«Lass mich dich lernen, dein Denken und Sprechen, dein Fragen und Dasein, damit ich daran die Botschaft neu lernen kann, die ich dir zu überliefern habe.» Dieser bemerkenswerte Satz des früheren Bischofs von Aachen Klaus Hemmerle regt zum Nachdenken über Pfingsten an.
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«Lass mich dich lernen, dein Denken und Sprechen, dein Fragen und Dasein, damit ich daran die Botschaft neu lernen kann, die ich dir zu überliefern habe.» Dieser bemerkenswerte Satz des früheren Bischofs von Aachen Klaus Hemmerle regt zum Nachdenken über Pfingsten an.
Pfingsten ist neben Weihnachten und Ostern eines der grossen Kirchenfeste. Es wird 50 Tage nach dem Osterfest gefeiert. Sein Inhalt ist die Aussendung des Heiligen Geistes. Das erste Pfingstfest wird auch als die Geburtsstunde der Kirche gedeutet. Darüber erzählt die Bibel in der sogenannten Apostelgeschichte. Die im Gebet mit Jesus Christus verbundenen Menschen erfahren den Heiligen Geist Gottes. Diese neue Erfahrung wird sichtbar und hörbar ausgemalt. Ein heftiger Sturm «erfüllte das ganze Haus, in dem sie sassen» und «Zungen wie von Feuer» (Apostelgeschichte 2,3) liessen sich auf ihnen nieder. Dann begannen sie von Gottes Taten zu sprechen und die Menschen verschiedener Nationen und Sprachregionen, die sich damals in Jerusalem aufhielten, hörten sie in ihren eigenen Muttersprachen reden. Das war die Initialzündung für die Verbreitung des christlichen Glaubens.
Die christliche Botschaft ist mittlerweile in vielen Ländern und verschiedenen Kulturen angekommen. Sie hat unzählige kreative Persönlichkeiten in den Künsten und im Handwerk inspiriert. Lernen und immer wieder neu übersetzen in andere Kontexte hinein ist unabdingbare Voraussetzung für eine fruchtbare Weiterentwicklung gewesen. Die Kirchen in unserer Zeit nehmen diese Herausforderung auf unterschiedliche Weisen an. So hat der unlängst verstorbene Papst Franziskus in seinen letzten Lebensjahren auf eine synodale Bekehrung der römisch-katholischen Kirche hingearbeitet. Die Gläubigen, Frauen und Männer aus der theologischen Forschung und die Bischöfe sollen sich auf einen gemeinsamen Weg machen, dessen Früchte im wechselseitigen Zuhören und Lernen nach und nach reifen sollen.
Derlei Prozesse sind aber kein kirchliches Sondergut. Sich gegenseitig Zuhören und Kennenlernen, die eigene Botschaft im Blick auf die Welt um uns herum neu zu formulieren, das baut Brücken, auf denen Menschen zueinander finden. So beflügelt der Eingangsgedanke von Bischof Hemmerle Menschen, die in einer liebevollen Partnerschaft verbunden sind, Handwerksmeister:innen, die Gesellen ausbilden, Frauen und Männer in der Chefetage, die eine verantwortliche Personalführung anstreben, aber auch Länder im Konflikt, die einen nachhaltigen Friedensvertrag ausarbeiten wollen – um nur einige Beispiele zu nennen. Ein guter Geist animiert zum beständigen Lernen und lässt die im Dialog stehenden Partner:innen ansprechende Worte für die Zusammenarbeit in lebenswichtigen Fragen finden.
Christinnen und Christen feiern das Fest Pfingsten in der Überzeugung, dass Jesus Christus, der gekreuzigt wurde, der auferstanden ist und schliesslich in die Herrlichkeit Gottes aufgenommen wurde, uns diesen Geist als Beistand gegeben hat.
MATTHIAS NEUFELD, LEITENDER PRIESTER DER PFARREI INTERLAKEN UND IM PASTORALRAUM BERN-OBERLAND