«Ich hätte mir keinen besseren Auftakt wünschen können!»
20.10.2025 KulturAusverkaufte Kirchen, begeisterte Zuhörende und ein vielfältiges Publikum: Die erste Ausgabe (insgesamt die 25.) des Festivals Le Bois qui Chante unter der Ägide der neuen künstlerischen Direktorin Valentina Rebaudo wird von ihr als voller Erfolg gewertet.
...Ausverkaufte Kirchen, begeisterte Zuhörende und ein vielfältiges Publikum: Die erste Ausgabe (insgesamt die 25.) des Festivals Le Bois qui Chante unter der Ägide der neuen künstlerischen Direktorin Valentina Rebaudo wird von ihr als voller Erfolg gewertet.
KEREM S. MAURER
«Ich bin äusserst zufrieden mit dem Verlauf des Festivals», bilanziert die neue künstlerische Direktorin bei Le Bois qui Chante, Valentina Rebaudo, nach dem Festival auf Anfrage dieser Zeitung. Der Andrang sei beeindruckend gewesen, und das Publikum nicht nur enorm vielfältig, sondern nach jedem dargebotenen Konzert auch sehr begeistert. «Für mein erstes Jahr als künstlerische Leiterin hätte ich mir keinen besseren Auftakt wünschen können», so Rebaudo.
Konzept ist aufgegangen
Der Workshop, an welchem Kinder aus Recyclingmaterialien ihre eigenen Instrumente bauen konnten, ist sehr gut angekommen. Insgesamt haben 35 Kinder aus Château-d’Oex, dem Saanenland und der Region Lausanne daran teilgenommen, und: «Besonders gefreut hat uns die Teilnahme einer Vereinigung, die Menschen mit Beeinträchtigungen begleitet. Diese haben mit grosser Freude mitgemacht!» Das anschliessende Konzert habe «die Familien begeistert und den Nachmittag wunderbar abgerundet». Damit ist das Konzept der neuen künstlerischen Leiterin aufgegangen, ein jährliches Ereignis für die Jüngsten mit ihren Eltern zu etablieren. «Nächstes Jahr wird es ein Konzert für junge Ohren zwischen 0 und fünf Jahren geben», verspricht sie.
Ein Zeichen für den Frieden
Wie viele Menschen das Festival letztlich besucht haben, sei schwierig zu sagen, aber: «Unsere Kirchen waren jeden Abend voll, die meisten Veranstaltungen seit Langem ausverkauft», so Rebaudo. Zu den Höhepunkten des Festivals zählten laut ihr das Eröffnungskonzert mit dem Trio Ernest, welches die klassischen Musikcodes auf «beeindruckende Weise auf den Kopf gestellt» habe und die Hommage an Maurice Ravel, die eine intime Seite des Komponisten offenbart habe. «Ein echter Herzensmoment war der Vortrag über Pablo Casals», sagt Rebaudo und erwähnt im selben Atemzug das gelungene Abschlusskonzert mit 25 Cellistinnen und Cellisten, die mit «El cant dels ocells» ein bewegendes Zeichen für den Frieden gesetzt hätten.
Im nächsten Jahr noch besser
Das Festival Le Bois qui Chante ist tief in Château-d’Oex und dem Pays-d’Enhaut verwurzelt. «Seit 25 Jahren arbeiten engagierte und kompetente Menschen mit viel Herz daran, dieses Festival zu einem Ort des Glücks zu machen», sagt Rebaudo und wünscht sich, dass es noch lange so weiter bestehen kann. Und sie verspricht: «Dafür werde ich alles tun! Und ich hoffe, es im nächsten Jahr noch besser zu machen und dem Publikum genauso viel Freude und Emotionen zu schenken wie in diesem Jahr.»
Le bois qui «baut»
Im Workshop «Joue à ton rythme!» im Collège Henchoz verwandelten Kinder, Eltern und Menschen mit Beeinträchtigung alte Alltagsgegenstände in klingende Kunstwerke. Unter der Leitung der Genfer Künstler:innen Andreas Fulgosi und Alexandra Tundo entstehen seit 2020 Instrumente aus recycelten Materialien – mit dem Ziel, Musik wieder als natürliche Form der Kommunikation und gemeinschaftlichen Kreativität erlebbar zu machen.
PAULA H. MITTAG
Vergangenen Mittwoch konnte man bereits um 15 Uhr im Collège Henchoz aufgeregtes Schnattern hören. Überall lagen Materialien auf den Tischen, während die beiden Leiter des Workshops eifrig erklärten, wie die selbst gebauten Instrumente funktionieren, und beim Zusammenbau der verschiedensten Klangobjekte halfen. Aufgeregte Kinder bemalten ihre eigenen Konstruktionen, um ihnen mehr Charakter zu verleihen, während die Erwachsenen stolz Fotos machten. Nebenbei präsentierte Andreas Fulgosi seine selbst gebaute Klarinette, während sich Alexandra Tundo liebevoll um die Kinder kümmerte, die Flöten herstellen. Eine grosse Auswahl an Materialien stand bereit: Von Plastikflaschen bis hin zu metallischem «Schrott» war alles dabei. Kinder wie Erwachsene suchten fleissig geeignete Stücke zusammen, schraubten, klebten und bastelten mit sichtlicher Begeisterung. Schon bald erfüllten die Klänge der neu gebauten Instrumente den Raum und sorgten für eine fröhlich-musikalische Stimmung.
Musik als Sprache der Gemeinschaft
Die aus Genf stammenden Künstler:innen Andreas Fulgosi und Alexandra Tundo leiten den Workshop «Joue à ton rythme!», in dem sie Kinder, Menschen mit Beeinträchtigung und Eltern seit 2020/2021 bei der Herstellung von Musikinstrumenten aus recycelten Materialien unterstützen. «Wir möchten, dass die Musik wieder ein Kommunikationsmittel wird und kein Konservatorium. Wir haben in unserer okzidentalen (westlichen) Welt die Musik vom Leben getrennt. Ich möchte, dass die Musik wieder in die einfache Kommunikation kommt, und dass wir auch wieder zum Singen kommen», erklärte Andreas Fulgosi.
Wie ist es entstanden?
Während der Coronapandemie sei der Workshop entstanden, da die Musiker nicht mehr auf der Bühne spielen durften. Die Eidgenossenschaft habe einen Fonds für Musiker zur Verfügung gestellt, die ein Projekt erforderte, das etwas mit Musik zu tun hat. «So ist der Workshop entstanden, aus dieser Idee, dass wir das Publikum anders einbeziehen könnten. Nicht, um nur einen Konsumerismus von der Kultur herzustellen, sondern um eine echte Teilnahme zu fördern», erklärte Fulgosi.
Vom Musiker zum Workshop-Leiter
Bereits vor zwei Jahren habe der Musiker Andreas Fulgosi eine E-Mail an die Verwaltung des Le Bois qui Chante geschickt, da er schon vor zwölf Jahren mit seiner damaligen ethnischen/Jazz-Musik-Band «Raaga Trio» dort gespielt habe. Letztendlich wurde er von der neuen Direktorin des Le Bois qui Chante, Valentina Rebaudo, aufgrund seines Vorschlags ausgewählt.
Kreativität steht im Mittelpunkt
«Wir haben selbst etwa 60 verschiedene Instrumente gebaut, die wir theoretisch den Kindern vorstellen – und es dabei belassen könnten. Aber das ist nicht der Sinn dieses Workshops. Wir wollen die Kreativität der Kinder fördern und ihnen eine schöne Erfahrung geben», sagte Andreas Fulgosi.
Nach jedem Musikworkshop gibt es ein Orchester, bei dem alle Kinder die Möglichkeit haben, ihre selbst gebauten Instrumente auszuprobieren und gemeinsam in einer Gruppe zu musizieren. «Für mich ist es immer ein Wunder, wenn ein Workshop zu Ende geht und jeder sein Instrument zeigt – das sind die schönsten Momente», schwärmte Fulgosi. Die Reaktion der Kinder beschreibt Andreas Fulgosi als: «Genial! Die Kreativität und die Reaktionen sind mega. Wir möchten wirklich alle einbeziehen. Wir machen ja auch Workshops mit Beeinträchtigten, und die haben ebenfalls eine riesige Kreativität, das finde ich total genial.» Er erkenne sehr viel Hoffnung in den Kindern und Jugendlichen, wenn er dieses Orchester und deren Freude sehe.
Handwerkliche Vertiefung ist wichtig
Laut Andreas Fulgosi steht die Kreativität im Vordergrund: «Wir machen nichts mehr mit den Händen, weil wir so konditioniert sind von unseren Handys und den sozialen Medien. Die ganze Konzentration geht dadurch verloren. Meiner Meinung nach ist es wichtig, wenn der Körper eine Aktivität hat und das Gehirn auch mal ein bisschen ruht.»
Musik trifft Nachhaltigkeit
Im letzten März hat Fulgosi «The Post-Garde Freaks Orchestrum» gegründet. Ein Ensemble aus acht Musikern, die Kompositionen für Instrumente aus recycelten Materialien aufführen. Musik, inspiriert von den Welten von Edgard Varèse, Charles Yves und Frank Zappa.
«Nachhaltigkeit ist bei diesem Projekt natürlich das Ziel. Mein Traum ist es, dass wir jetzt aus dem Kolonialismus herauskommen und unsere eigene Ethnomusikologie kreieren. Mir ist es wichtig, dass wir all den Materialien, die wir wegwerfen, ein neues Leben geben und damit unsere eigene Musik erschaffen», erklärte Andreas Fulgosi eifrig. «Ich wünsche mir, mit unseren Workshops der Kreativität und Fantasie mit der Deutschschweizer und Tessiner Kultur zusammenkommen zu können.»