«Die Schweizer Gletscher sind nicht mehr zu retten» – dies ist die ziemlich ernüchternde Aussage von Matthias Huss, einem der bekanntesten Schweizer Glaziologen. Wie sieht die Situation nun auf dem Glacier 3000 aus? Ist der Tsanfleuron-Gletscher stark vom ...
«Die Schweizer Gletscher sind nicht mehr zu retten» – dies ist die ziemlich ernüchternde Aussage von Matthias Huss, einem der bekanntesten Schweizer Glaziologen. Wie sieht die Situation nun auf dem Glacier 3000 aus? Ist der Tsanfleuron-Gletscher stark vom Klimawandel und dem Gletscherschwund betroffen? Und welches sind die Auswirkungen auf den Tourismus und für das Seilbahnunternehmen? Gibt es Lösungen für diese unausweichlichen Veränderungen? Wir haben mit Geschäftsführer Bernhard Tschannen über das Thema gesprochen.
MARTIN GURTNER-DUPERREX
«Die Klimaerwärmung ist der Grund, warum heute die Luftseilbahn geschlossen bleibt», sagte im Februar vor einem Jahr Bernhard Tschannen, CEO Glacier 3000, zur Begrüssung in seinem Büro auf dem Col du Pillon. Es war an jenem Tag zu warm, bis zu drei Grad Celsius auf 3000 Metern. Die Folge: Die Kabel waren wegen der feuchten Luft und des Windes vereist. Die zentimeterdicke Eisschicht musste zeitaufwendig mit einem Spezialgerät abgelöst werden. Früher sei dies in der oberen Sektion praktisch nie vorgekommen, in den letzten Wintern immer häufiger, so Tschannen.
«Wir beobachten von Jahr zu Jahr, wie der Gletscher sich verändert», führte Bernhard Tschannen aus. Insbesondere an den Rändern, wo das Eis durch die Erwärmung des dunklen Gesteins besonders schnell schmelze – zwischen fünf bis sechs Metern pro Jahr. Dies hat zur Folge, dass die Übergangsbereiche zwischen Felsen und Gletscher mit Schnee aufgefüllt werden müssen. Besonders kritische Stellen werden im Sommer mit einem Gletschervlies (Snow Farming) abgedeckt. «Zum Glück haben wir bei der Bergstation kein Problem mit dem schwindenden Permafrost, da der Fels hier stabil ist. Auf der Piste von der Bergstation zum Gletscher beispielsweise haben wir in dieser Hinsicht aber mit grossen Herausforderungen zu kämpfen.»
Ein weiteres Phänomen, das Bernhard Tschannen beschäftigt, sind die Niederschläge, die trotz oder gerade wegen der Erwärmung als grosse Schneemengen auf einmal auftreten können. Die nachfolgenden Wärmeeinbrüche tragen zu einem ungünstigen Aufbau der Schneedecke bei, was zu Lawinengefahr führt. Die Lage werde daher täglich durch Spezialisten kontrolliert und die durch steile Seitenhänge exponierten Pisten, zum Beispiel im Oldensattel, müssten mit viel Aufwand gesichert oder geschlossen werden. Zudem begleiten immer öfters starke Winde den Schneefall, was wiederum zu erhöhtem Lawinenrisiko und zu starken Schneeverwehungen führt. «Diese Verwehungen müssen wann mithilfe von Pistenbullys ausgestossen werden, je nach Stelle manchmal bis zu fünf Meter tief», so der CEO.
Glacier 3000 hat vor 16 Jahren beschlossen, seine Betriebsstrategie – unter anderem wegen der klimatischen Veränderungen – anzupassen. Stark gefördert wurde der Ganzjahrestourismus mit dem Peak Walk by Tissot und Alpine Coaster. Mit Erfolg, denn vor der Pandemie waren 70 Prozent der Besuchenden Nichtskifahrer. Aufgrund der Schneesicherheit wird gleichzeitig in neue, vom Gletscher unabhängige Skipisten investiert, wie den Red Run oder die Black Wall durch den 260 Meter langen Tunnel zum Col du Pillon. Ein Ausbau der Beschneiungsanlagen ist für schneeärmere Winter, aber auch zur Energiegewinnung ebenfalls in Planung. Als Ergänzung zur Destination Gstaad punktet Glacier 3000 mit langen, anspruchsvollen Pisten und Schneesicherheit, zudem zu Beginn und am Ende der Saison, wenn in tieferen Regionen kein Schnee liegt, mit einer Langlaufloipe auf dem Gletscher – wenigstens so lange es ihn noch gibt
STRATEGIE VON GLACIER 3000 IM HINBLICK AUF DIE KLIMAVERÄNDERUNG
Ganzjahrestourismus
(inzwischen 70% der Besuchenden)
– BergerlebnisTourismus zu Fuss/Glacier Walk
– Peak Walk by Tissot
– Alpine Coaster
– Snow Bus
– Schlittenhunde
Schneesicheres Skigebiet
– Eröffnung neuer, vom Gletscher unabhängiger Pisten:
• Red Run (8 km seit 2017)
• Black Wall von der Cabane zum Col du Pillon (5 km, 1500 Höhenmeter, eröffnet im Winter 2022/23) – Künstliche Beschneiung:
• Oldenpiste auf 5 km (in Betrieb)
• Red Run und Martisberg (mittelfristig in Planung)