Kuhsignale-Beraterin klärt auf: Bauern brauchen glückliche Kühe
10.02.2025 LandwirtschaftMartina Schmid hat sich auf das Verhalten von Kühen spezialisiert. Als gelernte Kuhsignale-Beraterin reist sie durch die Schweiz, um Landwirt:innen zu unterstützen. Das Tierwohl wie auch eine gesteigerte Milchproduktion stehen hierbei im Vordergrund.
ELISA ...
Martina Schmid hat sich auf das Verhalten von Kühen spezialisiert. Als gelernte Kuhsignale-Beraterin reist sie durch die Schweiz, um Landwirt:innen zu unterstützen. Das Tierwohl wie auch eine gesteigerte Milchproduktion stehen hierbei im Vordergrund.
ELISA OPPERMANN
«Ich sehe gerne glückliche Kühe, denn für eine Landwirtin gibt es nichts Schlimmeres, als eine kranke Kuh», sagt Martina Schmid, ausgebildete Kuhsignale-Beraterin, Landwirtin und studierte Agronomin. Seit sieben Jahren ist Schmid selbstständig im Bereich der Kuhsignale-Beratung tätig und unterstützt Landwirt:innen in der ganzen Schweiz bei der Optimierung ihrer Ställe und Arbeitsprozesse. «Kuhsignale sind die Grundbedürfnisse einer Kuh. Auf der Weide sind diese meist gegeben, aber im Winter im Stall sieht es manchmal anders aus», so Schmid. Die sechs Grundbedürfnisse setzen sich ihr zufolge aus Luft, Licht, Futter, Wasser, Raum und Ruhe zusammen. Gelingt es, diese Faktoren in den Stall zu integrieren, so seien die besten Voraussetzungen für gesunde und leistungsfähige Tiere geschaffen. Ihre Ausbildung absolvierte die 32-jährige Zugerin in den Niederlanden an einem von Tierärzten geleiteten «CowSignals»-Training.
Ältere Kühe sind das Ziel
«Eine Kuh muss im Schnitt mindestens vier Laktationen gehabt haben, um ihre Aufzuchtkosten abbezahlt zu haben», erklärt Schmid. Dennoch liegt der Durchschnitt der Schlachtung in der Schweiz bereits nach drei Laktationen. «Mit der Kuhsignale-Beratung könnte man die Lebensdauer um zwei Laktationen erhöhen», sagt sie. Ältere Kühe seien nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch ökologisch vorteilhaft. «Weniger Tiere im Stall bedeuten mehr Platz, weniger Kosten und weniger Druck auf die Umwelt», erläutert Schmid. Auch Landwirte, die bereits mit ihr zusammengearbeitet haben, bestätigen den Nutzen der Beratung.
Bauern berichten über ihre Erfahrungen
Simon Buchs, Bauer in Jaun mit 20 Kühen, acht Rindern und sechs Kälbern, nahm die Beratung von Martina Schmid im Herbst 2023 in Anspruch. Er wurde auf sie aufmerksam, weil er seinen Stall neu bauen wollte – ein grosses Projekt. «Als Bauer wird man eventuell irgendwann betriebsblind, deshalb ist es gut, einen externen Blickwinkel zu bekommen», sagt Buchs. Durch Schmids Beratung stellte er seinen Stall um: Statt eines Gummibodens mit Stroh nutzt er nun eine 40 Zentimeter dicke Kalkstrohmatratze. Das Ergebnis: Die Kühe liegen viel mehr, haben weniger Sprunggelenkprobleme und leiden seltener an Euterentzündungen. «Seit den Veränderungen geht es den Kühen deutlich besser. Sie sind gesünder, liegen mehr und dadurch hat sich auch die Milchproduktion erhöht, weil sie weniger ausfallen», berichtet Buchs. Auch Schuwey Walerich, ebenfalls Bauer in Jaun, suchte im Sommer 2024 den Rat von Schmid. Vor 17 Jahren baute er seinen Stall um, war aber nie vollständig zufrieden. «Ich wusste, dass es besser geht, aber nicht wie», erklärt Walerich. Sein langfristiges Ziel ist es, etwa 50 Tiere in einem Stall zu halten. Die grösseren Umbauten sind für 2026 geplant, aber erste Verbesserungen hat er bereits umgesetzt. Eine der überraschendsten Veränderungen war die Umplatzierung der Kratzbürste. «Schmid machte mich darauf aufmerksam, dass es für die Kühe natürlicher und hygienischer ist, wenn die Bürste draussen statt drinnen angebracht wird», so Walerich. Das Ergebnis: «Die Tiere sind deutlich weniger gestresst.»
Ist meine Kuh wirklich glücklich?
«Oftmals wird vergessen, dass eine Kuh kein Mensch ist», erklärt Schmid. Sie vergleicht den Kuhmagen mit einem ständig köchelnden Kochtopf. Die Verdauung erzeugt Wärme, weshalb viele Kühe unter konstantem Hitzestress leiden. Besonders problematisch sei dies in Ställen mit schlechter Luftzirkulation. «Zu hohe Temperaturen und hohe Luftfeuchtigkeit erhöhen auch das Risiko für Krankheiten», so Schmid. Doch woran erkennt man, ob es einer Kuh gut geht? «Hat sie eingefallene Augen, Verletzungen oder Klauenprobleme, dann stimmt etwas nicht. Wache Augen, ein aufmerksamer Blick und eine glänzende Nase sind hingegen Zeichen für Wohlbefinden – und eine optimale Milchproduktion.»
Liegen, liegen, liegen!
Ein weiterer entscheidender Faktor für gesunde Kühe ist laut Schmid der Liegekomfort. «Die optimale Liegedauer beträgt 14 Stunden pro Tag», sagt sie. Liegt die Kuh weniger, wird das Euter schlechter durchblutet, was die Milchproduktion senkt und das Infektionsrisiko erhöht. Dennoch betont Schmid, dass die meisten Betriebe, die sie berät, ihre Kühe bereits gut halten. «Wer mich kontaktiert, sucht meist nach dem Tüpfelchen auf dem i. Aber oft können schon kleine Veränderungen Grosses bewirken.»
IST KUHSIGNALE-BERATUNG EINE ANERKANNTE AUSBILDUNG?
Die Methode der Kuhsignale stammt ursprünglich aus den Niederlanden und wurde vom Tierarzt Jan Hulsen entwickelt. In der Schweiz gibt es jedoch keine offizielle Ausbildung zur «zertifizierten Kuhsignale-Beraterin». Das Amt für Landwirtschaft und Natur (Inforama) bestätigte auf Anfrage: «Die Ausbildung zum Kuhsignale-Trainer ist in der Schweiz nicht gemäss Berufsbildungsgesetz reglementiert und geschützt. Aus diesem Grund sind Beratungen in diesem Zusammenhang auch nicht kantonal geregelt. Dennoch wird das Konzept in der Landwirtschaft breit anerkannt. Auch in den Bildungsangeboten von Inforama wird auf Grundsätze des Kuhsignale-Ansatzes Bezug genommen.»
EOP