
KEREM S. MAURER
Wann ist die Gefahr für die Bienen durch Asiatische Hornissen am grössten?
Im August und September wenn die Asiatischen Hornissen ihre Königinnen für das kommende Jahr aufziehen, ist die Situation für schwache Bienenvölker heikel. Die Nachzucht von Jungvölkern bei hohem Druck dieser Hornisse dürfte herausfordernd werden, weil sie noch zu schwach sind, um vor dem Flugloch Feinde abzuwehren. Wenn Asiatische Hornissen ein Jungvolk gewählt haben um es auszunehmen, könnte es dramatisch werden. Ich sage immer, man soll die Jungvölker am 21. Juni gebildet haben, und nicht erst im August.
Wie kann man seine Bienen schützen?
Das Einzige sind aktuell Gitter vor den Fluglöchern, beziehungsweise Flugnischen an den Bienenkästen, damit die Bienen nicht geradeaus wegfliegen, sondern sich nach verschiedenen Richtungen orientieren müssen.
Dadurch kann die Fangquote der Asiatischen Hornisse vielleicht halbiert werden. Aber das macht nur da Sinn, wo sie sich angesiedelt hat. Ich schaue der ganzen Sache mit der Asiatischen Hornisse mit einer gewissen Gelassenheit entgegen.
Ist also alles nur halb so schlimm?
Wir sollten keinen medialen Hype daraus machen. Die Natur hilft sich ja oft selbst. Denken Sie an die Varroamilbe, die vor einigen Jahren gehypt wurde. Vermutlich entpuppt sich die Sache mit der Asiatischen Hornisse in zehn Jahren auch eher als Sturm im Wasserglas. Bis dann haben wir gelernt, mit ihr umzugehen und zu leben. Ich schaue darauf, dass ich zur Blütezeit des Löwenzahns starke Völker mit jeweils 40’000 Arbeiterinnen im Kasten habe. Der Lebenszyklus der Asiatischen Hornisse zeigt, dass sie sich im Frühling noch nicht stark verbreitet. Daher sehe ich keine allzu grosse Gefahr.
Was macht man denn konkret gegen die Ausbreitung der Asiatischen Hornisse?
Für eine effektive Bekämpfung ist es zu früh, es gibt noch keine Strategie. Das Wichtigste ist, eine selektive Falle zu entwickeln mit einem Lockstoff, der primär Asiatische Hornissen anzieht. Vermutlich werden dadurch aber auch andere Hornissen und Insekten wie Wespen etc. angelockt, was problematisch ist, weil einheimische Hornissen geschützt sind. Das Ziel ist aktuell so definiert: Eindämmen und die Verbreitung verzögern.
Und wie soll das gehen?
Momentan werden Leute ausgebildet, welche Asiatischen Hornissen nachspüren und deren Nester finden. Die Sekundärnester, also die grossen Hornissennester, die sich rund 30 Meter über dem Boden in Bäumen befinden, müssen durch die Feuerwehr vernichtet werden. Primärnester, die an Liegenschaften beispielsweise unter dem Dach angelegt werden, können von den Hausbesitzern unter Berücksichtigung gewisser Vorsichtsmassnahmen selbst entfernt werden. Oder man stellt Gläser mit Lockstoffen auf, fängt Asiatische Hornissen ein, sediert sie mit Eis und bindet ihr ein Stückchen eines Taschentuchs an den Leib, damit sie auf ihrem Weiterflug verfolgt werden kann. In der Hoffnung, dass sie ihr Nest aufsucht.
Quasi als Signalflagge. Warum sie nicht gleich mit GPS-Sendern ausstatten?
Ginge auch, wäre aber viel zu teuer. Eine Besenderung kostet nahezu 300 Franken pro Hornisse. Dazu kommt das ganze Equipment, um die Daten zu verarbeiten. Da ist man schnell bei 5000 Franken pro Verein. Ich bin überzeugt, wenn sich die Asiatische Hornisse in zehn Jahren bei uns niedergelassen und sich die ganze Aufregung gelegt hat, werden wir effektive Bekämpfungsmethoden haben, wie wir sie heute auch bei der Varroamilbe kennen.
Woran erkennen Sie eine Asiatische Hornisse, wenn diese auf Sie zufliegt?
Im Flug ist sie kaum von einheimischen Hornissen zu unterscheiden. Einheimische haben eine Grösse von 18 bis 35 Millimetern, Asiatische von 17 bis 32. Ein gutes Unterscheidungsmerkmal sind jedoch die Beine. Bei der Asiatischen Hornisse sind alle sechs Beine gelb und ihr Hinterleib ist wesentlich dunkler als bei einheimischen Hornissen. Erkennbar ist sie auch an ihrem Flugverhalten, wenn sie wie ein Helikopter still in der Luft steht.
Haben Sie im vergangenen Frühling im Saanenland Primärnester von Asiatischen Hornissen entdeckt?
Nein. Weder Hornissen noch Nester.
Wie haben Ihre Imkerkolleginnen und -kollegen reagiert, als Sie mit der Sensibilisierung bezüglich der Asiatischen Hornisse angefangen haben?
Alle haben das sehr ernst genommen. Man muss sogar aufpassen, dass nicht gleich mit unzulässigen Mitteln gegen Hornissen vorgegangen wird, sobald eine auftaucht. Das ist streng verboten.
Kann die Ausbreitung der Asiatischen Hornisse überhaupt gestoppt oder gar verhindert werden?
Wohl kaum. Wenn dereinst selektive Fallen entwickelt sind, wird man diese zeitgleich und flächendeckend in stark betroffenen Regionen einsetzen. So kann vielleicht ein bisschen der Deckel draufgehalten werden. Die Ausbreitung wird auch nie überall gleich sein. Es wird immer regionale Unterschiede geben. Hotspots und Orte, wo sie gar nicht vorkommt. In unseren Höhenlagen fühlen sie sich vielleicht nicht so wohl wie unten im Flachland.
ASIATISCHE HORNISSE ( VESPA VELUTINA) – STECKBRIEF
Asiatische Hornissen sind staatenbildende Insekten. Die Jungköniginnen kommen je nach Region und aktuellem Klima bei 12 bis 15 Grad Celsius aus der Winterruhe und suchen Orte, um Primärnester zu bauen, in die sie einige Eier legen und die Larven pflegen. Diese entwickeln sich innerhalb von sechs Wochen zu adulten Arbeiterinnen und übernehmen den Nestbau und die Brutpflege, während sich die Königin nur noch dem Eierlegen widmet. In circa 70 Prozent der Fälle zieht das wachsende Volk um und baut ein Sekundärnest, welches sich meist in einer Baumkrone, oft deutlich über zehn Meter ab Boden befindet. Im Hochsommer wächst das Sekundärnest bei hoher Aktivität des Volkes und kann erheblich grösser werden als das Primärnest. Im Frühherbst werden Drohnen und geschlechtsreife Weibchen produziert, die sich verpaaren. Die begatteten Jungköniginnen der neuen Generation verlassen im Oktober und November das Nest. Nur die Jungköniginnen überleben den Winter, Drohnen und Larven sterben. Das Nest wird nur während einer Saison genutzt, pro Saison kann ein Volk mehrere Tausend Individuen hervorbringen, fast dreimal so viele wie die einheimische Hornisse. Die Flugzeit dauert von Mai bis Ende November. Sie ist eine überwiegend tagaktive Art und stellt sämtliche Aktivitäten ein, sobald die Nacht hereinbricht.
Die Asiatische Hornisse ist in der Schweiz als invasive gebietsfremde Art eingestuft, die nachweislich Umweltschäden verursacht.
Die Verantwortung für die Bekämpfung liegt bei den Kantonen. Bei Bedarf übernimmt der Bund eine koordinierende Rolle. Das Bundesamt für Umwelt BAFU ist für die Beurteilung der Umweltbelastung und für das Umweltmonitoring zuständig. Eine Änderung des Umweltschutzgesetzes ist notwendig, damit der Bund den Kantonen zusätzliche Verpflichtungen auferlegen kann.
Die Asiatische Hornisse fällt nicht unter das Tierseuchengesetz, das sich nur mit übertragbaren Krankheiten befasst. Somit ist diese Rechtsgrundlage für die Asiatische Hornisse nicht anwendbar. Das gilt insbesondere für die Finanzierung und für den Einsatz der kantonalen Bieneninspektoren.
Das Waldgesetz verbietet die Verwendung von umweltgefährdenden Stoffen im Wald, es gilt keine Ausnahmeregelung für die Asiatische Hornisse.
CERCLE EXOTIQUE/KMA