Dolmenjagd in Pfupfwil
20.02.2025 InterviewUnser Kollege Kerem Maurer trägt als Journalist nun schon seit gut zehn Jahren – davon fünf im Redaktionsteam – tatkräftig dazu bei, dass der «Anzeiger von Saanen» immer mit den neusten News versorgt wird. Was keiner wusste: Im Journalisten Maurer ...
Unser Kollege Kerem Maurer trägt als Journalist nun schon seit gut zehn Jahren – davon fünf im Redaktionsteam – tatkräftig dazu bei, dass der «Anzeiger von Saanen» immer mit den neusten News versorgt wird. Was keiner wusste: Im Journalisten Maurer steckt auch ein Autor, der nun mit seinem literarischen Erstlingswerk «Dolmenfieber» alle überrascht hat – einschliesslich seiner Kolleginnen und Kollegen.
SONJA WOLF
Kerem, du hast gerade dein erstes literarisches Werk herausgebracht. Seit wann führst du schon dein Doppelleben als Journalist und Buchautor?
(Lacht) Seit 2017. Damals schrieb ich als freier Journalist für vier verschiedene Zeitungen – darunter auch schon für den «Anzeiger von Saanen» – und fing gleichzeitig an, an meinem Buch «Dolmenfieber» zu schreiben.
Wie bist du auf die Idee gekommen, einen Roman zu schreiben?
Auf einer Reise in die Bretagne habe ich am Strassenrand immer wieder Dolmen gesehen. Vorchristliche Traditionen, heidnische Rituale und Bräuche haben mich schon immer fasziniert. Ein Dolmen wurde dann auch zu einem zentralen Element der Geschichte. Denn die Protagonisten sind von der Idee besessen, in ihrer Region einen Dolmen zu finden und ihn touristisch zu vermarkten.
Die Geschichte spielt aber nicht in der Bretagne?
Nein, ich habe die Geschichte in meiner Schweizer Heimat, im Voralpenland, angesiedelt. Dort, wo ich aufgewachsen bin und die Menschen und die Strukturen kenne. Ausserdem beobachte und hinterfrage ich als Lokaljournalist das ländliche Leben in bäuerlich geprägten Gemeinden. Und wage zu behaupten: Ich habe eine gewisse Ahnung, wie es läuft! Und das wollte ich in meinem Roman auf humorvolle und unterhaltsame Weise darstellen.
Das bedeutet, der Ort Pfupfwil, in dem deine Geschichte angesiedelt ist, existiert nicht wirklich.
Genau. Es ist ein fiktives Dorf, das stellvertretend für viele Dörfer im Voralpenland steht. Die ländliche Lebensweise und die Strukturen, die man dort findet, habe ich liebevoll parodiert, aber ohne mich über die Menschen zu erheben. Ich spiele mit der Koexistenz von Einheimischen und Zugezogenen, von Tourismus und Landwirtschaft und mit der Angst der Einheimischen vor allem, was fremd ist. Ich denke, das ist etwas, was man in vielen Dörfern im Voralpenland findet. Ich habe auch politische Unkorrektheiten eingebaut, die ich meinen Figuren in den Mund lege – und einige typisch schweizerische «Kraftausdrücke». Es gibt also auch für Leser aus Deutschland oder aus anderen Ländern keinen Zweifel daran, dass Pfupfwil in der Schweiz liegt.
Der Untertitel des Buches heisst «Ein Pfupfwil Voralpen(k)roman». Warum hast du dieses neue Genre «Kroman» kreiert?
Ich lese sehr gerne Krimis und habe grossen Respekt vor berühmten Krimiautoren wie Stieg Larsson, Dan Brown, Ken Follet oder Stephen King. Nun wollte ich mir nicht einfach anmassen, mich neben diese illustre Reihe zu stellen und genauso Krimiautor zu nennen. Zudem hatte ich von Anfang an nicht im Sinn, einen reinen Krimi zu schreiben. Natürlich kommen auch Tote und ein ermittelnder Polizeioberleutnant in der Geschichte vor. Aber es geht nicht nur um die Aufklärung eines Verbrechens, sondern auch um die Gesellschaft und das Leben in Pfupfwil. Also habe ich mich entschieden, die Elemente eines Romans mit denen eines Krimis zu mischen und eine Hybridform zu schaffen, die sich nicht in eine herkömmliche Schublade stecken lässt.
Wie hast du neben deiner Arbeit als Journalist die Zeit und Musse gefunden, diese humorvolle Gesellschaftssatire mit über 800 Seiten zu Papier zu bringen?
Du darfst dir das nicht wie eine feste regelmässige Arbeit vorstellen, an der ich täglich Stunden gesessen bin. Ich habe immer dann geschrieben, wenn ich Freude daran hatte und die Ideen einfach so flossen. Das war vor allem nachts der Fall, wenn alles ruhig war ... ich bin eine Nachteule! So konnte ich teilweise bis zum Morgengrauen schreiben. Es gab aber auch Phasen, in denen ich das Buch ruhen liess, manchmal sogar für ein halbes Jahr.
Fiel es dir schwer, die Charaktere der Dorfbewohner zu entwerfen?
Nein, gar nicht. Das Problem war vielmehr, dass meine Figuren im Eifer des Schreibprozesses manchmal zu viel Eigendynamik entwickelten und sich anders verhielten, als ich es als Autor geplant hatte. Das war für mich eine neue Erfahrung, da ich bisher nur journalistisch oder im Sachbuchbereich tätig war.
Was für Sachbücher?
Ich habe mit meiner Partnerin Anna bereits zwei Reiseführer über die Ostsee und die Nordsee veröffentlicht, die natürlich faktenbasiert sind und kein dynamisches Eigenleben entwickelten.
Gibt es schon ein erstes Echo auf dein Werk?
Ja. Tatsächlich sind die ersten Rückmeldungen sehr positiv. Das freut mich, da ich in erster Linie schliesslich meinen eigenen Humor verarbeitet habe und froh und erleichtert bin, dass dieser gut ankommt. Ich habe sogar gehört, dass sich meine Leser eine Fortsetzung wünschen. Denn nachdem die Leser die Pfupfwiler so gut kennenlernt haben, möchten sie natürlich wissen, wie es mit ihnen weitergeht.
Und tust du ihnen den Gefallen? Wird es eine Fortsetzung des Kromans geben?
Ich bin tatsächlich schon dran... Habe die ersten knapp 100 Seiten von Teil zwei schon geschrieben.
Oh, was für ein Elan! Viel Glück auch damit!
«Dolmenfieber. Ein Pfupfwil Voralpen(k)roman» ist bei epubli erschienen und kann als E-Book, Kindle oder Hardcoverbuch bestellt werden. Weitere Infos: ksm-fotografie.ch/htm/buecher/ dolmenfieber
WORUM GEHTS IM BUCH?
In Pfupfwil, wo Intrigen und Erpressung alltäglich sind, will der zugezogene Caspar Canetti als Kurdirektor den Einheimischen zeigen, welche Kuh die größte Glocke trägt. Doch als im Chrottenwald eine Leiche gefunden wird, brechen im kleinen Voralpendorf düstere Zeiten an. Ein keltisches Ganggrab wird zum blutigen Schauplatz einer jagdgöttlichen Rache, während skrupellose Geschäftemacherinnen Pfupfwils touristisches Flaggschiff zugrunde richten – doch in dieser Voralpenrepublik sollte man sich keine Feinde machen. Polizeioberleutnant Thierry Bühlmann versucht, Licht in die düsteren Geheimnisse des schattigen Waldes zu bringen. Doch als es auf einer Waldlichtung während eines Volksfestes zu einem blutigen Gefecht kommt, scheinen seine Bemühungen vergeblich gewesen zu sein.
PD
ÜBER DEN AUTOR
Kerem S. Maurer ist 1969 geboren und in Glarus aufgewachsen. Als Teenager zog es ihn nach Zürich, wo er eine Bäcker-Konditorlehre absolvierte, bevor er in Bern die Matura machte. Bei seinen verschiedenen Tätigkeiten lernte er, die Menschen zu beobachten und versuchte, sie zu verstehen. Als Dokumentarfotograf und Reisejournalist machte er mit seiner Lebenspartnerin das Reisen zum Beruf und publizierte mit ihr zusammen zwei Reisebücher, bevor es das Paar aus den Städten zurück in die Berge zog. Dort beobachtet, dokumentiert und hinterfragt Maurer seit 2013 als Regional- und Lokaljournalist für verschiedene Redaktionen das ländliche Leben bäuerlich geprägter Gemeinden. In seinem ersten Roman «Dolmenfieber» parodiert er liebevoll die komplexen Dynamiken strukturschwacher Bergregionen, wo Einfallsreichtum, Eigeninitiative und Durchsetzungskraft für das Fortbestehen einer gewissen politischen Eigenständigkeit unabdingbar sind.
PD/ SWO