Länggasse, das Kinderferien(da-)heim

  14.04.2022 Tourismus

Wenn aus dem Gedanken fürsorglicher Hilfe heraus und zusammen mit der ehrlichen Absicht, Schulkindern etwas Gutes zu tun, ein Ferienheim gebaut wird, entsteht nicht einfach ein Haus, sondern ein «Heim».

KEREM S. MAURER
Wer einen Blick in die Geschichte des Ferienheimes Länggasse wirft, setzt sich zwangsläufig mit den Umständen des ausgehenden 19. Jahrhunderts in der Stadt Bern auseinander. Der Bericht zum 100-Jahr-Jubiläum der Hilfskommissionen von 1865 bis 1965 im Länggassquartier beschreibt eindrücklich, wie sehr sich die damaligen Lehrer – die maskuline Form ist für jene Zeit ausreichend – für das Wohl ihrer Schülerinnen und Schüler eingesetzt haben. Die damaligen Hilfskommissionen – die Vorläufer der heutigen Fürsorgeeinrichtungen und Hilfswerke – haben es sich zum Ziel gesetzt, den Länggasse-Kindern eine kindgerechte Schulzeit zu bieten. Dies bedeutete nichts weniger als Kleidung, Nahrung, Bildung und nicht zuletzt die Erholung in einem Ferienheim. «Manches Kind konnte sich dort erholen, konnte wohlgenährt mit einigen Kilo Mehrgewicht nach Hause zurückkehren. Manche Mutter empfing ihr sonst bleichsüchtiges Kind mit Worten des Erstaunens über die gesunde Hautfarbe», ist im erwähnten Bericht zu lesen.

Verzicht auf Internet und TV
Am Anfang der Geschichte dieses kinderfreundlichen Ferienheims steht 1924 allerdings der Kauf des Heims Beau-Site in Beatenberg. Doch dieses Haus mit schlechter Heizung, ohne Duschen und Umschwung – schneesicher war es dort auch nicht – genügte den wachsenden Anforderungen bald nicht mehr. 1955 wurde es verkauft und mit dem Erlös erwarb der Länggass-Leist in Saanen 4444 Quadratmeter Land. Beim Bau des neuen Ferienheims durften die Lehrer ihre Lagererfahrungen mit einbringen. Am 27. Dezember 1957 reisten dann die ersten Schüler «heimwärts» ins Saanenland.

Das Ferienheim Länggasse hat sich durch die Zeit hindurch seinen ansprechenden Retrolook bewahrt, ohne dabei altmodisch oder verstaubt zu wirken. Im Gegenteil: Das Heim wirkt einladend und sehr sauber. Etwas ganz Besonderes wird hier von den Ferienkindern verlangt und steht mit für den einzigartigen Charakter des Heims: Man hat bewusst kein Internet im Haus und während den Lagern der Länggasse werden abends alle Handys der Kinder eingesammelt und am Morgen wieder ausgegeben. Im Vordergrund des Lagerlebens soll der Verzicht auf Fernsehen und Internet stehen. «Wir wollen, dass unsere Ferienkinder bewusst auf ihre Smartphones oder Tablets verzichten», betont Heimverwalterin Marianne Coletti. Denn hier geht es um andere Werte, welche die Kinder erleben sollen: sich miteinander beschäftigen, zusammen Sachen unternehmen, einander verstehen lernen. Kinder sollen hier gemäss dem Grundgedanken des Länggass-Leistes noch Kinder sein dürfen, und zwar unabhängig von der Leistung, die sie in der Schule erbringen. «Kinder sollen spüren, dass sie etwas wert sind, auch wenn sie in der Schule keine Akzente setzen», so Coletti. Kein Kind sei je ausschliesslich wegen finanziellen Fragen abgewiesen worden, betont sie, die selber schon als Kind ihre Ferien in diesem Heim verbrachte und 1992 das erste Mal zusammen mit ihrem Mann hier für die Kinder gekocht hatte. Überhaupt haben alle Stiftungsratsmitglieder und Betreuungspersonen eine enge persönliche Beziehung zu diesem Ferienheim.

Lehrer schläft in Vorratskammer
Dass den Lehrern – und heute auch den Lehrerinnen – aus dem Berner Länggassquartier das Wohl der Kinder noch immer am Herzen liegt, verdeutlicht folgende Geschichte: Als einmal die Kapazitäten für ein Lager bereits ausgeschöpft und alle Betten belegt waren, gab es noch mehr Anmeldungen von Kindern, die gerne nach Schönried ins Lager wollten. Kurzerhand hat sich der Lehrer Bernhard (Bärni) Thomann dazu bereit erklärt, auf einer Matratze in der Vorratskammer zu schlafen, damit vier Kinder mehr ins Lager kommen konnten.

Die Schlafzimmer im Ferienhaus Länggasse sind sehr heimelig, Gstaadlike in Holz gehalten, mit hübschen Nachttischchen und schönen Vorhängen. Eine Besonderheit ist die Zimmergrösse, hier gibt es keine Schlafsäle: maximal vier Kinder übernachten zusammen in einem Zimmer, ohne Schlafsäcke, dafür mit nordischer Schlafkultur. Mädchen und Jungen sind nicht nur räumlich, sondern auch stockwerkmässig voneinander getrennt. Dass das Ferienheim oberhalb von Schönried liegt, hat durchaus seine Vorteile. Die Kinder können rund ums Haus und an der Brätlistelle des Ferienheims Spiele machen und ein Bach, der oberhalb des Hauses vorbeifliesst, lädt dazu ein, die Natur zu entdecken. Wer von den Kindern freiwillig auf den Hugeligrat marschierte, erhielt zur Belohnung eine Cola. Deshalb kennen viele Länggasse-Kinder ihn als Coci-Berg. Das ist aber die Ausnahme, ansonsten gibt es natürlich nur gesunde Lebensmittel. Die Küche ist ein weiteres Highlight des kinderfreundlichen Ferienheims, genauso wie die herzliche Willkommenskultur der Hauswarte Erika und Peter Oehrli, die ihre Gäste immer persönlich begrüssen.

Auch die Dänen lieben es
Das Haus wurde im Lauf der Zeit stetig liebevoll renoviert und befindet sich nach wie vor in tadellosem Zustand. Alles nur für die Schulkinder aus der Länggasse? Ja, fast. Die Weihnachtsferien und die Sportwochen sind ausschliesslich für sie reserviert, ebenso fünf bis sechs Landschul- oder Exkursionswochen. Daneben steht das Ferienheim Länggasse allen offen, die eine gemütliche, herzliche Atmosphäre in typisch ländlichem Ambiente wünschen. Auch internationale Gästegruppen wissen dieses Haus zu schätzen. Während der Swiss Orienteering Week fand beispielsweise die dänische Delegation hier ihr Daheim.


FERIENHEIME IM SAANENLAND

Rund 20 Ferienheime stehen mitunter an bester oder schönster Lage im Saanenland. Viele von ihnen sind im Besitz von auswärtigen Schulen oder Vereinen, andere sind seit Generationen im Besitz einheimischer Familien. Die meisten dieser Häuser wurden ursprünglich als Gruppenunterkünfte gebaut, andere dienten jedoch erst landwirtschaftlichen Zwecken, bevor sie in Herbergen umfunktioniert wurden. So unterschiedlich ihre Geschichten auch sind, eines haben sie gemeinsam: Wer einmal in einem Ferienlager im Saanenland gute Zeiten erlebt hat, kommt irgendwann wieder hierhin zurück. So sind Ferienheime mehr als nur Herbergen, sie sind Lebensschulen, Erinnerungsstätten und manchmal auch Sehnsuchtsorte. In loser Folge porträtieren wir einige von ihnen.

KEREM MAURER


FERIENHEIM LÄNGGASSE

Total 54 Schlafplätze
– 3-mal zwei Betten
– 4-mal drei Betten
– 9-mal vier Betten
– Bettwäsche gibts gegen Aufpreis, Schlafsäcke sind nicht erlaubt.
– Essraum
– Aufenthaltsraum mit Wandtafel
– Spielzimmer
– Sehr gut eingerichtete Küche
– Tischtennis
– Töggelikasten


Ferienheime im Saanenland

1 Chalet Saanenwald, Hornbergstrasse, 3777 Saanenmöser
2 Tubegrabe-Stafel, Turbachstrasse 159, 3781 Turbach
3 Ferienlager Eggli, Oeyetliweg 26, 3792 Saanen
4 Gässlihof, Gässli 23, 3784 Feutersoey
5 Ferienheim Länggass, Simneweg 4, 3777 Saanenmöser
6 Ferienheim Region Fraubrunnen, Erliweg 5, 3778 Schönried
7 Bümplizerhuus, Hornbergstrasse 25, 3777 Saanenmöser
8 Clubhaus Spitz, Skiclub Weyermatt, Alte Saanenmöserstrasse 2, 3776 Oeschseite
9 Clubhaus Rüeblihorn, Lätzgüetliweg 7, 3777 Saanenmöser
10 Ferienheim Buebebärg, Hubelstrasse 83, 3778 Schönried
11 Ferienheim Heitimatte, Campingstrasse 10, 3785 Gsteig
12 Ferienlager Gemeinde Lauenen, Kirchstrasse 21, 3780 Lauenen
13 Lovell Mountain Lodge, Hubelstrasse 88, 3778 Schönried
14 Münsinger Ferienheim, Zügelweg 4, 3777 Saanenmöser
15 Pfadfinderheim Kuonolf, Waldmatte 95, Schönried
16 Sport Lodge (Sportzentrum Gstaad AG), Sportzentrumstrasse 5, 3780 Gstaad
17 Solothurner Ferienheim, Bergmatteweg 21, 3777 Saanenmöser

 


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