Forty:love für die Jodlerinnen, Jodler und das Quartett «Waschächt»
13.05.2024 KulturDer zweite Sonntag im Mai gehört den Müttern – dieses Jahr aber ausnahmsweise auch dem Jodlerklub Lauenen, der sein 30-Jahr-Jubiläum mit der Organisation des traditionellen Jodlertreffens Obersimmental-Saanenland krönte. So trafen sich am Sonntag das ...
Der zweite Sonntag im Mai gehört den Müttern – dieses Jahr aber ausnahmsweise auch dem Jodlerklub Lauenen, der sein 30-Jahr-Jubiläum mit der Organisation des traditionellen Jodlertreffens Obersimmental-Saanenland krönte. So trafen sich am Sonntag das Kinderchörli Saanenland, die Jungjodlergruppe Obersimmental, acht weitere Jodlerklubs und das Quartett «Waschächt» in der Tennishalle in Gstaad. Die Jodlerinnen, Jodler und Musiker spielten jedoch weder Vorhand noch Rückhand. Stattdessen entlockten sie ihren Stimmbändern und Musikinstrumenten wohlklingende Töne – ein 40:0-Vorteil für sie.
Eugen Dornbierer-Hauswirth
Eine Minute nach 6 Uhr begrüsste die Sonne das Saanenland. Ab 8 Uhr strömten auffallend viele Menschen der Tennishalle zu. Obwohl für manche die Nacht wegen des Eurovision Song Contests wohl eher kurz gewesen war, wollte man sich einen guten Sitzplatz sichern. Mit dieser Absicht lag man goldrichtig, denn, als um Punkt 10 Uhr Güx Reuteler vom organisierenden Jodlerklub Lauenen das Jodlerkonzert eröffnete, war die Halle voll belegt. Die Zuhörerschaft wurde mit einem vielseitigen Angebot verwöhnt. Acht Jodlerformationen und zwei Jungjodlerchöre aus dem Saanenland und dem Obersimmental begeisterten mit ihren Vorträgen. Für Abwechslung und die Möglichkeit, ein Tänzchen zu drehen, sorgte das «chäch und fräch» auftretende Quartett «Waschächt» aus Appenzell.
Jodlerklub Lauenen, Leitung Ueli Perreten. FOTOS: EUGEN DORNBIERER-HAUSWIRTH
Jodelgesang und «Jützi» von grosser Klasse
Unter der Leitung des Dirigenten Ueli Perreten wurden die Zuhörer:innen vom Jodlerklub Lauenen auf eine Schifffahrt auf dem Thunersee eingeladen. «Chum doch eis am Sunntigmorge hie zu mir a Thunersee…» ist ein Jodellied aus der Feder des legendären Komponisten Adolf Stähli, der notabene in Oberhofen am Thunersee lebte. Weil das Schaukeln auf dem welligen See von kurzer Dauer war, erbarmten sich die Lauener und entschädigten die Schiffspassagiere mit dem wunderschönen Naturjodel «Lena’s Aigäglanz» von Urs Aufdermauer.
Stolz betraten nun die Jodler aus St. Stephan, 14 aus dem Tenor- und elf aus dem Bassregister, die volkstümlich dekorierte Bühne. Ueli Moor, Komponist, Dirigent und Jodler aus Leidenschaft, führte seine Mannen melodiesicher durch sein von ihm komponiertes Jodellied «Früehlig i de Bärge». Obwohl die St. Stephaner 244 Meter tiefer als die Lauener leben, beherrschen sie auch die hohen Töne, was im Jutz «Der Wehmüetig» glasklar zum Ausdruck kam. Auch diesen Jutz, der tief berührt, komponierte Ueli Moor. Einer seiner Jodler liess verlauten: «Syni Harmonie u Liedtexte chöme geng töif usem Härz.»
Die Frauen und Männer des Jodlerklubs «Gruss vom Wasserngrat» wissen, dass sie immer eine gute Wirkung auf das Publikum haben. Die drei Jodlerinnen präsentierten sich in ihren schönsten Trachten und die von der Sonne gebräunten Gesichter der Jodler waren von besonderem Glanz. Sie erfreuten das erwartungsvolle Publikum mit den Titeln «z Bärg» von Max Huggler und Simon Heftis Eigengewächs «Dürrischdeljutz».
Die Grenzen des Saanenlandes sind erfreulicherweise weit gesteckt. Schön, dass dadurch auch der Jodlerklub Rinderberg Oeschseite von «ennet de Möser» mit von der Partie war. Chorleiter Bernhard Kohli verstand es, die beiden einstudierten Vorträge «Liechtli am Wäg» von Paul Schreiber und «de Waldfluehjutz» von Walter Sigenthaler in der akustisch akzeptablen Tennishalle bemerkenswert ertönen zu lassen.
Als Barbara Kohli, die Leiterin des Kinderchörli Saanenland, ihre Kinder ordentlich «büschelet» hatte, wünschte Speaker Güx Reuteler den «kleinen Leuten» viel Glück. Mit Ueli Moors «Bärgwanderig» legten die Kleinen ihre Schüchternheit definitiv ab und erfreuten das Publikum mit ihrem sanft vorgetragenen Jodellied. Der zweite Beitrag erinnerte an den Rhythmus des Herzschlages, hiess doch das Stück «ds Härzchlopfe» von einem unbekannten Komponisten, der, so wird vermutet, vor lauter Herzklopfen in die Hosen…
Als die in traditionellen Trachten gekleideten Damen der Jodlergruppe «Echo vom Flösch» die Bühne betraten, erinnerte sich der Speaker an den Muttertag und dankte im Namen aller anwesenden Männer den stets frohgelaunten und «bienen-emsig arbeitenden» Müttern. Unter der Leitung von Silvia Zbären legten die «Flöscherinnen» los und zwar mit dem filmreifen Titel «Die letzte Rose» von Theres Aeberhard-Häusler. Danach brillierte der Chor mit Simon Heftis «Am Wasserfall beni halt gäre, wos toset a der Felsewand».
Der Auftritt des Jodlerklubs «Bärgrose» Zweisimmen darf, ohne die Meriten der anderen Formationen zu schmälern, als das Sahnehäubchen auf der Torte bezeichnet werden. Zum einen waren sie mit dem Titel «Wie doch die Zeit vergeht» im Einklang mit dem Publikum und zum anderen boten sie mit dem Jutz «dr Gruebeälpler» von Fredy Wallimann eine besondere Köstlichkeit. Der erste Bass hat den Zusatz «und Buurestimme». Die Dirigentin Erika Reichenbach verwies auf Klaus Rubin und erklärte: «Gewisse Bassläufe oder Melodiebögen in der ‹Burestimme› bereichern die Musik. Letztere dürfen aber nur im Sinne von Gegenbewegungen zur Melodieführung liegen. Weiter ist auf eine abwechslungsreiche Rhythmik zu schauen. Die ruhigen tragenden Teile müssen sanft und ohne Atemlöcher unterstützt werden. Die lebhafteren Teile probiert man mit gezielten, einheitlichen Vokalen, mit so genannten Chorschlägen, ganz ‹lüpfig› zu gestalten.»
Der gute Ruf des Jodlerklubs Gsteig eilt ihm voraus. Die einheimischen und auswärtigen Jodelliebhaber:innen erwarten mehr als bloss 08/15. Chorleiter Urs Kohli wusste um diese Vorschusslorbeeren und brauchte seine Mannen kaum zu motivieren, die
«Früehligsglogge» von Hans Schweingruber dem Frühling gebührend vorzutragen. Ein musikalischer Leckerbissen war der überzeugend vorgetragene «Jubiläumsjutz» von Jakob Wiedmer.
«Mi schöni Heimat» von Adolf Stähli und der «Bärgbluemejutz» von Toni Tschanz waren die Beiträge des Jodlerklubs Lenk. Orlinda Würsten-Perreten dirigierte ihre Jodler zu einem beachtlichen Erfolg, wurden doch beide Lieder engagiert, frisch, ausdrucksstark und erlebt vorgetragen.
Die Jungjodlergruppe Obersimmental gewährte dem Publikum Einblick in die Nachwuchsförderung. In den Reihen der Jungjodlergruppe standen mehrere Jahrgänge. Barbara Moor-Allenbach gelingt es offensichtlich, die Mädchen und Knaben von Stufe zu Stufe mitzunehmen. In den Jodelliedern «Es Liedli sälb zwöit» von Adolf Stähli und «Wie baas (schön) isch mir da obe» von Oskar Friederich Schmalz war ausgezeichnete Probenarbeit hörbar. Der grosse Applaus erfreute die Jugendlichen sichtbar.
Das Jodlertreffen wurde ergänzt mit dem Quartett «Waschächt». Die Musiker Daniel Fässler, Michi Jud, Carlo Gwerder und Frowin Neff sind extrem lebenslustige Zeitgenossen und wahre Tausendsassas an ihren Instrumenten. Sie spielen Ländlermelodien und zugehörige Tanzformen wie Schottisch, Marsch, Walzer, Polka, Mazurka, Foxtrott und den sehr seltenen Tango im Ländlerstil, Ländler-Tango benannt. Frowin Neff, übrigens der Bruder «unseres» Tierarztes Felix Neff, wurde durch seine Auftritte in der Sendung «Potzmusig» in einer breiten Öffentlichkeit bekannt.
Frowin Neff im Interview
«Naturjodel kann man nicht erlernen»
Eugen Dornbierer-Hauswirth
Zum wievielten Mal sind Sie im Saanenland?
Rechnet man die Lenk im Simmental dazu, würde ich zum dritten oder vierten Mal sagen.
Gefällt Ihnen der Oberländer Jodel?
Der Naturjodel ist auch hier, wie bei uns im Appenzell, eng verbunden mit der einheimischen Bevölkerung. Ich habe grosse Freude am Berner Naturjutz. Im Vergleich mit dem Appenzeller Naturjutz ist er vielleicht etwas tragender, vielleicht teilweise auch ein wenig langsamer. Der Berner Naturjodel ist oft geschrieben, was beim Appenzeller Naturjodel nicht der Fall ist. Bei uns ist dieser traditionell arrangiert. Aber die hiesige Jodelqualität überzeugt. Die Vorträge waren ein toller Start in einen wunderschönen Sonntag.
Sie sind ein musikalisches Multitalent. Welches ist Ihr Lieblingsinstrument?
Die Handorgel. Im Alter von neun Jahren begann ich mit dem Schwyzerörgeli und seit dem 14. Altersjahr spiele ich auf dem Akkordeon.
Spielten Sie auch mit den «Alderbuebe»?
Nein, aber wir kennen uns. Wir spielen nicht Appenzeller sondern Innerschweizer Ländlermusik.
Ursprünglich sind Sie Bäcker-Konditor. Welche Patisserie lieben Sie besonders?
(Lacht) Schwarzwäldertorte.
Neuerdings kann man an der Hochschule in Luzern Jodel und Ländlermusik studieren. Können Sie sich vorstellen, dereinst auch ein Dr. Jodel zu sein?
Nein, absolut ganz sicher nicht. Die Entwicklung an und für sich ist bestimmt nicht verwerflich. Weniger sinnvoll dagegen finde ich, dass man mit Biegen und Brechen den Naturjodel erlernen soll. Mit dem Naturjodel muss man aufwachsen, man kann es oder man kann es nicht. Naturjodel kann man nicht erlernen. Auch bin ich der Meinung, dass man ja auch nicht alles erlernen können muss.
Was halten Sie vom Eurovision Song Contest? Nemo gewann für die Schweiz. Konkurrenziert dieser Event die Jodlerszene, die Nachwuchsförderung?
Anfänglich war mir nicht klar, was für eine Gestalt ich im Fernsehen sah. Das vorgetragene Lied und die Performanz fand ich absolut genial. Musikalisch war es – wie man heute sagt – «mega geil». Persönlich glaube ich nicht, dass mit diesem Event das Kulturgut Jodel und Ländlermusik in irgendeiner Art und Weise beeinflusst wird.