Liederabend mit Supplement

  26.08.2022 Kultur

Kammersängerin Brigitte Geller und Pianist Manuel Lange entführten letzten Dienstag das Publikum der Kirche Lauenen nach Wien. Die erfahrene Sopranistin besang die Musikstadt in den vielen Schattierungen menschlicher Gefühlslagen, wobei ihr der renommierte Liedbegleiter Lange immer als sichere Stütze zur Seite stand.

ÇETIN KÖKSAL
Auftakt des Konzerts war das «Sonett für Wien» von Erich Wolfgang Korngold (1897–1957), in dem der Komponist sich wehmütig an «sein» Wien der Jugendjahre erinnert. Die Tatsache, dass er die Heimat wegen seiner jüdischen Herkunft nach dem «Anschluss» Österreichs an Nazideutschland verlassen musste, untermalte natürlich das Verständnis für dieses erste Lied. Alle präsenten Komponisten dieses Abends, also auch Alexander von Zemlinsky (1871–1942), Arnold Schönberg (1874– 1951) und Erich Zeisl (1905–1959) teilten dieses tragische Schicksal des unfreiwilligen Exils. Ernsthaft und nachdenklich folgten die Walzergesänge op. 6 von Zemlinsky (Text: Ferdinand Gregorovius), wo es im 4. Gesang heisst: «Ich gehe des Nachts, wie der Mond tut gehn, Ich suche, wo den Geliebten sie haben: Da hab ich den Tod, den finstern, gesehen. Er sprach: such nicht, ich hab ihn begraben.» Schönbergs vier Lieder «Erwartung», «Jesus bettelt», «Erhebung» und «Waldsonne» waren dann schon viel hoffnungsvoller und bei Erich Zeisls «7 Lieder nach verschiedenen Dichtern» wurde es richtig heiter.

Bühnenpräsenz und Verwandlungskunst
Brigitte Geller «absolvierte» nicht nur einen traditionellen Liederabend, den sie konzertant vortrug, nein, sie inszenierte die Lieder mit wenig Accessoires und sehr viel schauspielerischem Können. Beeindruckend war es mitzuerleben, wie sie von einem Lied zum anderen ihren Gesang mit mimischem und physischem Einsatz bekräftigte und so in verschiedensten Rollen glänzte. Von der sehnsüchtigen, eleganten Dame über das kecke Madel bis zum vorlauten Burschen wusste sie die unterschiedlichsten Charaktere zu geben. Dabei überzeugte ihre reife Stimme mit einer weiten Bandbreite an Klangfarben und Nuancen. Besonders schön waren unter anderem ihre zart einsetzenden Piani. Der renommierte Liedbegleiter Manuel Lange harmonierte fliessend mit der Sopranistin und gefiel ebenso bei seinen Soli. Von Zemlinsky spielte er aus «Ländliche Tänze für Klavier op. 1» die Nummern 1, 3, 4, 5, 8, 9, 11 und 12 in nicht chronologischer Abfolge. Sie bereicherten das Konzert zwischen den Liedern und gaben der Sängerin Gelegenheit, sich für die neue Rolle zu «verkleiden». Ausgelassen wurde es zum Schluss hin mit den kabarettistischen Brettl-Liedern: «… Wer Weiber nicht zu schätzen weiss, ist weder kalt noch warm, er liegt so wie ein Brocken Eis in eines Mädchens Arm. Da bin ich ganz ein andrer Mann, ich spring um sie herum, mein Herz klopft froh an ihrem an und macht bum bum bum!»

Abschliessend sollte nicht unerwähnt bleiben, wie bereichernd, wichtig und wertvoll alle diese spezielleren Konzerte sind. Sie ergänzen die grossen «Blockbuster» im Zelt und in der Kirche Saanen ideell und ideal und sorgen für die unabdingbare, künstlerische Spannung eines namhaften Festivals.


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