Junge Musiker – spannendes, lebendiges Erlebnis
13.08.2024 KulturEs war wieder einmal so weit: Die Nachwuchsdirigenten der Conducting Academy des Gstaad Menuhin Festivals durften in einem ersten Konzert in der Kirche Saanen zeigen, was in ihnen steckt. Dies mit einem anspruchsvollen Programm von Mozart bis in die Gegenwart.
ÇETIN ...
Es war wieder einmal so weit: Die Nachwuchsdirigenten der Conducting Academy des Gstaad Menuhin Festivals durften in einem ersten Konzert in der Kirche Saanen zeigen, was in ihnen steckt. Dies mit einem anspruchsvollen Programm von Mozart bis in die Gegenwart.
ÇETIN KÖKSAL
Auftakt in den abwechslungsreichen Konzertabend war die Ouvertüre zu Mozarts «Le nozze di Figaro». Bereits da konnten die Zuhörenden die wiederum bemerkenswerte Qualität des ad-hoc-Klangkörpers Gstaad Festival Orchestra vernehmen. Dieses Mal in Kammerorchester-Formation spielten sie lebendig, wach und sensibel, was bei dieser speziellen Konzertform eine unausweichliche Voraussetzung ist. Die zehn jungen Dirigent:innen leiteten das Orchester nämlich für jeweils einen Satz, damit jede:r einmal auftreten konnte. Zehn junge Musikerpersönlichkeiten, die natürlich zum Teil deutlich unterschiedliche Vorstellungen von den Werken hatten und demzufolge auch ganz andere Dinge vom Orchester verlangten. Da müssen die Stimmführer wie auch ihre Tutti-Musiker sehr aufmerksam, flexibel und agil während der gesamten Konzertdauer sein. In der zweiten Ouvertüre und den Ausschnitten aus der Oper «Lodoïska» von Cherubini bewiesen sie diese Fähigkeiten jedenfalls erneut klar.
Modernes und Unbekannteres
Fazil Say zählt bekannterweise zu den etablierten zeitgenössischen Komponisten. Bis jetzt schrieb er viele Werke für Orchester, zwei Oratorien, Film- und Kammermusik, Lieder und natürlich so einiges für Klavier – «sein» Instrument. Unter den Instrumentalwerken befinden sich aber auch Gitarrenkonzerte, ein Geigenoder ein Klarinettenkonzert. Das Trompetenkonzert, das Lucienne Renaudin Vary mit dem Gstaad Festival Chamber Orchestra aufführte, schrieb Say 2010. Ein für die Solistin und das Orchester anspruchsvolles Stück, geprägt durch Rhythmen und kleine, unerwartete Klangüberraschungen. Die drei jungen Nachwuchsdirigenten hatten – jeder in «seinem» Satz – im wahrsten Sinne alle Hände voll zu tun, damit es mit dem Zusammenspiel funktionierte. Die am Festival bereits öfter aufgetretene Trompeterin Lucienne Renaudin meisterte ihren Part gewohnt überzeugend. Ihre fühlbare Spielfreude und ihre erfrischende Art, das Publikum zu erreichen, führte in Zusammenarbeit mit dem ebenfalls in vielerlei Hinsicht jungen Orchester zu einem belebenden Hörerlebnis.
Etienne Nicolas Méhul war ein französischer Komponist des 18. Jahrhunderts, der unter anderem fast 40 Bühnenwerke kreierte, von welchen sich auch Beethoven nachweislich inspirieren liess. In der Kirche Saanen bekam das Publikum die Ouvertüre zur Oper «Joseph» zu hören, welche – nebenbei bemerkt – ein Höhepunkt des Konzertabends war. Der junge Dirigent entschied sich für eine subtil delikate Interpretation mit der Ausarbeitung von vielen schönen Details.
Beethoven zum Schluss
Die vier Sätze der zweiten Sinfonie von Beethoven boten dem neugierigen Zuhörer die einmalige Chance, ein solches Orchesterwerk durch die Augen, den Verstand und das Herz von vier unterschiedlichen Dirigenten zu erfahren. Und welche prägnanten Unterschiede da zu hören, sehen und fühlen waren! Der erste Satz war schnell, mächtig, temperamentvoll und kraftvoll. Der zweite sehr fein, harmonisch, ausgewogen mit fantastischen Bläsersoli und stimmigen Spannungsbögen. Beim dritten Satz fragte sich eventuell der eine oder andere, was genau der junge Dirigent wollte, zumal es etwas an Präzision mangelte. Der vierte Satz war wiederum sehr gewaltig, sehr laut und überschäumend. Die Dirigentin feuerte das Orchester zu einer Leistung an, welche keine leisen Töne – im direkten und übertragenen Sinne – zuliess. Insgesamt ein sehr interessantes Erlebnis, das bereits die Frage in den Raum stellte, wer von den zehn Nachwuchsdirigent:innen wohl den diesjährigen Neeme Järvi Prize gewinnen könnte. Nun, nächsten Mittwoch werden wir es wissen.