Jan Kneubühler setzt auf «Eis»
04.11.2022 SportWas für eine Freude, dass Jan Kneubühler, Eishockeyspieler aus Gstaad, zum Aufgebot der U16-Nationalmannschaft für die Länderspiele in Tschechien in der kommenden Woche gehört. Und welch ein Glück, dass wir vom «Anzeiger von Saanen» ihn vor der Abreise noch «erwischt» haben.
JENNY STERCHI
Jan Kneubühler aus Gstaad ist 15 Jahre alt, geht ans Gymnasium und spielt Eishockey. Klingt erstmal nicht aussergewöhnlich. Jan Kneubühler besucht das Sportgymnasium in Bern, lebt seit knapp drei Jahren bei einer Gastfamilie in der Stadt Bern, spielt beim SC Bern im U17-Elit-Team Eishockey und erhielt letzte Woche das Aufgebot von Swiss Ice Hockey, mit der U16-Nationalmannschaft ein Turnier in Tschechien zu bestreiten. Und spätestens hier wird deutlich, dass Jans Alltag alles andere als gewöhnlich ist.
Von Auswahl zu Auswahl
«Mit diesem Aufgebot habe ich ein ganz schön grosses Ziel erreicht», sagt Jan Kneubühler am Telefon und man muss ihn nicht sehen, um zu merken, wie sehr ihn diese Entscheidung freut und motiviert.
Die Möglichkeit, an einem Turnier für die Schweizer Junioren Nationalmannschaft auf dem Eis zu stehen, eröffnet sich einem Spieler nicht von einem Tag auf den anderen. In den verschiedenen Alterskategorien U13, U14 und U15 spielte Jan in den vergangenen Jahren immer wieder in Auswahlteams, empfahl sich jeweils durch gute technische und spielerische Fähigkeiten auf dem Eis sowie starke Konditionstests in Magglingen. Immer grösser wurde das Auswahlgebiet. Am Anfang fügten sich die Kantonsbesten in ein Team, anschliessend galt es, sich für eines der sechs schweizerischen Regionalteams zu qualifizieren. Und am Ende wurden von den verbleibenden 120 Nachwuchsspielern 45 junge Sportler für das U16-Nati-Camp in Davos eingeladen – unter ihnen auch Jan Kneubühler.
Für das Drei-Nationen-Turnier im tschechischen Prˇibram vom 9. bis 12 November wurden schliesslich die talentiertesten 22 Nachwuchsspieler des Jahrgangs 2007 ausgewählt. In einem E-Mail vom Manager des Nationalteams Anfang letzter Woche las Jan: «Wir freuen uns, dir mitzuteilen, dass du vom Nationalmannschaftstrainer aufgeboten bist für Prˇibram».
Die Entscheidungen, auf Eishockey statt Skifahren zu setzen, mit 13 Jahren daheim auszuziehen, von Montag bis Freitag im Training und an den Matches und Turnieren am Wochenende alles zu geben, waren offensichtlich richtig.
Den «Ärmel drinnen»
Jan stand mit dreieinhalb Jahren zum ersten Mal auf Schlittschuhen. «Mit den Eltern waren wir auf dem Eis, chli ga Schlöfle», erinnert sich Jan. Er fand es faszinierend, übers Eis zu gleiten, aber vom Skifahren sei er ebenso begeistert gewesen. Mit knapp vier Jahren besuchte er zum ersten Mal die Hockeyschule. Deren damaliger Trainer Res Hofstettler hatte ihn und Jans Eltern darauf aufmerksam gemacht. Auch im Skiclub fand Jan seinen Platz und er blieb bis zur fünften Klasse mit beiden Sportarten eng verbunden. «Beides gleich stark voranzutreiben ging nicht, also wurde Eishockey zu meiner ersten Wahl.»
Nach der Hockeyschule folgten lehrreiche Jahre beim HC Gstaad-Saanenland. Mit zwölf Jahren absolvierte er auf Einladung die Probetrainings beim renommierten SC Bern und überzeugte. Er wurde ins Kader des Teams U13 Elit aufgenommen. Ab dann pendelte er zweimal in der Woche nach Bern ins Training. Dank der guten Zusammenarbeit mit dem HC Gstaad-Saanenland durfte er zwei weitere Trainings in Gstaad besuchen. Das Gepäck ist bei dieser materialintensiven Sportart nicht eben klein. Zum Glück chauffierte ihn vorwiegend seine Mutter und er musste nur selten mit Sack und Pack in den Zug. Damals engagierte er sich in zwei Teams. Er stand für die U13 Elit in Bern auf dem Eis und war gleichzeitig Teil des U15-Teams des HC Gstaad-Saanenland.
Mit 13 ausgeflogen
Zu Beginn der siebten Klasse verliess Jan das Saanenland. Gerade 13 Jahre alt, startete er im Schulkreis Länggasse-Felsenau: «Es wurde viel einfacher, Schule und Training in Bern zu koordinieren, zumal die Schule Länggasse seit Jahren mit dem SCB und anderen Vereinen zusammenarbeitet und so weiss, wie Unterricht und Sport kombiniert werden können.» Gleichzeitig hatte er in einer Gastfamilie im Berner Quartier Weissenstein Quartier bezogen. «Ich war sehr behütet bei meinen Gasteltern und bin es nach wie vor», sagt Jan, hörbar zufrieden. Und spätestens an dieser Stelle fragen sich die jungen Leserinnen und Leser ebenso wie diejenigen, die sich noch sehr gut an ihre Jugend erinnern: Ist es nicht furchtbar, in diesem Alter das gesamte Umfeld, die Familie und den Freundeskreis zurückzulassen, um an einem neuen Ort mit allem neu beginnen zu müssen? Jans Antwort ist ebenso überraschend wie klar: «Eishockey war und ist genau das, was ich machen wollte und immer noch möchte, mehr denn je. Ich möchte jede Chance, die sich mir dafür bietet, nutzen. Und ganz allein war ich ja auch nicht. Neben meinen Gasteltern hatte ich bereits im Training in Bern Teamkollegen, die zu Freunden wurden, da man ja viel Zeit miteinander verbringt und irgendwie auch die gleichen Ziele hat. Und so weit ist Gstaad ja dann doch nicht entfernt.»
Vorwärts
Heute ist er im ersten Jahr am Sportgymnasium Neufeld in Bern. «So habe ich neben der Schule genügend Platz fürs Eishockey.» Den braucht er auch, denn auf diesem Niveau kommen zum Techniktraining auch Einheiten für Konditions- und Krafttraining. Gibt es auch mentale Trainingselemente für die Athleten – gerade im Eishockey, wo der Druck und die Emotionen in einem Match so konzentriert und offensichtlich sind? «Ja, in den einzelnen Einheiten ist bereits mentales Training integriert und ich halte das auch für sehr wichtig.»
Gefragt nach allfälligem Verletzungspech, erklärt Jan: «In der vorletzten Saison hatte ich das Kreuzband angerissen. Zum Glück musste es nicht operiert werden. Begleitet von durchstrukturierter Physiotherapie konnte ich nach drei Monaten mein Knie wieder so belasten, wie ich es gewohnt war.» Heute spürt er von dieser Verletzung nichts mehr. Ob er jemals Zweifel hatte? «Nein, nie.»
Das Gespräch wurde per Telefon geführt, denn für einen Ausflug ins Saanenland bleibt im Moment keine Zeit. Wie schön wäre ein persönliches Interview mit dem überaus motivierten Jan Kneubühler gewesen? Einem Eishockeyspieler, dem die Disziplin, die von ihm verlangt wird, Freude zu bereiten scheint. Der sich der Bedeutung dieses Aufgebots bewusst ist und der die ersten Früchte seiner Arbeit, seiner Anstrengungen, vielleicht auch seines Verzichts, als Teil eines Nationalteams in einem internationalen Turnier in den nächsten Tagen ernten kann. Doch all das transportierte er auch übers Telefon.