Monika Romang und die «Queen of Desert»
14.11.2022 Kultur, SaanenZwei aussergewöhnliche Frauen, zwei verschiedene Routen an denselben Gipfeln mit einer Passion: Wege zu gehen, die vor ihnen noch niemand gegangen ist, verarbeiten von Erlebnissen auf dem Weg nach oben. Im Film «Gertrude’s Peak» werden biografische Elemente beider Frauen feinsinnig miteinander verwebt.
KEREM S. MAURER
Die eine ist die 1868 geborene Gertrude Bell, die als britische Forschungsreisende, Historikerin, Schriftstellerin, Archäologin, Alpinistin, politische Beraterin und Angehörige des britischen Geheimdienstes im Ersten Weltkrieg beschrieben wird. Die andere ist Monika Romang aus Gstaad, die ihre Heimat für ihre Ausbildungen verliess. Während die Erste im Jahr 1901 den nach ihr benannten Gertrudes Peak – ein Gipfel der Engelhörner im Haslital – als Erstbesteigerin bezwang, fand die Zweite im Jahr 2015 zusammen mit ihrem Partner Daniel H. Anker als Erstbegehende an der Westwand desselben Gipfels eine neue Sportkletterroute und nannte diese sinnigerweise «Queen of Desert» (Königin der Wüste).
«Queen of Desert»
«Queen of Desert» ist aber nicht nur der Name von Romangs neu erschlossener Kletterroute, sondern auch der Titel eines 2015 erschienen Films über Gertrude Bell mit Nicole Kidman in der Hauptrolle und ebenso der Name einer gleichzeitig erschienenen Biografie über die Engländerin. Der Filmemacher Daniel H. Anker schaute sich den Film an und entdeckte daraufhin im Internet frei zugängliche Briefe und Tagebücher von Gertrude Bell und liess sich von der schillernden Persönlichkeit inspirieren. Gemeinsam mit seiner Lebenspartnerin Monika Romang begab er sich auf Spurensuche und schon bald keimte in ihm die Idee, Gertrude Bells Erstbesteigung filmisch nachzustellen. Doch es sollte nicht nur ein historischer Kletterfilm werden, sondern die moderne Erstbegehung soll in den Film miteingearbeitet werden. Entstanden ist ein feinsinniges und sehenswertes 64-minütiges Porträt über zwei Frauen, die in völlig verschiedenen Epochen lebten, und dennoch einige Berührungspunkte in ihren Biografien haben. So verarbeiten beide auf ihren unterschiedlichen Wegen zum Gipfel persönliche und zuweilen intime Erlebnisse.
Begegnung mit sich selbst
«Für mich war es ein grosser Prozess, mich so in der Öffentlichkeit zu zeigen», sagt Monika Romang, die im Film einen selbst erlebten Missbrauchsfall offenbart. Doch nicht nur das. Sie hatte im Vorfeld des Films einen schweren Unfall. «Ich wusste während einem Jahr nicht, ob ich überhaupt je wieder würde gehen können», sagt die gebürtige Saanerin. Und dann habe sie in diesem Film mitwirken können. «Das war ein grosses Geschenk. Umso schöner, dass der Film so viele berührt und ermutigt», so Romang. Auch Gertrude Bell hatte in ihrem bewegten Leben einiges zu verarbeiten: Unter anderem durfte sie ihre grosse Liebe nicht heiraten.
Gelungene Premiere
Nachdem der Film bereits in Meiringen zweimal vorgeführt worden war, besuchten rund 130 Personen die dritte Premiere im Cine ABC in Bern am letzten Freitag. Monika Romang kündigte an, dass «Gertrude’s Peak» nächstes Jahr möglicherweise auch im Saanenland gezeigt wird. In diesem Film ist mit Kilian Schlunegger aus Gsteig zudem auch ein Darsteller aus dem Saanenland zu sehen: Er verkörpert die Rolle des Bergführers Ulrich Furrer, der bei der Erstbesteigung mit Gertrude Bell, gespielt von Sarah Vögtli, mit dabei war. «Die jungen Laienschauspieler verkörpern ihre Rollen wunderbar passend und engagiert», findet Regisseur Daniel H. Anker.
GERTRUDE’S PEAK
Drehbuch/Regie/Produktion: Daniel H. Anker; Kamera/Schnitt/Ton: Thomas Senf; Assistenz: Monika Romang; Gertrude Bell: Sarah Vögtli; Ulrich Furrer: Kilian Schlunegger; Heinrich: Diego Schläppi; Hüttenwart: Bruno Scheller; Monika: Monika Romang; Daniel: Daniel H. Anker.