«Krieg und Frieden»
28.07.2023 KircheIst in der Bibel, im Alten Testament, vom Frieden, von «Schalom», die Rede, meint das mehr als nur die zeitweilige Abwesenheit von Krieg. Schon dass der Begriff in semitischen und arabischen Sprachen bis heute ein geläufiger Gruss ist, zeigt, dass mehr an Bedeutung in ihm steckt. ...
Ist in der Bibel, im Alten Testament, vom Frieden, von «Schalom», die Rede, meint das mehr als nur die zeitweilige Abwesenheit von Krieg. Schon dass der Begriff in semitischen und arabischen Sprachen bis heute ein geläufiger Gruss ist, zeigt, dass mehr an Bedeutung in ihm steckt. «Schalom» bedeutet nicht nur Freiheit von Unheil, sondern auch Wohlergehen, Sicherheit, Gesundheit und Ruhe. Frieden wird nicht als Zustand ohne Krieg angesehen, sondern als eine Art Prozess, an dem die zusammenlebenden Menschen und auch Gott beteiligt sind, um ihn zu erhalten.
Das anbrechende Gottesreich
Jesus knüpfte an diese Vorstellungen an. Im Mittelpunkt seiner Überlegungen stand nicht die Politik, sondern der einzelne Mensch, der sich in Gewissheit um das anbrechende Gottesreich schon jetzt vor Gott verantworten und mit seiner Umwelt versöhnen sollte. «Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, und Tote werden auferweckt, und Armen wird das Evangelium verkündigt» (Matthäus 11, 5) – und wenn all das schon hier auf Erden geschieht, zeigte Jesus seinen Jüngern, dann wird schon hier etwas vom Frieden des Gottesreiches spürbar. «Selig, die Frieden stiften – sie werden Söhne und Töchter Gottes genannt werden» (Matthäus 5, 9), sagte er in der Bergpredigt.
Müssen Christen Pazifisten sein?
Christliche Theologen streiten bis heute darüber, wie denn die radikalen Forderungen Jesu für die gegenwärtige Gesellschaft zu verstehen seien. Müssen Christen Pazifisten sein? Die ersten Christen hätten eindeutig mit «Ja» geantwortet. Sie trugen keine Waffen, zogen nicht in den Krieg und bemühten sich, streng nach Jesu Gebot der Nächsten- und Feindesliebe zu leben. Der Kirchenvater Origenes (185–254) meinte dazu: «Lassen wir uns nicht dazu bewegen, ihm als Soldaten zu dienen, auch nicht, wenn er oder die Not es verlangt. Wir kämpfen für den Kaiser, indem wir durch unsere Gebete ein Heer der Frömmigkeit bilden.»
«Gerechter Krieg»
Das änderte sich jedoch schnell, als der römische Kaiser Konstantin (306–337) die Kirchen offiziell anerkannte. Schon im Jahr 314 wurde auf einer Synode in Arles beschlossen, dass auch Christen Kriegsdienst leisten dürfen. Kirchenvater Augustinus (354–450) hielt Krieg für von Gott erlaubt und sah darin keinen Widerspruch zu einem christlichen Leben. Er stellte Grundsätze für einen «gerechten Krieg» zusammen, wonach unter anderem genau darauf zu achten sei, ob ein triftiger Grund, zum Beispiel die letzte Möglichkeit zur Selbstverteidigung gegeben sei und ob mit legitimen Absichten und nicht nur aus Rache oder Eroberungswille gekämpft werde.
Ein weltliches und ein göttliches Reich
Der Reformator Martin Luther (1483– 1546) führte diese Gedanken mit Hilfe seiner sogenannten Zwei-Reiche-Lehre weiter. Als Angehörige des Reiches Gottes könnten Christen schon hier auf Erden friedfertig nach der Bergpredigt Jesu leben, meinte er. Da ein Christ allerdings zugleich Angehöriger des weltlichen Reiches bleibe, müsse er gegebenenfalls auch zum Schwert greifen, um die gottgegebene Ordnung zu erhalten.
Tyrannenmord
Dietrich Bonhoeffer (1906–1945) wollte sich dem Nazi-Terror in Anlehnung an Mahatma Gandhis Idee des gewaltlosen Widerstandes zunächst gewaltfrei entgegenstellen. Als er jedoch erkannte, dass die Ermordung Hitlers Millionen Leben retten könnte, gab er seine rein pazifistische Haltung auf und beteiligte sich am Attentat auf Hitler. «Es gibt Situationen, in denen man das Gebot ‹Du sollst nicht töten› brechen muss, um es zu erfüllen», meinte er. Er war sich dabei jedoch bewusst, dass man sich durch Gewalt immer schuldig mache. Doch manchmal werde der Untätige erst recht schuldig.
Selig, die Frieden stiften
«Selig, die Frieden stiften!» Frieden stiften, das bedeutet eben mehr, als nur selbst gewaltlos zu leben. Es bedeutet, sich aktiv einsetzen für Menschlichkeit, Gerechtigkeit und den Schutz der Schöpfung als Lebensgrundlage für alle. Nur wenn Christen bewusst und verantwortlich immer wieder unterschiedliche Wege gehen, um dies zu verwirklichen, können sie daran mitwirken.
Auf Gewalt verzichten – Gewalt anwenden
Wer auf Gewalt verzichtet, zeigt auf, wie das Zusammenleben eigentlich funktionieren sollte. Wer eingreift, zur Not auch mit Gewalt, verhindert eventuell noch grösseres Unrecht. Jesu Bergpredigt erinnert Christen aber immer wieder daran, dass Gewalt nie eine dauerhafte Lösung bringen kann. Krieg bleibt immer Unrecht, egal, wie gerechtfertigt seine Motive auch erscheinen mögen. Nicht um den Krieg sollte es den Christen gehen, sondern darum, wie sie sich aktiv am Frieden beteiligen können.
PETER KLOPFENSTEIN
ORIGINALTEXTE AUS DER BIBEL ZUM THEMA GEWALT (ÜBERSETZUNG: BASIS BIBEL)
Der Berg Zion wird am Ende zum Ort des Friedens für die Völker (Der alttestamentliche Prophet in Micha 4, 1–8)
Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg mit dem Haus des Herrn steht felsenfest. Er ist der höchste Berg und überragt alle Hügel. Dann werden die Völker zu ihm strömen. Viele Völker machen sich auf den Weg und sagen: «Auf, lasst uns hinaufziehen zum Berg des Herrn, zum Haus, in dem der Gott Jakobs wohnt! Er soll uns seine Wege weisen. Dann können wir seinen Pfaden folgen.» Denn vom Berg Zion kommt Weisung. Das Wort des Herrn geht von Jerusalem aus.
Er schlichtet Streit zwischen vielen Völkern. Er sorgt für das Recht unter mächtigen Staaten, bis hin in die fernsten Länder. Dann werden sie Pflugscharen schmieden aus den Klingen ihrer Schwerter. Und sie werden Winzermesser herstellen aus den Eisenspitzen ihrer Lanzen. Dann wird es kein einziges Volk mehr geben, das sein Schwert gegen ein anderes richtet. Niemand wird mehr für den Krieg ausgebildet. Jeder wird unter seinem Weinstock sitzen und unter seinem Feigenbaum. Niemand wird ihren Frieden stören. Denn der Herr Zebaot hat es so bestimmt. Noch rufen viele Völker, jedes zu seinem eigenen Gott. Wir aber leben schon heute im Namen des Herrn, unseres Gottes, für immer und alle Zeit.
Liebt eure Feinde! (Jesus in der Bergpredigt, Matthäus 5, 43–48)
«Ihr wisst, dass gesagt worden ist ‹Liebe deinen Nächsten› und hasse deinen Feind! Ich sage euch aber: Liebt eure Feinde! Betet für die, die euch verfolgen! So werdet ihr zu Kindern eures Vaters im Himmel. Denn er lässt seine Sonne aufgehen über bösen und über guten Menschen. Und er lässt es regnen auf gerechte und auf ungerechte Menschen. Denn wenn ihr nur die liebt, die euch auch lieben: Welchen Lohn erwartet ihr da von Gott? Verhalten sich die Zolleinnehmer nicht genauso? Und wenn ihr nur eure Geschwister grüsst: Was tut ihr da Besonderes? Verhalten sich die Heiden nicht genauso? Für euch aber gilt: Seid vollkommen, so wie euer Vater im Himmel vollkommen ist!»
Die Liebe als Grundlage für das Verhalten gegenüber allen Menschen (Der Apostel Paulus in Römer 12, 9–21)
Eure Liebe soll aufrichtig sein. Verabscheut das Böse und haltet am Guten fest. Liebt einander von Herzen als Brüder und Schwestern. Übertrefft euch gegenseitig an Wertschätzung. Lasst nicht nach in eurem Eifer. Lasst euch vom Geist anstecken und dient dem Herrn. Freut euch, dass ihr Hoffnung habt. Bleibt standhaft, wenn ihr leiden müsst. Hört nicht auf zu beten. Helft den Heiligen, wenn sie in Not sind. Seid jederzeit gastfreundlich. Segnet die Menschen, die euch verfolgen. Segnet sie und verflucht sie nicht. (…) Vergeltet Böses nicht mit Bösem. Habt anderen Menschen gegenüber nur Gutes im Sinn. Lebt mit allen Menschen in Frieden – soweit das möglich ist und es an euch liegt. Nehmt nicht selbst Rache, meine Lieben. Überlasst das vielmehr dem gerechten Zorn Gottes. In der Heiligen Schrift steht ja: «‹Die Rache ist meine Sache, ich werde Vergeltung üben›, spricht der Herr.» Im Gegenteil: «Wenn dein Feind Hunger hat, gib ihm zu essen. Wenn er Durst hat, gib ihm zu trinken. Wenn du das tust, häufst du glühende Kohlen auf seinen Kopf.» Lass dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute!