IMMA: Hoffnung am Horizont
29.05.2025 KulturNach einer Phase der Turbulenzen blickt die International Menuhin Music Academy (IMMA) unter Sachwalter Loïc Pfister wieder nach vorn – eine Wiederbelebung und sogar eine Zusammenarbeit mit der neuen Menuhin Academy scheinen möglich.
SONJA WOLF
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Nach einer Phase der Turbulenzen blickt die International Menuhin Music Academy (IMMA) unter Sachwalter Loïc Pfister wieder nach vorn – eine Wiederbelebung und sogar eine Zusammenarbeit mit der neuen Menuhin Academy scheinen möglich.
SONJA WOLF
Wir erinnern uns an die Schlagzeilen in der Presse vom Sommer 2024, als die IMMA in ernsthafte Schwierigkeiten geraten war, nachdem der auf fünf Jahre angelegte Sponsorenvertrag der Hauptmäzenin abgelaufen war. Ein Stiftungsrat unter der Leitung von Andrea E. Rusca übernahm damals die Stiftung ad interim, gleichzeitig entstand die neue Menuhin Academy, welche die Studenten weiterbetreute. Die Zukunft der IMMA schien ungewiss (siehe AvS vom 20. und 23. September 2024).
Alles zum Wohl der Studierenden
Doch nun scheint die Situation klarere Formen anzunehmen. Der interimistische Stiftungsrat hat sich inzwischen aufgelöst und der Sachwalter Loïc Pfister, Rechtsanwalt in Lausanne, kümmert sich aktuell um die Belange der IMMA, während die Menuhin Academy das Studium für die jungen Musiktalente sicherstellt. Beide, IMMA und Menuhin Academy, wollen im Prinzip das Gleiche: das Wohl der Studierenden – wobei der Name, unter dem dies geschieht, eine nur untergeordnete Rolle zu spielen scheint.
Dozenten halten den Unterricht am Leben
Die drei Hauptdozenten der damals in Schwierigkeiten geratenen IMMA, Oleg Kaskiv, Pablo de Naverán und Ivan Vukčević, führten den Unterricht auf Wunsch ihrer angestammten Studenten weiter, nun unter dem Namen Menuhin Academy. «Wir haben die Menuhin Academy mit der grossen Unterstützung von Jeremy Menuhin gegründet, der uns das Recht eingeräumt hat, den Namen seines Vaters zu verwenden, und das haben wir getan, um die Tradition und das Niveau der Ausbildung aufrechtzuerhalten», sagt Oleg Kaskiv im Interview der drei Dozenten mit dieser Zeitung. Die finanzielle Situation für die Lehrenden ist schwierig, da sie seit August 2024 ehrenamtlich arbeiten. Gleichwohl konnte der gesamte Unterricht aufrechterhalten sowie die grundlegenden Bedürfnisse der Studenten wie Unterkunft, Verpflegung oder Versicherungen sichergestellt werden. «Das Institut Le Rosey leistet weiterhin grosszügige Unterstützung und spielt eine entscheidende Rolle bei der logistischen Unterstützung», sagt Pablo de Naverán. Für das nächste akademische Jahr gebe es gemäss Aussagen der drei Dozenten bereits «Versprechen von Donatoren und Stiftungen», sodass sich auch die finanzielle Situation entspannen dürfte.
Studierende unbeirrt auf Kurs
Ivan Vukčević betont auch, wie stolz sie alle drei auf die Studierenden sind, die sich trotz der vorübergehenden Schwierigkeiten in der Stiftung auf ihr Studium konzentrierten, und nach wie vor bemerkenswerte Ergebnisse erreichen: «Einige wurden bereits als Stimmführer und Konzertmeister in Orchestern in der Schweiz und in ganz Europa engagiert, andere gewannen internationale Wettbewerbe wie etwa Bohdan Luts, der den ersten Preis beim internationalen Long-Thibaud-Violinwettbewerb in Paris und beim Carl-Nielsen-Wettbewerb in Kopenhagen gewann. Und gemeinsam haben sie erfolgreiche Konzerte gegeben – wie die ausverkaufte Aufführung in der Victoria Hall – und die berühmten Sonntagskonzerte in der Carnal Hall des Rosey erfolgreich wiederbelebt.»
Eine mögliche Zusammenarbeit
Loïc Pfister, der inzwischen das Ruder als Sachwalter der IMMA-Stiftung übernommen hat, zeigt sich optimistisch, dass die Stiftung wieder auf die Beine kommt (siehe Interview mit Loïc Pfister unten). Falls tatsächlich alles gut läuft mit der Wiederherstellung, könnten sich die drei Lehrer und Jeremy Menuhin eine mögliche «Zusammenarbeit» vorstellen. «Dies wäre eine sehr schöne Perspektive», so de Naverán, denn die IMMA war schliesslich für viele Jahre gleichsam ihre «Familie». Dazu auch Kaskiv: «Die IMMA repräsentiert seit 47 Jahren eine grosse Tradition – sie wurde von Yehudi Menuhin und Alberto Lysy gegründet. Wir alle stammen aus dieser Akademie und sind emotional sehr stark mit der IMMA verbunden.»
Allerdings müssten die genauen Modalitäten und Bedingungen einer solchen Zusammenarbeit noch diskutiert werden. Im Moment sei es schlicht und einfach zu früh für genauere Aussagen, finden die drei Dozenten. Zuerst einmal müsse die IMMA tatsächlich wieder auf die Beine kommen.
Sachwalter als Vermittler in schwieriger Mission
Dazu müsse vorrangig der laufende Rechtsstreit zwischen der IMMA und dem Family Office der ehemaligen Mä- zenin Aline Foriel-Destezet geklärt werden.
Die Zukunft der IMMA ist also noch längst nicht gesichert, aber Sachwalter Pfister scheint als umsichtiger Mediator die Belange der Stiftung zwischen Family Office und Menuhin Academy zu vertreten und vorwärtszubringen. Auch die grundsätzliche Offenheit der drei Hauptdozenten und von Jeremy Menuhin für eine Zusammenarbeit scheinen einen positiven Wendepunkt nach einer Phase der Unsicherheit zu markieren. Die kommenden Wochen und Monate werden zeigen, ob eine tragfähige Lösung für die Zukunft der IMMA gefunden werden kann.
WAS SAGT DAS FAMILY OFFICE DER KLÄGERIN?
Gemäss einem Schreiben des Anwalts des Family Office, Didier Bottge, hätten die für die Stiftung zuständigen Organe «das Vertrauen der Mäzenin Aline Foriel-Destezet missbraucht, indem sie das Haus für die Studierenden in Tartegnin trotz der ausdrücklichen Ablehnung der Mäzenin erworben hatten, wobei diese Ablehnung durch die Bestimmungen der Fördervereinbarung gerechtfertigt war». Diese Aussage von Bottge wurde in der Zeitung «La Côte» am 7. Februar 2025 veröffentlicht.
Das Family Office der Klägerin Aline Foriel-Destezet wollte auf die telefonische Nachfrage des «Anzeigers von Saanen» zum aktuellen Stand des Rechtsstreits und ob eine Beilegung zum Wohl der Studierenden möglich sei, keinen Kommentar abgeben.
SWO
«Alle Zutaten für einen Neuanfang wären da» Nach den Schwierigkeiten im letzten Spätsommer und der Übergabe an einen vorübergehenden Stiftungsrat ist es ruhig geworden um die IMMA. Inzwischen hat Sachwalter Loïc Pfister, Rechtsanwalt in Lausanne, das Steuer übernommen. Wir fragten ihn nach den aktuellen Entwicklungen.
SONJA WOLF
Loïc Pfister, Sie wurden zum Sachwalter der IMMA ernannt. Wie kam es dazu?
Genau. Ich wurde im November 2024 von der Bernischen BVG- und Stiftungsaufsicht eingesetzt, nachdem der Stiftungsrat aufgrund von Schwierigkeiten innerhalb der IMMA geschlossen zurückgetreten war.
Was für Schwierigkeiten?
Die Stiftung war in einer schwierigen finanziellen Lage. Der interimistische Stiftungsrat hatte wahrscheinlich den Eindruck, die Wiederherstellung der IMMA nicht genügend gut voranbringen zu können.
Was genau ist Ihr Auftrag? Steht die IMMA etwa vor der Liquidation?
Mein Mandat umfasst drei Bereiche: die Aufarbeitung und Analyse der finanziellen Situation der Stiftung, die tägliche Geschäftsführung und die Prüfung, ob die Aktivitäten der Stiftung in der Zukunft fortgeführt werden können. Eine Liquidation wäre natürlich eine Möglichkeit, aber ich will die Lage eher optimistisch sehen. Mein Ziel ist, die Stiftung wieder auf Kurs zu bringen.
Wer wird letztendlich über die Zukunft der IMMA entscheiden?
Die Aufsichtsbehörde. Wobei auch deren Entscheidungsspielraum eingeschränkt ist – Voraussetzung ist und bleibt, dass die finanzielle Lage der Stiftung deren Fortführung erlaubt.
Wie kam es zu dieser schwierigen Lage der Stiftung?
Die auf fünf Jahre angelegte Spende der Hauptmäzenin ist abgelaufen und diese hat ihre grosszügige Unterstützung nicht verlängert, daher der aktuelle finanzielle Engpass der IMMA. Im Moment besteht bezüglich der Finanzen zudem leider ein laufender Rechtsstreit mit dem Family Office der ehemaligen Mäzenin. Da der Rechtsstreit am Laufen ist, möchte ich ihn allerdings hier nicht weiter kommentieren.
Gibt es neue finanzielle Perspektiven für die IMMA?
Ja. Es gibt ehemalige Unterstützerinnen und Unterstützer der IMMA, die weiterhin mit der Stiftung sehr verbunden sind und sie wieder fördern möchten. Die IMMA wird sich auch weiter um Fundraising bemühen müssen.
Könnte die IMMA also fortbestehen?
Im Prinzip ja. Wir hätten die Studierenden und die motivierten Lehrkräfte, die momentan in der Menuhin Academy unterrichten. Wir hätten auch mögliche Donatorinnen und Donatoren sowie Kandidaturen für einen neuen Stiftungsrat. Alle Zutaten wären da. Wobei nun alles vom Ausgang des Prozesses abhängt und von der finanziellen Sicherheit der Stiftung, denn ohne sie kann die Stiftung ihren Zweck nicht weiter erfüllen.
Wie sieht Ihre weitere Arbeit aus?
Derzeit liegt mein Fokus darauf, eine Einigung mit der ehemaligen Mäzenin und ihrem Family Office zu erzielen.
Weiterhin koordiniere ich die Neubesetzung des Stiftungsrats und bereite die Rückführung der operativen Tätigkeit in die Stiftung vor. Mein Ziel ist es, eine nachhaltige Basis für die Zukunft der Stiftung zu schaffen.
WAS MACHT EIN SACHWALTER?
Ein Sachwalter ist eine Person, die von einer staatlichen Behörde (in der Schweiz z.B. der Vormundschaftsbehörde oder der Stiftungsaufsicht) eingesetzt wird, um die Interessen einer natürlichen oder juristischen Person zu vertreten, die dazu nicht mehr oder noch nicht in vollem Umfang fähig ist.
Die Hauptaufgaben eines Sachwalters umfassen typischerweise die Vermögensverwaltung, die rechtliche Vertretung, die Sicherstellung des Wohls der vertretenen Person und die Berichterstattung an die Behörde.
Im Kontext der IMMA ist Loïc Pfister als Sachwalter eingesetzt worden, um die Interessen der Stiftung zu wahren und ihre Angelegenheiten zu regeln, nachdem der Stiftungsrat zurückgetreten war.
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