Kühler Kopf und kluges Marketing
03.11.2025 LandwirtschaftDie Käselager sowie die Milchtanks sind voll, doch der Milchabsatz schrumpft. Um den Milchüberschuss – man spricht von rund fünf Prozent – zu drosseln, wird das vorzeitige Schlachten von Milchkühen empfohlen. Ist diese Massnahme wirklich ...
Die Käselager sowie die Milchtanks sind voll, doch der Milchabsatz schrumpft. Um den Milchüberschuss – man spricht von rund fünf Prozent – zu drosseln, wird das vorzeitige Schlachten von Milchkühen empfohlen. Ist diese Massnahme wirklich nötig?
KEREM S. MAURER
Die US-Zölle auf Schweizer Produkte zeigen Wirkung: Käselager und Milchtanks sind voll, und weil weniger Käse und Schokolade exportiert wird, sinkt der Milchabsatz. Doch laut David Perreten, Präsident der Landwirtschaftlichen Vereinigung Saanenland, sind nicht nur Trumps Zolldiktate schuld am momentanen Milchüberschuss. «Die Exportschwierigkeiten beim Gruyère AOP haben schon früher in Europa, und besonders in Deutschland begonnen. Jetzt spitzt sich die Lage einfach zu», sagt er auf Anfrage dieser Zeitung und bestätigt, dass auch die Saaner Milchproduzenten unter Druck geraten. Jeder Milchproduzent sei vom Gesamtmarkt abhängig. Auch wenn seines Wissens niemand aus der Region direkt in die USA exportiere, wirke sich die Lage der Grosskonzerne automatisch auf den Gesamtmarkt aus.
Regionale Produkte unter Druck
«Man versucht gegenwärtig, mit Hilfe von Aktionen grössere Mengen an Gruyère AOP abzusetzen, wodurch der Käsepreis sinkt», erläutert David Perreten. Angesichts dieses Preisdrucks seien der Berner Alp- und Hobelkäse AOP nicht mehr konkurrenzfähig, und: «Wir stellen fest, dass der Absatz besonders im Detailhandel zurückgeht. Wir haben Mühe, unsere Produkte zu verkaufen.» Dieser Entwicklung steht eine Milchproduktion gegenüber, die laut dem Branchenverband der Schweizer Milchproduzenten (SMP) seit Juli – bedingt durch die gute Futterlage – vier bis fünf Prozent monatlich über dem Vorjahr liegt. SMP-Kommunikationsleiterin Christa Brügger relativiert auf Anfrage: «Aufs Jahr hinaus gesehen wird der Überschuss nicht so hoch sein und es ist falsch, von einer ‹Milchschwemme› zu sprechen. Wir arbeiten mit der Natur und sind in diesem Jahr einfach gut versorgt worden.» Für David Perreten sind solche saisonale Schwankungen normal. «Der Grat zwischen knapp und zu viel ist sehr schmal», weiss er.
Vorzeitige Schlachtung sollte gut überlegt sein
Ende 2024 hielten in der Schweiz laut SMP 16’759 Milchbetriebe 502’080 Milchkühe. Diese gaben im Jahr 2024 zusammen 3,34 Milliarden Kilogramm Milch ab. Um den aktuellen Milchüberschuss aufzufangen und einen Sinkflug des Milchpreises zu verhindern, sollen laut der NZZ 25’000 Milchkühe mehr als die 85’000 Tiere, die normalerweise jährlich geschlachtet werden, getötet werden. Auch im Saanenland? David Perreten: «Meines Wissens werden derzeit nicht unbedingt mehr Kühe geschlachtet. Es wurde in diesem Jahr viel gutes Futter für den Winter konserviert, welches man nutzen möchte.» Womöglich werde allerdings eine bereits angeschlagene Kuh früher geschlachtet als vorgesehen, weil der Schlachtviehpreis momentan hoch sei. Laut Perreten ist es jedoch am wirtschaftlichsten, die bestehenden Stallflächen und Futterreserven zu nutzen. «Man sollte sich gut überlegen, ob es Sinn macht, Tiere zu schlachten, die noch gut genutzt werden können. Denn zwei bis drei Jahre nach der Aufzucht steigt die Rentabilität einer Milchkuh mit ihrer Nutzungsdauer.» In Zahlen ausgedrückt bedeutet das laut SMP, dass sich die Milchleistung von 20 bis 25 Litern pro Tag nach der ersten Laktationsperiode auf 25 bis 35 Liter nach dem dritten Kalb steigert.
Regionalität unterstreichen
David Perreten kritisiert, das Thema Milchüberschuss werde derzeit «etwas gar schwarzgemalt». Europaweit seien die Milchviehbestände seit Jahren rückläufig. «Eigentlich gibt es zu wenig Milchkühe», findet er und rät, kühlen Kopf zu bewahren, kluge Marketingmassnahmen umzusetzen und lokale Produkte in den Fokus zu rücken. Eine regionale Wertschöpfungskette von der Produktion über die Verarbeitung bis hin zur Vermarktung würde künftig nicht nur an Bedeutung gewinnen, sondern auch mehr Unabhängigkeit von solchen Milchüberschuss-Eskapaden bieten. Zielführender sei es, die regionalen Produkte attraktiver und im Detailhandel sowie in der Gastronomie sichtbarer zu machen. Und: «Wer im Saanenland ist, isst Saaner Produkte. Dies sollte Hipp und cool sein!»

