Zwischen Schutz und Abschuss
17.04.2025 SaanenDie Berner Jäger tagten in Saanen Am vergangenen Samstag fand in Saanen die 136. Delegiertenversammlung des Berner Jagdverbandes statt. Während Regierungsrat Christoph Ammann den Jägerinnen und Jägern für ihren Einsatz – fürs Hegen und Pflegen – ...
Die Berner Jäger tagten in Saanen Am vergangenen Samstag fand in Saanen die 136. Delegiertenversammlung des Berner Jagdverbandes statt. Während Regierungsrat Christoph Ammann den Jägerinnen und Jägern für ihren Einsatz – fürs Hegen und Pflegen – dankte, gab Jagdinspektorin Nicole Imesch einen Einblick ins vergangene Jagdjahr.
ANITA MOSER
Organisiert wurde die Delegiertenversammlung vom Jagd- und Wildschutzverein Saanenland. Lorenz Hess, Präsident des Berner Jagdverbandes, konnte im Landhaus Saanen knapp 80 Delegierte aus den 29 angeschlossenen Vereinen begrüssen. Eröffnet wurde die Versammlung von einem Jagd-Bläserensemble aus dem Kanton Jura.
Weidmanns Heil!
Petra Schläppi-Hauswirth, Gemeindepräsidentin von Saanen, überbrachte die Grüsse der Gemeinde. Die Region könne Wildtieren viel Platz bieten, sagte Hauswirth und fuhr schmunzelnd fort: «Folglich haben wir viele Hirsche, die uns im Winter auch den Lauch aus dem Garten fressen, den Wolf, der übers Land zieht, oder Füchse, die ganz gerne auf Fussbällen ihre Hinterlassenschaft verrichten, oder die Wildsau, die einem gratis das Land umgräbt.» Sie dankte den Jägerinnen und Jägern, «dass Sie Wildhut betreiben, den Bestand im Auge behalten und eliminieren, was es zu eliminieren gibt, sodass Menschen, Landwirtschaft, Tier und Natur nebeneinander existieren können». Mit einem «Weidmanns Heil» schloss sie ihre kurze Grussbotschaft.
Wichtige Werte
«Die Berner Jägerinnen und Jäger vertreten seit Jahrzehnten, seit Jahrhunderten Werte wie Nachhaltigkeit, Verantwortung, Rücksichtnahme auf die Natur und das Wild», betonte Christoph Ammann, SP-Regierungsrat und Vorsteher der Wirtschafts-, Energie- und Umweltdirektion des Kantons Bern. «Das heisst konkret, sie pflegen und erhalten Lebensräume für einheimisches Wild, sie nutzen jagdbare Wildarten nachhaltig, sie achten auf die vielen gesetzlichen Vorschriften auf der Jagd und in erster Linie übernehmen sie Verantwortung für ihr Handeln.» In einer Zeit, die weltweit immer verrückter werde, sei es seiner Ansicht nach generell wichtig, dass man solche Werte in den Vordergrund stelle.
«Auch im vergangenen Jahr war das Thema Wildtiere in meiner Direktion wichtig», so Ammann weiter. Medial Schlagzeilen gemacht habe der Vorschlag der Finanzkommission, die Wölfe zu sterilisieren.Was er konkret über diesen Vorschlag denkt, hielt er zwar zurück. Aber zwischen den Zeilen kam es doch zum Ausdruck: Er wolle sich nicht vorstellen, wie Leute aus seiner Direktion oder Jägerinnen und Jäger, bewaffnet mit Spritzen und mit Taschenlampen nächtelang in den Bergen herumstreiften und versuchten, einen Wolf zu sterilisieren…
Wald-/Wild-Lebensraumstrategie
Aber der grösste politische Druck komme momentan zum Thema Wald/Wild, so Ammann. Seine Direktion arbeite schon länger an diesem Thema, habe aber vom Grossen Rat noch zusätzlich das Signal bekommen, eine Wald-/Wild-Lebensraumstrategie auszuarbeiten. Ihm sei wichtig, dass die Expertinnen und Experten vom Amt für Wald mit dem Jagdinspektorat zusammenarbeiteten – wie sie das auch bisher gemacht hätten. «Denn nur zusammen findet man wirkungsvolle Lösungen.» Lösungen, die sowohl dem Wald, aber auch den Wildtieren gerecht würden. Es gebe auf beiden Seiten Handlungsbedarf. «Wir müssen regulieren, Sie machen das mit Ihrer Leidenschaft mit der Jagd», wandte sich Ammann an die Anwesenden. Aber das Problem lasse sich nicht lösen, indem man auf Biegen und Brechen schiesse. Das sei auch nicht im Sinn der Jägerschaft. «Es braucht auch waldbauliche Massnahmen, ebenso ist bei der Jagdplanung einiges am Tun.»
Ebenfalls seit Langem beschäftige ihn das Thema Wolf. «Wobei es nicht in erster Linie um Sterilisierung gehen kann, sondern um Regulierung und genaues Hinschauen.» Im Berner Oberland und im Kanton Obwalden sei im Winter ein Wolfspaar unterwegs gewesen und sei es immer noch. «Wir schauen mit Interesse hin, ob es allenfalls ein erstes Wolfsrudel gibt. Das suchen wir nicht unbedingt, darum achten wir genau darauf, was passiert.»
Zum Schluss dankte Christoph Ammann den Jägerinnen und Jägern für Ihren Einsatz. «Freiwilligenarbeit ist eine Stütze unserer Gesellschaft, sie leistet einen Beitrag an die Errungenschaften der Zivilgesellschaft in der Schweiz. Bei der Jagd geht es nicht nur ums Schiessen. Danke für das, was Sie jahrein, jahraus leisten. Sie hegen und pflegen und sichern und erhalten damit die Grundlagen für die Jagd und für intakte Lebensräume für die Tiere. Und für die nächste Jagdsaison: Waidmanns Heil!»
«Reguliert wird über die weiblichen Tiere»
ANITA MOSER
Füchse seien im vergangenen Jahr etwas mehr geschossen worden, sagte Nicole Imesch, seit einem Jahr Jagdinspektorin des Kantons Bern. Das sei eine positive Entwicklung, ein Beitrag zur Regulation und zur Seuchenbekämpfung. Bei den anderen Tierarten seien die Abschusszahlen in etwa gleich geblieben im Durchschnitt der letzten Jahre.
Rekord bei der Rotwildjagd
Die Rotwildjagd habe wie im Vorjahr mit einem neuen Rekord abgeschlossen. «Es sind über 1100 Tiere erlegt worden (plus sieben Prozent) und auch die weibliche Strecke (die gesamte auf der Jagd erlegte Jagdbeute innerhalb eines bestimmten Gebietes und Zeitraums) konnte um 13 Prozent erhöht werden auf 622 Tiere.» Viel zu diskutieren gegeben habe die neue Massnahme, dass in der ersten Woche vor der Hirschjagd nur Ansitz (eine Jagdart, bei welcher der Jäger dem Wild an geeigneter Stelle auflauert) erlaubt sei und nur Kahlwild (weibliches Wild zusammen mit den Kälbern bei allen Hirscharten) erlegt werden durfte. «Das Ziel war wirklich, den Kahlwildanteil zu erhöhen. Denn reguliert wird nun mal über die weiblichen Tiere und nicht über die Stiere», betonte Imesch mit Nachdruck. Und trotz dieser Einschränkung sei auch das Stierenkontingent erfüllt worden. Sie mahnte die Jäger, auch die erste Woche zu nutzen. «Es ist auch wichtig, Kahlwild zu erlegen.»
Der Anteil der weiblichen Tiere lag im Berichtsjahr bei 65 Prozent, im Vorjahr waren es 52 Prozent – eine tolle Steigerung, so Imesch. «Es geht sicher in die richtige Richtung. Aber wir sind nicht am Ende der Regulation, sondern immer noch am Anfang. Fakt ist: Das Ziel, die Senkung des Bestandes, haben wir definitiv noch nicht erreicht.»
Gämsböcke werden überjagt
Die Abschlusszahlen der Gämsen liege im Bereich der Vorjahre, so die Jagdinspektorin. 2024 seien 1254 erlegt worden. Abgesehen vom Napf gehe es in vielen Gebieten darum, die Gämsen zu schonen und nicht zu stark zu dezimieren. Ein Thema bei der Gämse sei sicher auch die Zusammensetzung der Jagdstrecke. «Diese zeigt, dass der Anteil an Böcken sehr hoch ist.» Man überjage eigentlich die Böcke, was dazu führe, dass sehr wenige alte Tiere überhaupt im Bestand stünden. «Und wir wissen, acht bis zwölf Jahre ist das beste Alter des Bocks.»
Weniger Rehe geschossen
Rehe seien weniger erlegt worden als in den Jahren zuvor. Es zeichne sich eine generelle Tendenz ab. 2017 seien 6000 Tiere erlegt worden. «Dann ging es stetig abwärts, aktuell sind wir bei 4800 Tieren.» Ob der Grund tatsächlich eine Widerspiegelung der (in einigen Regionen zurückgehenden) Bestandesentwicklung sei, müsste man abklären. Mit ein Grund könne einerseits die Konkurrenz der Tiere untereinander sein und andererseits vielleicht auch der Jagddruck, der sich eher auf den Hirsch verschoben habe. In den meisten Wildräumen habe man das Abschlussziel aber mehr oder weniger erreicht.
Die Wildsau breitet sich aus
2024/25 habe man erstmals über 400 Wildsauen (461) erlegt. Das widerspiegle sicher auch die Bestandesentwicklung. Auch würden die Schäden, ebenfalls im Oberland, wo sich die Wildsau ausbreite, zunehmen.
Eidgenössische Jagdverordnung
«Wir planen, die erste Woche Ansitz auf Kahlwild beizubehalten und wir hoffen, dass noch mehr mitmachen», erklärte die Jagdinspektorin.
Die revidierte eidgenössische Jagdverordnung ist seit 1. Februar 2025 in Kraft. «Es gibt sehr viele Artikel, die uns betreffen», sagte Imesch und pickte die wichtigsten heraus. Schalldämpfer seien erlaubt. In der kantonalen Jagdverordnung oder Direktionsverordnung werde zusätzlich festgehalten, dass Schalldämpfer nur auf der Langwaffe erlaubt seien. Was viel zu diskutieren gegeben habe, insbesondere in der Jagdpresse, sei das Nachtjagdverbot. Aber die Vorgabe vom Bund sei klar: «Es gilt ein Nachtjagdverbot, mit Ausnahme der Passjagd.» Das bedeute, dass es weiterhin erlaubt sei, das Raubwild in der Nacht zu bejagen.
Ein neuer Artikel betreffe die Nachsuchevorschrift: Die Kantone müssten dafür sorgen, eine zeit- und fachgerechte Nachsuche zu machen oder machen zu lassen.
Und zur Wolfsdiskussion sagte die Jagdinspektorin: «Im Kanton Bern gibt es kein Wolfsrudel, somit betreffen uns momentan die ganzen Artikel zur Wolfsregulation nicht.» Zu den Einzelabschüssen von Wölfen gebe es keine Änderungen.
Positives Fazit nach einem Jahr
Bildlich – mit einem Hirschkalb, einer Hirschkuh mit ihrem Kälbchen und einer aufmerksamen Hirschkuh – untermalte Nicole Imesch ihr Fazit nach einem Jahr als Jagdinspektorin des Kantons Bern. Sie fühle sich ein wenig wie das Hirschkälbchen: «Es ist spannend, es ist herausfordernd, und ich habe eine grosse Freude – wie es das Hirschkälbchen zum Ausdruck bringt.» Es sei ihr aber auch bewusst, dass sie definitiv kein Hirschkälbchen mehr sei, sagte sie mit einem Schmunzeln. Dominant und sehr viel präsenter sei das Gefühl der Beschützerrolle (wie die Hirschkuh mit ihrem Kälbchen) «für unsere Wildtiere. Denn der Druck auf unsere Wildtiere ist enorm – mehr, als mir schon vorher bewusst war.» Der Druck einerseits durch immer mehr Freizeitaktivitäten im Lebensraum der Wildtiere, der Druck aber auch mit dem Schädlingsdenken, dass die Tiere stören. «Ich finde es wichtig, dass wir zusammen den Wildtieren auch eine Stimme geben und uns zusammen einsetzen für die Wildtiere im Kanton Bern.» Und sie sehe natürlich die Jägerinnen und Jäger als wichtigste Partner für den Einsatz für die Wildtiere, aber auch für die Beschützerrolle, die sicher wichtig sei.
Und zum dritten Bild mit der aufmerksamen Hirschkuh meinte sie: «Ich will immer auf der Hut sein und nie den Überblick verlieren.»
Sie dankte den Jägerinnen und Jägern, aber auch der Direktion von Regierungsrat Christoph Ammann für die gute Zusammenarbeit. «Ich habe viel gelernt von euch im letzten Jahr und ich hoffe, dass die Zusammenarbeit so weitergehen wird. Mir ist wichtig, dass wir offen sind, dass wir miteinander diskutieren können.» So eine Diskussion könne auch heftig sein. Aber ihr sei wichtig, «dass wir zusammen versuchen, Lösungen zu finden und zusammen einzustehen für die Wildtiere und zusammen auch unseren Auftrag der Regulation erfüllen.»
PERSONELLE ÄNDERUNGEN IM JAGDINSPEKTORAT
Wie Jagdinspektorin Nicole Imesch informierte, wird der Gstaader Wildhüter Rolf Zumbrunnen Ende Juni pensioniert. Sein Nachfolger wird Frédéric Blum, er werde am 1. Mai anfangen, sodass es noch eine Überlappungszeit gebe, während der die Übergabe stattfinde, so Imesch.
MOA
«Die Luchspopulation ist wirklich eine unserer grossen Sorgen»
ANITA MOSER
Lorenz Hess, wann waren Sie zum letzten Mal auf der Jagd?
Im Februar. Und es war ganz unspektakulär. Ein Bauer hat mich informiert, dass bei ihm schon länger ein Fuchs mit schwerem Räudenbefall, also Fuchsräude, herumstreune. Ich habe den Fuchs erlegt – eigentlich zum Vorteil von Fuchs und Bauer. Denn kranke Füchse haben keine Hemmung, in Häuser oder Ställe einzudringen, wenn sich eine Gelegenheit ergibt.
Was bedeutet Ihnen die Jagd persönlich?
Für mich beinhaltet sie ganz viele Dinge, die mir sowieso wichtig sind. Ich bin schon als Schulbub zu spät nach Hause gekommen, weil ich Tiere beobachtet und mich auf dem Schulweg vergessen hatte. Wir hatten zu Hause auch immer Hunde, sie faszinieren mich seit jeher. Ich arbeite mit den Hunden, bin auch Nachsuchenführer (Anm. d. Red: Die Nachsuche ist die Suche des Jägers nach angeschossenem Wild). Ich habe früher viele Bergtouren gemacht. Wenn ich auf der Hochjagd bin, kann ich beides verbinden. Mich interessiert die Technik, aber auch die Ausrüstung, um im Gelände zu sein. Und letztlich bin ich, weil wir ja in Gruppen jagen, auch mit einer guten Jagdgruppe von vier Kollegen unterwegs.
Haben Sie schon mal im Saanenland gejagt?
Im Kanton Bern gilt das Patentsystem und deshalb darf man im ganzen Kanton jagen. Als Unterländer muss man für die Gämsjagd in die Berge. Umgekehrt kommen die Jäger von hier zu uns ins Unterland, weil es in den Bergen weniger Rehe gibt. Das klappt normalerweise gut und so kommt man an viele verschiedene Orte. Aber im Saanenland war ich noch nie auf der Jagd.
Wie steht der Berner Jägerverband aktuell da? Gibt es besondere Herausforderungen oder Probleme?
Nein. Wir sind der Dachverband von 29 örtlichen Jagdvereinen, vom Saanenland bis Courtelary im Berner Jura. Wir sind in erster Linie verantwortlich für die Ausbildung, die einen grossen Aufwand in den verschiedenen Sparten bedeutet. Wir organisieren auch das Jagdhundewesen. Und wir sind tatsächlich auf gutem Kurs, haben auch das Glück, dass die Jagd im Kanton Bern einen recht grossen Rückhalt in der Bevölkerung hat. Und darum haben wir aktuell keine grösseren Probleme – das darf man ja auch mal sagen.
Wie steht es um die Wildbestände in der Schweiz, im Kanton Bern und speziell im Saanenland? Gibt es Arten, die besonders geschützt oder reguliert werden müssen?
Am auffälligsten ist über die letzten Jahre die stetige Zunahme des Rothirsches. Nicht nur hier im Oberland, sondern auch im Mittelland und im Jura. Das ist ein neues Phänomen, das auch Probleme bietet. Vonseiten des Waldbesitzerverbandes und Forst würde man natürlich den Hirsch gerne noch viel mehr dezimieren. Das ist aber relativ schwierig und eine der Herausforderungen. Der Bestand der Gämsen hingegen ist unter Druck, nicht zuletzt auch wegen der klimatischen Veränderungen, aber auch aufgrund des Freizeitdrucks in den Bergen mit den Gleitschirmen usw. Der Rehbestand ist plus/ minus immer etwa gleich. Auch eher im Vormarsch im Kanton Bern ist die Wildsau. Die Jagd ist im Prinzip so organisiert, dass der Bestand der Tiere in etwa gleich bleiben soll.
Sie sind für «Die Mitte» im Nationalrat. Inwiefern setzen Sie sich im Nationalrat für jagdpolitische Anliegen ein?
Ich bin Präsident der parlamentarischen Gruppe «Jagd und Biodiversität» in der die jagenden Parlamentarier Einsitz haben. Wir sind zwar nur etwa sechs oder sieben, aber wir stehen in engem Kontakt mit Jagd Schweiz, der schweizerischen Organisation, und da können wir uns schon dort, wo es nötig ist, einbringen. Wie beispielsweise aktuell bei der Revision der Eidgenössischen Jagdverordnung.
Die Herbstsession dauert vom 8. bis 26. September 2025. Fällt sie in die Jagdsaison? Falls ja, können Sie sich konzentrieren in Bundesbern?
(schmunzelt) Es ist die Höchststrafe für einen Jäger, wenn er im September dort sein muss. Für mich, für den die Gämsjagd immer die Lieblingsjagd war, sind die Möglichkeiten stark eingeschränkt. Aber ich werde auch nicht ewig im Nationalrat bleiben und dann bekomme ich den September wieder zurück… (lacht)
Hatten Sie je einen Interessenkonflikt zwischen Ihrer politischen Arbeit im Bundeshaus und den Interessen der Jägerschaft?
Nein. Es werden natürlich auch Jagdfragen im Parlament kontrovers diskutiert und dort ist halt klar, welche Position man einnimmt. Ich denke, es ist auch die Erwartung der Jägerinnen und Jäger, dass wir jagenden Parlamentarier uns für deren Anliegen einsetzen. Aber zu Konflikten führt das nie.
Der Umgang mit dem Wolf polarisiert. Im Saanenland kommt es immer wieder zu Sichtungen. Welche Lösungen schlagen Sie für Regionen wie das Saanenland vor, in denen Landwirtschaft, Tourismus und Jagd aufeinandertreffen?
Ich bin der Meinung, dass die Anpassungen im eidgenössischen Jagdgesetz, die in den letzten zwei Jahren stattgefunden haben, gut sind.
Welche Anpassungen konkret?
Zum Beispiel kann man früher in den Wolfsbestand eingreifen. Zuvor war die Anzahl der Risse, die einem Wolf zugeschrieben wurden, massgebend, um einzugreifen. In den meisten Fällen geschieht dies durch die Wildhut. Aber jetzt kann man auch bei Tieren mit Gefährdungspotenzial oder mit einem gefährlichen Verhalten usw. eingreifen. Einfach gesagt: Der absolute Schutz, den der Wolf als eidgenössisch geschütztes Tier hatte, wurde gelockert. Das ist im eidgenössischen Jagdgesetz festgehalten. Und ich glaube, das war nötig. Das betrifft zwar weniger uns Jäger, sondern natürlich die Nutztierhalter, gerade auf den Alpen. Beim Wolf geht es aber primär um Nutztiere und etwas weniger um das Wild. Aber das Wild würde es natürlich auch zu spüren bekommen, wenn plötzlich – was wir jetzt noch nicht haben – ein Wolfsrudel im Kanton Bern unterwegs ist.
Vertritt der Verband in Bezug auf den Umgang mit Raubtieren eine Position?
(schmunzelt) Wenn sich hie und da mal ein Bär – unser Wappentier – hierher verirrt, ist das nicht so tragisch. Aber was uns wirklich seit Jahren Sorgen bereitet, ist die Ausbreitung des Luchses. Mit grossen finanziellen Mitteln hat man ihn in der Schweiz angesiedelt. Das ist grundsätzlich nicht mehr rückgängig zu machen, muss man ja auch nicht. Aber wir haben aktuell – namentlich auch in diesem Gebiet und im Berner Oberland generell – zum Teil mehr als das Doppelte an Luchsbeständen als das, was ursprünglich angestrebt wurde. Und das hat einen massiven Einfluss auf die Gäms- und Rehpopulation. Ein ausgewachsener Luchs verzehrt im Schnitt pro Woche ein Beutetier, also rund 50 pro Jahr. Wenn ein Berner Jäger auf die Gämsjagd geht, schiesst er vielleicht zwei.
Welche weiteren Auswirkungen hat der hohe Luchsbestand?
In gewissen Gebieten auch im Berner Oberland sind die Rehe fast verschwunden. Meiner Meinung nach kann es nicht der Sinn sein, dass man mit einer Wiederansiedlung eines Tieres bestehende einheimische Arten verdrängt. Das bedeutet für mich auch nicht Biodiversität. Das Projekt ist meiner Ansicht nach aus dem Ruder gelaufen. Ich habe deshalb im Parlament einen Vorstoss eingereicht, der verlangt, dass die Luchssituation kritisch angeschaut wird. Die Luchspopulation ist wirklich eine unserer grossen Sorgen und notabene geht es dabei nicht nur um die Jäger. Es gibt Orte, wo früher Touristen – und wir sind hier im Tourismusgebiet – von der Restaurantterrasse aus mit dem Fernglas Rehe und Gämsen beobachten konnten. Dass eine künstlich angesiedelte Art bestehende verdrängt, finden wir nicht gut.
Jagdgegner und -gegnerinnen sagen, die Tierbestände würden sich ohne Jagd selber regulieren. Was entgegnen Sie ihnen?
Das ist vielleicht noch in ganz, ganz wenigen Gebieten auf der Welt möglich, die nicht besiedelt und nicht von Strassen und Eisenbahnen verschnittene grosse Gelände sind. Dort können diese Tiere in ganzen Rudeln ausweichen aus einem Gebiet, wo Wölfe und andere Raubtiere leben. Vielleicht verschieben sie sich irgendwo hin, über Jahre. Wenn ein grosser Lebensraum von den Wölfen «leer gefressen» ist, dauert es, bis die Population wieder nachwächst. Folglich verlassen die Wölfe dann das Gebiet. Aber bei uns in der überbesiedelten, verschnittenen und übernutzten Landschaft funktioniert das so nicht mehr. Der Kanton Genf hat die Jagd abgeschafft und beschäftigt seither staatliche Jäger, welche Tiere erlegen. Da sieht man, wo die Abschaffung der Jagd hinführen würde.
Warum werden im Kanton Bern Füchse gejagt? Die IG Wild – eine gemeinnützige Tierrechtsorganisation – sagt, dass mit der Jagd auf Füchse die Fuchs-Familiengemeinschaften zerstört würden und infolgedessen nahezu alle Füchsinnen paarungsbereit seien. Damit steige die Zahl der Welpen stark an, anstatt dass sich die Zahl der Füchse reduziere. Was sagen Sie dazu?
Also diese Theorie würde kein einziger Wildbiologe je bestätigen. Die Fuchsjagd ist zeitlich klar geregelt und hört auf, sobald es erste Jungfüchse geben kann. Und die Jagd ist danach erst wieder offen, wenn die Jungfüchse erwachsen sind. Der Fuchs hat sich stark ausgebreitet und ist heute viel in den Städten und in den Siedlungen anzutreffen. Die Jagd hilft auch gegen die Ausbreitung der Fuchsräude, ebenso ist der Fuchsbandwurm ein Thema. Auch gilt festzuhalten, dass mit der Jagd der Fuchsbestand nie gefährdet wurde. Meiner Meinung nach ist gegen die Fuchsjagd also absolut nichts einzuwenden. Und von der Theorie, dass es wegen der Jagd mehr Junge geben soll, habe ich noch nie gehört.
Eine letzte Frage: Gibt es ein Alkoholverbot für Jäger oder ist das ein Thema?
Ja, es wird in verschiedenen Kantonen diskutiert, und zwar ganz unterschiedlich. Für mich ist es ganz einfach: Mindestens neun von zehn Jägern sind mit dem Auto unterwegs und da gelten 0,5 Promille. Also muss ich es mir schon von dem her überlegen, weil ich ja nach der Jagd noch mit dem Auto nach Hause fahren möchte. Ich weiss, es gibt immer wieder übertriebene Geschichten über Alkohol und Jagd. Aber wenn ein halbwegs vernünftiger Jäger auf die Jagd geht, dann möchte er doch am Nachmittag noch treffsicher sein. Ich gebe zu, dass es vielleicht früher, wie in anderen Bereichen der Gesellschaft, noch etwas anders war. Aber wenn ich heute die jungen Jägerinnen und Jäger anschaue, sind darunter viele, die freiwillig gar nichts trinken. Vielleicht am Abend, wenn sie nicht mehr fahren müssen.