Jubiläum: 130 Jahre Viehzucht

  29.04.2022 Gstaad

130 Jahre Viehzucht und nach wie vor voll motiviert

Am vergangenen Samstag war es so weit, der älteste Viehzuchtverein im Saanenland durfte sein 130-jähriges Bestehen feiern. Mit viel Liebe und Sorgfalt organisierte ein vierköpfiges Team unter der Leitung von Edi Rubin im Dorf Saanen seine Jubiläumsschau. Nebst den 127 Kühen, die an der Punktierung teilnahmen, präsentierten die engagierten Züchter/innen drei grosse Stiere, sechzehn Rinder und sieben geschmückte Kälbchen.

VRENI MÜLLENER
Nicht immer kann man die Feste feiern, wie sie fallen. So unterbrach ein tragischer Unfall im Jahr 2016 die Vorarbeiten, um die geplante 125-Jahr-Feier durchzuführen. Dass der Verein nun kurz vor der 130-Jahr-Feier von seinem Präsidenten Klaus Burri Abschied nehmen musste, zeigt, wie nah beisammen Freud und Leid sein können. Allem Schweren zum Trotz entschieden sich die aktiven Vereinsmitglieder, den Anlass durchzuführen. Wie auch auf vielen Bauernbetrieben das ganze Jahr gearbeitet wird, so wurde dieses Jubiläumsfest zu einem Mehrgenerationenanlass: Grosseltern, Eltern, Kinder, Enkelkinder und viele Freunde der Viehzucht waren aktiv und erfüllten pflichtbewusst die ihnen zugetragene Aufgabe. Schmücken des Punktierplatzes, Einrichten des mit Strohballen gesäumten Ringes, Vorbereitung der Verpflegung für mehrere hundert Personen, alles gehörte dazu. Dabei durften die Pflege und Vorbereitung der Hauptakteure – der aufgeführten Tiere – nicht vernachlässigt werden. Der grosse Einsatz der Vereinsmitglieder wurde mit viel Wetterglück und einem grossen Publikum reich belohnt.

Publikumsmagnet: Ring mit Strohbett
Nach der Mittagspause ging es im Ring los. Es war köstlich zu sehen, wie viele kleine Kinder es sich nicht nehmen liessen, mit einem Kälbchen in der Strohballenarena zu spazieren und sich irgendwie an einem Kälberseil festzuhalten. Dass dabei Eltern, Gotte oder Götti behilflich sein mussten, ist mehr als entschuldigt, bestätigen doch diese Kleinen, dass der Bauernstand in unserem Land Zukunft hat.

Gemeinsam einen gut ausgewiesenen Stier zu halten, und dadurch die Zucht zu verbessern, war ein wichtiges Ziel der Gründungsmitglieder 1892. Heute hiessen die drei Simmentaler Stiere, die präsentiert wurden, Beat, Prinz und Marvin. Dabei wird auf den Körperbau, die Bemuskelung und auf saubere Bewegungsabläufe geachtet. Diese Kriterien geben Aufschluss über die Nähe zum Zuchtziel. Es standen verschiedene gut ausgewiesene Nachkommen von Genossenschaftsstieren auf dem Platz.

Glocke für die höchste Lebensleistung
Bei einem Jubiläum stiftet swissherdbook eine Glocke für die Kuh mit der höchsten Lebensleistung. Diese Ehre wurde der elfeinhalbjährigen Gallone aus dem Stall von Christian Bütschi zuteil. In neun Laktationen gab die Simmentalerkuh 63361 kg Milch. Nun waren die Jungzüchter an der Reihe. Die Rinder waren ihrem Alter entsprechend in drei Kategorien eingeteilt und wurden von den Jungzüchtern/innen oder ihren Vertretern vorgeführt und von der Expertenkommission rangiert.

Weiter ging es mit dem Vorführen im Ring, dem zweiten und interessanten Teil einer Punktierung. Da wurden die wertvollsten Kühe fertig beurteilt und angeschrieben. Anhand des Kommentars eines Viehschauexperten konnten die Zuschauer mitverfolgen, nach welchen Kriterien eine Kuh welche Punkte bekam – oder auch nicht. Auch das weniger sachverständige Publikum schätzt dabei, dass die Vorzüge der Besten so hervorgehoben werden, ohne dass die weiter hinten Rangierten kritisiert werden.

Hammertiere und elegante Schönheiten
Wie bei einer Jubiläumsschau üblich, stieg die Spannung bei den Misswahlen. Aus sechs «Hammergusti» galt es eine Miss zu bestimmen. Mit der Frage ans Publikum: «Welches Rind springt euch geradezu an?» kürte David Mani die schon bald schaugewöhnte Pia von Björn Burri zur Rindermiss Saanen. Auf den zweiten Platz schaffte es Blueme von Martin Trachsel. Beide sind vielversprechende Vertreterinnen der Rasse Simmental. Alle «Ecken» (Erstplatzierte) der Kuhkategorien plus einige zusätzlich ausgewählte Kühe traten zur Misswahl an. Rolf Dummermuth bezeichnete alle als abnormal schöne Tiere. Zu Missen könne er zwei wunderbare Kühe machen, besonders die Miss Saanen, Nina von Hansueli Burri, überzeuge ihn durch ihren Auftritt mit ihrer perfekten Bewegung, einer ausgeprägten Schulterpartie, gekrönt mit dem eleganten Kopf.

Als junge, vielversprechende Kuh mit Zukunft bezeichnete er Bernina von Martin Trachsel, die Vizemiss wurde. Peter Salvisberg gab dem applaudierenden Publikum die Schöneutergewinnerinnen bekannt. Es seien zwei Kühe mit extrem qualitätigen Eutern, sie bestechen durch die Euterbodenhöhe, einem starken Zentralband und geringem Eutervolumen. Es waren die Holsteinkühe von Rémy und Sonja Turrian, die sich die Schöneuterpreise holten: Die viereinhalbjährige Nina und die junge Kl.-1-Kuh Licorne.

Mit verschiedenen Grussworten wurde gratuliert und viel Freude und Erfolg für die Zukunft gewünscht. «Einmal mehr sieht man, was es ausmacht: Solange ehrenamtliche Arbeit geleistet wird, solange funktionieren Vereine, und Anlässe – wie diese wunderbare Jubiläumsschau – können realisiert werden», lobte der Präsident des Berner Bauernverbandes, Hans Jörg Rüegsegger, die umtriebigen Züchter aus Schönried und Saanen.

Die Missen
Miss Saanen: Lars Nina (SI) Kl.4, 44 44 94, Hansueli Burri
Vizemiss: Cresto Bernina (SI) Kl.1, 44 34 89, Martin Trachsel
Miss Schöneuter: Gold Chip Nina (HO) Kl.4, 44 44 93 und Vizemiss Schöneuter: Bankroll Licorne (HO) Kl.43 44 89 Rémy und Sonja Turrian
Rindermiss: Xandi Pia (SI), Björn Burri
Vizerindermiss: Farao Blueme (SI), Martin Trachsel
Höchste Lebensleistung: Pius Galone, Christian Bütschi

Weitere Fotos unter https://tinyurl.com/42xftbkx

Video: https://tinyurl. com/4crrf6f8


INTERESSANTES AUS DER GESCHICHTE

Die VZG Saanen hat ihre Wurzeln in der Gemeinnützigen Gesellschaft des Saanenlandes. Der Vortrag des damaligen Tierarztes Albert Würsten aus dem Ebnit gipfelte im Schlusssatz: «Ohne Genossenschaft kein Geld und ohne Geld zu wenig rechte Zucht, weil dies dem Kleinbauern nicht möglich ist». In der Diskussion über diesen Vortrag hiess es im Protokoll: «Sämtliche Redner sind Gegner des Genossenschaftswesens. Durch solche Genossenschaften würden nach aller Ansicht die Kleinbauern in unseren Gegenden erdrückt, statt dass ihnen geholfen wird.» Die Zeit zur Gründung einer Viehzuchtgenossenschaft war damals im Saanenland noch nicht reif.
– Am 18. Juli 1892 fand die VZG Saanen mit dem Eintrag ins Handelsregister Saanen ihre rechtliche Anerkennung
– 1894 war in «Anzeiger»-Auszügen zu lesen, wie die Viehschau damals organisiert wurde und was für gute Resultate die Saanengenossenschaft erzielte. In den vordersten Rängen waren nur Männer in Amt und Würde anzutreffen. Ob vielleicht schon damals der Begriff der sogenannten «Rockpunktierung» geprägt wurde? Diese Unsitte bestand darin, dass nicht das Tier selbst, sondern das Ansehen, d.h. der «Rock» (Kittel) des Eigentümers beurteilt wurde. Die Genossenschaft bestand damals aus 57 Mitgliedern, verteilt auf den ganzen Amtsbezirk. Im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts wurden nach und nach weitere Viehzuchtgenossenschaften gegründet.
– 1964 war zu lesen: Stier Franz wurde in Thun für stolze Fr. 9000.– gekauft. Zur Deckung dieser Kosten musste jedes Mitglied Fr. 50.– bezahlen plus Fr. 6.– pro Zuchtbuchtier.
– 1968 fand die1. Saanenlandviehschau (Amtschau) statt. Hauptinitianten und Organisatoren waren Max und Samuel Würsten. Max bekleidete von 1956 bis 1965 das Amt des Zuchtbuchführers, sein Bruder Samuel wurde 1965 kantonaler Schauexperte.
Für die Zukunft wünschen sich die Züchter, dass es immer wieder Bauern gibt, die sich mit Freude der Tierzucht widmen, und dass die Tradition der Viehschauen weitergeführt werden kann.

VRENI MÜLLENER

Quelle: Jubiläumsschriften 1992 und 2022

 


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