«Ich darf in einer Region arbeiten, die ich sehr schätze»
25.11.2025 GstaadMatthias In-Albon leitet seit zehn Jahren die Geschicke der Bergbahnen Destination Gstaad AG (BDG). Im Gespräch mit dem «Anzeiger von Saanen» spricht er über Chancen und Herausforderungen, wie Magic Pass, Parksituation und den neuen Speichersee, der innerhalb von 72 ...
Matthias In-Albon leitet seit zehn Jahren die Geschicke der Bergbahnen Destination Gstaad AG (BDG). Im Gespräch mit dem «Anzeiger von Saanen» spricht er über Chancen und Herausforderungen, wie Magic Pass, Parksituation und den neuen Speichersee, der innerhalb von 72 Stunden einen ganzen Sektor einschneien kann.
KEREM S. MAURER
Matthias In-Albon, seit zehn Jahren leiten Sie als Geschäftsführer die Geschicke der Bergbahnen Destination Gstaad, was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie auf diese Dekade zurückblicken?
Vor allem Dankbarkeit und Respekt. Dankbarkeit, weil ich in einer Region arbeiten darf, die ich sehr schätze. Mit starken Gemeinden, engagierten Mitarbeitenden und einer Bevölkerung, die sich für «ünser Bärgbahni» interessiert. Und Respekt, weil die letzten zehn Jahre alles andere als ruhig waren: Sanierung, neue Bahnen am Saanersloch und Eggli, Top4-Einführung, Pandemie, Energiekrise sowie massive Teuerungen. Und parallel dazu den Auftrag, die Zukunft zu entwickeln. Langweilig war es nie und wird es wohl auch nicht.
Viele Einheimische sagen, dass die Region ohne «ünseri Bergbahni» eine andere wäre. Welche Bedeutung hat die BDG für die Region?
Die Bergbahnen sind eine Art Grundinfrastruktur. Ähnlich wie eine Schule, ein Spital oder der Wellnessbereich eines Hotels. Davon profitieren zahlreiche Bereiche in der Region wie Hotellerie, Gastronomie, Gewerbe, Zulieferer und der öffentliche Verkehr.
Und die BDG ist eine wichtige Arbeitgeberin...
Genau. Im Winter beschäftigen wir mehrere hundert Menschen in der Region. Unsere Mitarbeitenden sind zentral. Ohne ihre Arbeit, ihren Einsatz und ihre Erfahrung könnte der Betrieb gar nicht funktionieren. Jede zusätzliche Saison bringt indirekte Beschäftigung, Aufträge und Löhne in die Region. Heisst im Umkehrschluss: Geraten die Bergbahnen in Schwierigkeiten, spüren dies auch sehr viele Betriebe.
In den Medien ist oft von «Overtourism» die Rede. Sie sprechen von «Undertourism». Was meinen Sie damit konkret?
Overtourism ist bei uns auf den Bergen kein Thema. Unsere Anlagen sind für deutlich mehr Gäste ausgelegt, als effektiv kommen. Wir haben durchschnittlich rund 4500 Skifahrer:innen pro Wintertag. Für einen stabilen Betrieb bräuchten wir aber 7000, und möglich wären bis zu 15’000, ohne dass es wirklich «knallt». Wir haben eher das Problem, dass unsere Infrastruktur unterfordert ist. Für eine Bergbahn mit hohen Fixkosten ist das keine Komfortfrage, sondern eine Überlebensfrage.
Die Fixkosten bleiben gleich, egal, wie viele Leute die Bahnen nutzen?
Richtig. Die Lifte, Pisten, Fahrzeuge und Gebäude kosten immer gleich viel, egal wie viele Gäste im Gebiet sind. Wir müssen die Grundlast erhöhen, ohne die Region zu überfordern. Ich danke allen Einheimischen für ihr Verständnis, wenn es an den wenigen Spitzentagen zu Wartezeiten und Engpässen kommt. Das ist in der Branche durchaus üblich.
Apropos üblich: Was ändert sich für die Gäste im kommenden Winter?
Die Gäste werden drei Dinge bemerken:
1. Frühere Öffnungszeiten der Einstiegsgebiete um eine halbe Stunde. Viele Anlagen öffnen bereits um halb neun, statt um neun Uhr wie bisher.
2. 1000 neue temporäre Parkplätze und
3. Mehr Gäste dank dem Magic Pass.
Was hinsichtlich der Pisten?
Wir haben die Beschneiung in Zweisimmen, im Rübeldorf und auf dem Chalberhöhni verstärkt und fünf neue Pistenfahrzeuge mit Schneehöhemessung angeschafft.
Wo entstehen die 1000 neuen Parkplätze?
Wir vergrössern an fast allen Einstiegsportalen die bestehenden temporären Parkplätze. Die Holzroste sind zum Teil schon verlegt worden.
Das heisst, Sie haben ein erhöhtes Verkehrsaufkommen im Griff, wenn aufgrund des Magic Passes mehr Gäste ins Skigebiet kommen?
Auch bei der Einführung des Top4-Passes hatten wir in den ersten Wintern deutlich mehr Gäste und es hat gut funktioniert. Wir haben neu insgesamt rund 4000 Parkplätze und eine gute ÖV-Erschliessung für Gäste aus dem Kanton Bern. Berechnungen zeigen, dass wir selbst an Spitzentagen mit 15’000 Gästen und einer gleichzeitigen Belegung keine 4000 Parkplätze benötigen. Denn: Viele Einheimische fahren morgens Ski, während die Hotelgäste erst am Nachmittag kommen. Die Parkplätze drehen also über den Tag. Sind sie punktuell trotzdem einmal voll, was an Spitzentagen vorkommen kann, ist eine mögliche Gästefrustration verständlich, aber branchenüblich. Wichtig ist: Wir planen, steuern und justieren kontinuierlich, statt es einfach laufen zu lassen. Wir haben mit den Gemeinden ein Verkehrsregime aufgegleist, zusätzliche Verkehrsschilder aufgestellt und es gibt mehr Parkplatzeinweiser. Mit der Unterstützung der Gemeinden wird das Parkleitsystem nächstes Jahr modernisiert.
Zweisimmen soll als Einstiegsportal gestärkt werden. Was bedeutet das für Schönried, Saanenmöser und die Einheimischen?
In Zweisimmen haben wir einen direkten Zugang für Züge aus Bern und Spiez. Ist die Talabfahrt offen, wird Zweisimmen gerne genutzt – wenn nicht, weichen die Gäste auf Saanenmöser aus. Deshalb haben wir die Schneeerzeuger der Talabfahrt Zweisimmen gezielt erneuert. Ziel ist es, dass mehr Gäste in Zweisimmen einsteigen und nicht mit dem Auto bis Schönried oder Saanenmöser fahren. Dies entlastet die Parkplatz- und die Verkehrssituation. Dasselbe gilt für Rougemont, wo wir die Beschneiung auf der Talabfahrt bereits vor zwei Saisons erneuert haben.
Warum kam der Beitritt zum Magic Pass gerade jetzt?
Der alte Verbund Top4 ist für viele Gäste zu teuer geworden. Für den kommenden Winter standen Preise von 1000 Franken im Raum. Wir haben dadurch spürbar Gäste aus dem Verbund verloren, teilweise über 40 Prozent. Gleichzeitig ist der Magic Pass stark gewachsen. Gstaad liegt nicht mehr am Rand des Einzugsgebietes, sondern mittendrin. Uns war klar: Hätten wir ohne Verbund weitergemacht, hätten wir weiter markant Marktanteile verloren. Hätten wir auf den «falschen» Verbund gesetzt, hätten wir Gäste verloren. Mit dem Magic Pass haben wir ein Ganzjahresprodukt, das preislich und geografisch gut zu uns passt. Und er hat schon im ersten Sommer mehr Gäste, mehr Umsatz und mehr regionale Wertschöpfung gebracht. Für uns war auch entscheidend, dass der Magic Pass nicht nur im Winter wirkt, sondern unsere Positionierung als Ganzjahresdestination auch im Sommer unterstützt.
Sie deuten es an: Der Magic Pass ist wesentlich preiswerter als frühere Saisonkarten. Verdient die BDG damit noch Geld oder geht es nur um mehr Auslastung?
Es geht um beides. Wir rechnen im Winter mit einem substanziellen Magic-Pass-Mehrumsatz und mit etwa 1000 zusätzlichen Ersteintritten pro Tag. Die Vergütung pro Nutzung liegt in einem ähnlichen Bereich wie im bisherigen Verbund. Der entscheidende Hebel ist die Menge: Kommen mehr Leute ins Gebiet, verdienen nicht nur die Bahnen mehr, sondern auch die Restaurants, Skischulen, Sportgeschäfte, Bäckereien, Metzgereien und viele weitere Betriebe. Im letzten Sommer konnten wir Gastronomieprodukte für über eine halbe Million Franken zusätzlich lokal einkaufen. Das ist regionale Wertschöpfung.
Wie wird entschieden, wie viel vom Magic-Pass-Kuchen in die BDG fliesst? Können Sie den Verteilschlüssel einfach erklären?
Jede Nutzung wird am Drehkreuz registriert. Wer mit dem Magic Pass bei uns einsteigt, löst einen sogenannten Ersteintritt aus. Diese werden mit dem jeweiligen Tageskartenpreis gewichtet. Daraus ergibt sich der Anteil, den wir aus dem gemeinsamen «Topf» erhalten. Wir bekommen keinen fixen Prozentsatz pro verkauften Pass, sondern werden nach Leistung bezahlt: Wer viele Gäste hat, erhält einen grösseren Anteil. Das ist fair, transparent und motiviert alle Partner, ihre Gebiete attraktiv zu halten.
Wo sehen Sie die Chancen und wo die Risiken des Magic Passes?
Die grosse Chance ist, dass wir wieder wachsen können, sowohl im Sommer als auch im Winter. Wir müssen unser Gebiet attraktiv und schneesicher halten, investieren und gleichzeitig darauf achten, dass sich die Gäste gut verteilt fühlen und die Qualität stimmt.
Nutzen Einheimische den Magic Pass?
Im Sommer 2025 waren rund 40 Prozent unserer Magic-Pass-Gäste Einheimische. Das zeigt: Der Pass ist nicht nur ein Produkt für Gäste, sondern auch für die Bevölkerung vor Ort.
Lassen Sie uns noch über das Generationenprojekt sprechen. Warum ist dieses Projekt so wichtig?
Das Generationenprojekt ist quasi die Erneuerung des Rückgrats unseres Skigebiets im Raum Schönried/Horneggli/ Hornberg inklusive Parkhaus an der Talstation Schönried und neuem Speichersee auf dem Hornberg. Die bestehenden Anlagen sind in die Jahre gekommen. Erneuern wir sie nicht zeitnah, riskieren wir den Verlust eines Kernstücks unseres Gebiets. Gleichzeitig ist das Projekt eine Chance, Komfort, Sicherheit, Verkehr und Schneesicherheit auf ein Niveau zu bringen, das für die nächsten 30 Jahre hält.
Wo steht das Generationenprojekt heute?
Im Frühling hat die Gemeindeversammlung mit einem klaren Ja zur Überbauungsordnung den Weg freigemacht, und der Kanton hat im Oktober die Leitverfügung gestartet. Aktuell warten wir auf die kantonale Genehmigung dieser Überbauungsordnung. Letzte Woche haben wir die Info vom Kanton erhalten, dass leider eine weitere Verzögerung der Genehmigungsverfahren um mehrere Monate stattfindet. Parallel dazu bereiten wir die Unterlagen für das Plangenehmigungsverfahren vor, also das Baubewilligungsverfahren für die Bahnanlagen, das wir im ersten Quartal 2026 eingeben möchten. Realistisch ist ein Baustart nicht vor 2027 und eine Inbetriebnahme frühestens auf die Saison 2028/29.
Sie haben vom neuen Speichersee auf dem Hornberg gesprochen. Wie weit ist man da?
Eine neue kantonale Verordnung mit verschärften Vorgaben, etwa beim Erdbebennachweis, führt zu zusätzlich nötigen Gutachten, was die Sache verzögert. Der Speichersee Hornberg ist das Schneereservoir unseres Hauptgebiets. Der neue See wird rund fünfmal grösser sein als der bisherige und ermöglicht es uns, die wichtigen Pistenachsen im Hauptgebiet – inklusive Talabfahrten – zeitgleich und ohne Priorisierungen verlässlich für die Saison einzuschneien. Ziel ist es, das Gebiet planbar vor Weihnachten zu öffnen – wenn die Temperaturen passen. Mit dem See können wir Kältephasen besser nutzen und effizienter beschneien. Heute ist der bestehende See nach etwa einem Tag Beschneiung leer und braucht rund drei Tage, um sich wieder zu füllen. Das Kältefenster letzte Woche konnten wir deshalb nicht gut nutzen. Der See war schnell leer, und die Nachfüllung aus der Saane musste während der Schneeräumung wegen Salz- und Schmutzeintrag zeitweise eingestellt werden. Die Konsequenz: beste Minustemperaturen, aber stillstehende Schneeerzeuger. Mit dem neuen Speichersee können wir solche Kältephasen künftig durchgehend nutzen und die Schneesicherheit des Gebiets massiv erhöhen.
Wie weit würde denn das Fassungsvermögen des neuen Sees reichen, sprich, wie viel Schnee kann man damit erzeugen?
Mit dem Volumen des neuen Sees ist es möglich, alle Pisten des ganzen Sektors ohne Prioritäten innerhalb von 72 Stunden einzuschneien. Das ist ein gewaltiger Schritt für die zukünftige Schneesicherheit und wir hätten das Gebiet bereits letztes Wochenende öffnen können.
Und wie lange dauert es, bis der See wieder gefüllt ist?
Etwa zwei Wochen. Das Wasser wird aus Simme und Saane auf den Berg gepumpt – und zwar dann, wenn es überschüssigen «Gratisstrom» im Netz hat.
Werfen wir noch einen Blick auf die finanzielle Lage der BDG. Wie hat sich diese in den letzten zehn Jahren entwickelt?
Im Betrieb stehen wir heute klar stabiler da als vor zehn Jahren. Operativ sind wir robust unterwegs, aber bei Grossprojekten auf Partnerschaften und Gemeinden angewiesen. Das ist die Realität in vielen Berggebieten. Die stark gestiegenen Energiekosten haben das finanzielle Polster aus der Restrukturierungsphase weitgehend aufgezehrt. Gleichzeitig sind die Anlage- und Baukosten in den letzten Jahren massiv gestiegen. Das zeigt sich exemplarisch am Generationenprojekt: Da klafft derzeit noch eine Finanzierungslücke, bestehend aus Auflagen und Teuerung, von rund 30 Millionen Franken, die wir ohne Partner nicht schliessen können. Ohne genügend Gäste und ohne Unterstützung der öffentlichen Hand und/oder Dritten lassen sich die nötigen Investitionen nicht stemmen.
Wenn Sie zehn Jahre nach vorne schauen: Was wünschen Sie sich für die BDG und das Saanenland?
Ich wünsche mir, dass die BDG in zehn Jahren stabil ausgelastet, modernisiert, gut verankert und als attraktive Arbeitgeberin etabliert ist. Und dass unsere Kinder sagen können: «Es war richtig, dass wir damals an die Bergbahnen geglaubt haben.» Für das Saanenland wünsche ich mir, dass wir unsere Stärken bewahren und gleichzeitig den Mut haben, uns weiterzuentwickeln.
Ist das eine kleine Anspielung auf das Nein zu Solsarine? Was geht Ihnen bei diesem Begriff heute durch den Kopf?
Solsarine steht für mich heute für Pragmatismus und Lernkurve. Wir haben versucht, Winterstrom dort zu produzieren, wo er gebraucht wird – am Berg. Die Dekarbonisierung und neue Wachstumstreiber werden künftig viel Strom benötigen. Deshalb engagiere ich mich weiter für eine technologieoffene Energiewende, schwerpunktmässig mit erneuerbaren Lösungen.
Haben Sie eine persönliche Botschaft an die Region?
Die Zukunft unserer Region gelingt nur im Miteinander. Die Bergbahnen sind ein Stück Grundinfrastruktur, das weit über uns hinauswirkt. Damit wir auch in Zukunft attraktiv und wettbewerbsfähig bleiben, brauchen wir Zusammenhalt, Mut zu Entscheidungen und gemeinsame Verantwortung.
Wie funktioniert Ihrer Meinung nach die touristische Zusammenarbeit innerhalb der Region – ziehen Gemeinden, Tourismus, Hotellerie, Gewerbe und Bahnen am gleichen Strick?
Insgesamt funktioniert die Zusammenarbeit sehr gut. Wir haben das gemeinsame Verständnis, dass die Region nur erfolgreich ist, wenn alle – Gemeinden, Tourismusorganisation, Hotellerie, Gewerbe und wir als Bahnen – zusammenstehen. Es gibt immer wieder konstruktive Diskussionen, das ist gut und wichtig. Entscheidend ist, dass wir diese auf Augenhöhe führen und am Ende Lösungen finden, die das Ganze stärken.
DAS GENERATIONENPROJEKT
Das Projekt beinhaltet das Einstiegsportal in Schönried mit Parkhaus (30 Millionen Franken), die Ersatzbahn Horneggli auf den Hornberg, inklusive Stationen (49 Millionen Franken), die Ersatzbahn des Sessellifts Hornberg bis auf die Horefluh (21 Millionen Franken) sowie die Erweiterung des Speichersees auf dem Hornberg (20 Millionen Franken). Von den gesamthaft 120 Millionen Franken sind 90 Millionen bereits zugesichert. Die restlichen 30 Millionen sollen mit Partnern und/oder Dritten gestemmt werden.
Diese Projekte wurden von der Vorprojektphase vor fünf Jahren bis zur Eingabephase durch Auflagen, Teuerung und Verfahrensprozesse trotz Kostenoptimierungen insgesamt 30 Millionen Franken teurer, welche noch zu finanzieren sind.
KMA
ZUR PERSON
Matthias In-Albon ist 40 Jahre alt, glücklich verheiratet und Vater von zwei Kindern. Der ausgebildete Wirtschaftsingenieur und Betriebsökonom liess sich an der HSG und IMD weiterbilden. Matthias In-Albon fährt leidenschaftlich gern Ski, liebt den Bergsport und hält sich vorzugsweise in der Natur auf. kma





