Beinahe ein ganzes Jahr ist es her, genauer gesagt am 24. Februar 2022, da begann die Invasion russischer Truppen in die Ukraine. Seither ist eigentlich fast nichts mehr wie vorher und wir leben in Kriegszeiten.

Am 8. Mai 1945 ging der Zweite Weltkrieg zu Ende. Aber es herrschte nun nicht einfach Frieden in ganz Europa.

Dem Weltkrieg folgten Kämpfe, Kleinkriege und Feldzüge. Hier eine unvollständige Auswahl: 2008 gab es einen fünftägigen Krieg zwischen Russland und Georgien. Zu Beginn der Neunzigerjahre spaltete sich die von christlichen Armeniern besiedelte Region vom muslimisch geprägten Aserbeidschan ab. 2020 finden neuerliche Kämpfe um Bergkarabach statt und Russland vermittelt ein Waffenstillstandsabkommen. Nach dem Zerfall von Jugoslawien kommt es in Bosnien und Kroatien zu einer Serie von Kriegen. Serbien versucht, sich mehrheitlich serbisch besiedelte Gebiete in anderen Teilrepubliken einzuverleiben. In Bosnien und Kroatien kommt es zu ethnisch motivierten Vertreibungen. Um Massaker in der vor allem von Albanern bewohnten serbischen Provinz Kosovo zu beenden, beschliesst die Nato 1999 Luftangriffe, an denen sich auch Deutschland beteiligt. Es war der erste Kampfeinsatz deutscher Soldaten seit 1945.

Und nun – im Ukrainekrieg – soll es wieder Deutschland richten. Seit Wochen wird von unserem Nachbarland mit Nachdruck verlangt, sich in diesem Krieg auf der Seite der Ukrainer mit der Lieferung von Leopard-2-Panzern zu engagieren. Und seit Wochen verging kein Tag, ohne dass Schweizer Medien darüber berichten, leider gebe es über den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz wieder nichts mehr zu berichten, als dass er sich weigere, der Ukraine versprochene Panzer auch zu liefern. Die Kommunikation der deutschen Regierung sei katastrophal. Dabei sei die Lieferung der von den Ukrainern dringendst benötigten deutschen Kampfpanzer Leopard überfällig. In der Koalitionsregierung knisterte es. Die Aussenministerin Annalena Baerbock sagt anlässlich ihres kürzlichen Besuchs in Paris auf dem französischen Sender TF1: «Im Moment ist das nicht der Fall, aber wenn wir gefragt würden, würden wir nicht im Weg stehen.» Dabei ging es um den Export von Leopard-Panzern von Drittstaaten in die Ukraine. Nun hat Bundeskanzler Scholz – fast überraschend und nach langem Zögern – am 24. Januar grünes Licht für die Lieferung von deutschen Kampfpanzern in die Ukraine gegeben. Auch die US-Regierung will – nach einem unbestätigten Bericht des «Wall Street Journals» – der Ukraine Abrams-Kampfpanzer zur Verfügung stellen.

Olaf Scholz schien – mindestens zu Beginn des Krieges – einen guten Draht zu Wladimir Putin gehabt zu haben. Ob das jetzt noch der Fall ist, weiss man nicht. Denn es gibt nicht nur die Frage nach mehr Waffen für die Ukraine. Sondern Russlands Präsident Putin hat mehrmals mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht. Eine frühe Warnung, die heute von dem einen oder anderen deutschen Experten in Talkrunden auch schon als lächerliches Gerede bezeichnet wurde. Und doch: Diese Drohung muss man todernst nehmen.

Bischof Friedrich Kramer, der Friedensbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, sagte im letzten Sommer schon in einem Beitrag unter dem Titel «Mehr Waffen, mehr Tod»: «Dieser Krieg darf sich nicht ausbreiten … In Deutschland, das zwei Mal einen Weltkrieg angefangen hat, müssen wir über Fragen des Krieges anders nachdenken und diskutieren, als das andere Länder tun …Die flehentliche Bitte um Waffenlieferungen und Waffenschenkungen kann ich angesichts der technischen Unterlegenheit der Ukraine mehr als verstehen, halte aber Waffenlieferungen durch Deutschland weiterhin für falsch. Der Behauptung, dass durch Waffenlieferungen Kriegsverbrechen und das Sterben von Zivilisten verhindert werden, steht die Gewissheit gegenüber, dass mehr Waffen mehr Gewalt und mehr Tote bedeuten.»

Damit bleibt uns nur die Hoffnung, dieser Krieg möge trotzdem sobald als möglich sein Ende finden.

OSWALD SIGG JOURNALIST, EHEMALIGER BUNDESRATSSPRECHER oswaldsigg144@gmail.com

Quellen: www.dpa.de, www.zdf.de, www.zeitzeichen.net, «NZZ».

Krieg in der Ukraine

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