Zehn Jahre Züglete: Gstaad feiert Tradition mit Herz
09.09.2025 GstaadZehn Jahre Gstaad Züglete: Zwischen bimmelnden Treicheln und Trachten fasziniert das Jubiläum Besucher aus nah und fern – so viele wie noch nie. Authentizität und Tradition stehen für das OK auch nach zehn Jahren im Mittelpunkt.
PAULA H. ...
Zehn Jahre Gstaad Züglete: Zwischen bimmelnden Treicheln und Trachten fasziniert das Jubiläum Besucher aus nah und fern – so viele wie noch nie. Authentizität und Tradition stehen für das OK auch nach zehn Jahren im Mittelpunkt.
PAULA H. MITTAG
Gstaad hat sich zur Feier der zehnten Gstaad Züglete herausgeputzt. Schon früh am Morgen, um 9.30 Uhr, ertönten unter sonnig klarem Himmel die ersten Treicheln des Treichlerklubs Gsteig. Kurz danach drängten sich Familien aus Nah und Fern aneinander, um die festlich geschmückten Kühe und Ziegen aus dem Saanenland zu sehen. Dieses Jahr waren es sechs Zügleten mit Kühen und eine mit Ziegen (Teilnehmende siehe Kasten). Die kräftigen Klänge der Treicheln wurden von den Stimmen der Sprecher begleitet, die jeweils die nächsten Programmpunkte ankündigten und die kommenden Familien mit ihren Tieren vorstellten. Für musikalische Höhepunkte sorgten verschiedene Jodlerklubs, welche das zahlreich erschienene Publikum mit volkstümlichen Liedern erfreuten. Neben dem bunten Treiben boten zahlreiche Marktstände traditionelle Produkte an – von kunstvoll gefertigten Treicheln, über würzigen Käse, bis hin zu frischer Milch. Der Duft von Heu, Brot und regionalen Spezialitäten lag in der Luft und verlieh der Promenade eine unverwechselbare Stimmung. Die gesamte Promenade war festlich geschmückt und überall hörte man die Treicheln läuten. Ob gross oder klein, viele waren in ihren traditionellen Trachten gekleidet, was das ganze Bild noch farbenfroher machte. Unter den Zuschauern entdeckte man nicht nur Einheimische, sondern auch viele internationale Gäste, die sich von der alpinen Kultur und Gastfreundschaft begeistern liessen.
Der Aufwand um die Stände
Die Gstaad Züglete erfreute sich auch 2025 grosser Beliebtheit, nicht nur bei Besuchern, sondern auch bei Standbetreiber:innen. «Wir haben Kapazität für etwas mehr als 50 Stände», erklärte OK-Mitglied Markus Iseli. Doch die Nachfrage übersteige das Angebot, weshalb einige Anmeldungen abgelehnt werden müssten. Aufgrund der hohen Anzahl an Standbetreiber:innen, die jährlich an der Züglete teilnehmen, sind die Standplätze bereits kurz nach Anmeldungsöffnung im Juni vergeben. Besonders beliebt ist die Züglete nicht nur bei lokalen Standbesitzer:innen, sondern sie zieht auch zahlreiche Standbetreiber:innen aus der ganzen Schweiz an. «Anfragen kommen nebst dem Saanenland vor allem aus dem Simmental und Pays-d’Enhaut. Es gibt aber mittlerweile schweizweit Interessierte», bestätigt Iseli. Trotz des grossen Interesses legt das OK Wert darauf, einheimischen Standbetreibern den Vorrang zu geben. Diese profitieren beispielsweise von vergünstigten Standgebühren. Damit die Sicherheit gewährleistet werden konnte und der Platz für die Zügleten nicht zu eng wurde, wurden die einheitlichen Stände des GST verwendet. «Dass die Marktstände optisch einheitlich daherkommen, ist ein schöner Nebeneffekt», findet Markus Iseli.
Die Züglete im Wandel der Zeit
Die Gstaad Züglete ist zu einem beliebten und anerkannten Dorffest herangewachsen, jedoch war es ein schwieriger, und doch schöner Weg, bis dieses 10-Jahre-Jubiläum gefeiert werden konnte. Die ursprüngliche Idee stammt vom Landwirt und «Vater der Züglete», Johann von Grünigen. «Die Idee war schon lange in meinem Kopf, weil ich hier in Gstaad schon seit 33 Wintern mit den Kutschen und den Pferden unterwegs bin. Und ich habe erlebt, wie sich Gstaad verändert hat. Früher war hier im Zentrum alles einheimisch: Dorflädeli, Bäckereien, Restaurants. Und ich sah, wie alles verschwand.» Die Inspiration für sein Engagement fand von Grünigen in der ehemaligen Promenade-Party. Johann von Grünigen suchte das Gespräch mit der Dorforganisation Gstaad. Daraufhin kam das OK aus Dorforganisation, Gewerbeverein, Hotelierverein und Landwirtschaftlicher Vereinigung zustande und setzte auf neue Werte wie: Liebe zur Authentizität, Echtheit und Tradition. Und so treffen sich heutzutage auf der Promenade wieder Einheimische und Gäste, Landwirte und Geschäftsleute. Heute legt man infolge neuer Regelungen grossen Wert auf das Tierwohl während der Züglete. «Um dieses zu gewährleisten, wurden entlang der Strecke für die Kühe mehrere zusätzliche Brunnen aufgestellt», sagte ein Teilnehmender.
In den ersten Jahren gestaltete sich die Organisation der Züglete jedoch schwierig. Es brauchte Überzeugungsarbeit, dass sich die Familien für ein Datum festlegten, denn dies schränkt die Flexibilität ein und bedeutet möglicherweise, je nach Futterlage und anderen Faktoren , einen grösseren Aufwand. «Ich probierte dann, auf Deutsch gesagt, am Karren zu ziehen. Anfangs musste ich immer wieder die Landwirte anrufen und fragen, ob sie wieder mitmachen wollen.»
BESUCHERREKORD AN DER ZÜGLETE
Erfolgreiches Festzelt
Das erstmals aufgestellte Festzelt spendete tagsüber Schatten und bot am Abend den Rahmen für traditionelle Musik und festliche Stimmung.
Zum fünften Mal Teil der Züglete
Die Familien Bach, Allenbach und von Grünigen, wurden zur Feier ihres Jährlichen Erscheinens mit einer Glocke ausgezeichnet.
Volle Parkplätze und Besucherrekorde
Die Parkplätze waren randvoll mit bis nahezu 400 geparkten Autos. Auch der ÖV war gut ausgelastet.
Schönes Wetter und eine gelungene Züglete
Laut dem OK war es ein würdiges zehntes Jubiläum und die Stimmung der Zuschauer war überwältigend.
Musik Chörli
Sechs Musikformationen wanderten letzten Samstag durch die Promenade und bereicherten die Zuschauer mit volkstümlichen Klängen.
PD/PAM
DIE FAMILIEN DER ZÜGLETE 2025
Alp Mittelberg:
Familie Paul Allenbach, Bissen
Alp Meiel:
Familie Benjamin Mösching, Bissen
Alp Plani:
Familie Matthäus von Grünigen, Gruben
Ziegen-Züglete:
Familien Mathias von Siebenthal und Michael Bütschi, Gruben und Schönried
Alp Obere Mettle:
Familie Johann von Grünigen, Turbach
Alp untere Zwitzeregg:
Familie Ueli Bach, Turbach
Alp Horneggli:
Familien Erhard Kübli und Toni von Siebenthal, Gruben und Turbach
PAM
ESTHER SCHOPFER IM INTERVIEW
«Ich habe bis morgens um 2.30 Uhr gebacken»
Die Landfrau Esther Schopfer kommt aus St. Stephan, um an der Züglete mit ihren Marktfrauen einen Stand zu betreiben. Im Interview erklärt sie, warum sie die Züglete so schön findet und wie viel Aufwand hinter dem Stand steckt.
PAULA H. MITTAG
Esther Schopfer, woher kommen Sie und wer sind die Landfrauen?
Ich komme aus St. Stephan und bin seit 30 Jahren bei den Landfrauen dabei. Wir sind eine Untergruppe und nennen uns Marktfrauen. Wir sind Frauen, die gerne und oft backen. An unserem Stand verkaufen wir viele Produkte aus dem Garten sowie Alpkäse, Backwaren und selbst gemachte Konfitüre. Wir machen das mit viel Liebe und Leidenschaft. Unsere Produkte kommen alle hier aus der Region.
Wie sind Sie zu der Züglete gekommen?
Die Marktfrauen betreiben diesen Stand wesentlich länger, als ich dabei bin. Wir stehen jeden Samstag hier während der Saisons. Es macht uns wirklich grossen Spass.
Was halten Sie davon, dass die Züglete immer mehr Touristen anlockt?
Ich finds schön. Ich finde das eine richtige Schweizer Tradition. Den Alpabzug gibt es ja nicht nur in Gstaad, sondern auch in verschiedenen anderen Orten und Kantonen. Denn ich finde das super schön und vor allem wenn das Wetter noch stimmt, so wie heute, ist es mega.
Gibt es irgendwelche Faktoren die Ihnen Schwierigkeiten bereiten, wie z.B. die Organisation oder das Wetter?
Bei uns gibt es keine Schwierigkeiten, weil wir bei jeder Witterung hier sind. Egal obs regnet, stürmt oder schneit, schliesslich findet die Gstaad Züglete auch bei jedem Wetter statt. Ich habe es noch nie erlebt, dass es keine Zuschauer an der Gstaad Züglete gegeben hätte.
Wie lange dauert die Organisation Ihres Standes?
Heute an der Züglete sind wir von 8 Uhr bis 17 Uhr hier. Dafür haben wir extra mehr gebacken, als an normalen Samstagen. Ich habe bis morgens um 2.30 Uhr gebacken und bin dann um 5.30 Uhr wieder aufgestanden, um alles vorzubereiten.
Wohin geht der Betrag?
Was wir hier mit den Marktfrauen verdienen, ist für uns. Natürlich müssen wir davon auch Verpackungsmaterial kaufen. Aber wenn die Landfrauen als ganze Gesellschaft etwas machen, dann wird der Betrag für einen guten Zweck verwendet. Wir unterstützen damit beispielsweise einheimische Familien.
Was bedeutet die Züglete für Sie persönlich?
Ach, ich finde es einfach schön. Weil ich mit der Landwirtschaft aufgewachsen bin. Ich habe 30 Jahre auf einem Bauernhof mitgearbeitet und für mich bedeutet das sehr viel. Ich finde es immer wieder schön, wie diese Tradition gepflegt wird.
HANSRUEDI BLASER IM INTERVIEW
«Es liegt mir sehr am Herzen»
Der Sattler Hansruedi Blaser kommt aus dem Emmental, um an der Züglete einen Stand zu betreiben. Im Interview erklärt er, warum er den weiten Weg auf sich nimmt und ob sich das rentiert.
PAULA H. MITTAG
Hansruedi Blaser, woher kommen Sie und wieso sind Sie hier?
Ich komme aus Wasen im Emmental und wir fahren insgesamt zwei Stunden hoch, um hier mitzumachen. Adrian Friedli, der Sohn meiner Cousine, die in Saanen wohnt, ist Mitglied im OK der Züglete. Weil sie hier keinen Sattler haben, fragte das OK mich an, ob wir mit unserem Stand nach Saanen kommen wollen und unsere Arbeit zeigen würden.
Was genau ist ein Sattler?
Wir fertigen und reparieren die aus Leder hergestellten Gegenstände wie z.B. Pferdegeschirre, Taschen, Gürtel und viele Treichelriemen, wie die Kühe sie hier an der Züglete tragen.
Was bedeutet die Züglete für Sie?
Bei uns zu Hause, gibt es auch solche Alpabfahrten, es ist etwas sehr Traditionelles, es liegt mir sehr am Herzen. Ich bin in der Landwirtschaft aufgewachsen und kenne das von Kindsbeinen an. Wenn man den Bezug zu den Hirten hat, weiss man, dass es für sie einer der wichtigsten Tage im Jahr ist.
Gibt es Faktoren, die Ihnen Schwierigkeiten bereiten, wie z.B. die Organisation oder das Wetter?
Die Organisation ist sehr gut hier. Das Wetter ist natürlich wichtig für diesen Anlass und unseren Umsatz. Der Aufwand ist doch recht gross, wenn wir mit drei Personen fahren.
Haben Sie auch internationale Kunden?
Wir haben hier auch viele ausländische Kunden. Das ist in dem Sinne nicht sehr nachhaltig, weil die uns später natürlich nicht in unserer Werkstatt besuchen, um weitere Produkte zu kaufen.
Lohnt sich der Aufwand finanziell?
Ja, es lohnt sich, hierher zu kommen. Wobei wir auch hierher kämen, wenn wir nicht so viel Umsatz machen würden. Es ist so etwas wie ein Herzensprojekt, wir haben hier oben auch viele Kunden.
PAULA WILLS WISSEN:
Anfang September hat die 19-jährige Paula Mittag aus dem Ruhrgebiet beim «Anzeiger von Saanen» ihr halbjähriges Praktikum begonnen. Mit der Gstaad Züglete hat sie nicht nur ihren ersten Auftrag, sondern gleich einen ganz dicken Fisch geangelt: Paula, die keine Ahnung hatte, worum es bei einer Züglete geht und was das überhaupt ist, hat sich mutig ins Getümmel gestürzt, hat geschmückte Kühe fotografiert und dazu Interviews mit Standbetreiber:innen und OK-Mitgliedern geführt. Denn Paula wollte wissen, was es mit der Gstaad Züglete auf sich hat.
KMA