Nachwuchstalent mit Biss aus der Bissen
22.05.2025 SportDania Allenbach startete steil sowie mit Pirouette in die Europacupkarriere und legte eine souveräne Skisaison hin. Sie will aber noch mehr. Ein Gespräch über die Lehre als Bodenlegerin, eigene Erwartungshaltungen und gemeinsame Erfahrungen als Familie.
...Dania Allenbach startete steil sowie mit Pirouette in die Europacupkarriere und legte eine souveräne Skisaison hin. Sie will aber noch mehr. Ein Gespräch über die Lehre als Bodenlegerin, eigene Erwartungshaltungen und gemeinsame Erfahrungen als Familie.
JOCELYNE PAGE
Premiere im Europacup und gleich unter den Top 5: Dania Allenbach gelang ein starkes Debüt auf internationaler Bühne. Wobei – ganz genau genommen, war es ihr zweites Rennen. Das Erste wird ihr trotzdem unvergessen bleiben: «Ich habe mitten im Lauf eine Pirouette gemacht, fuhr kurz rückwärts und fand wieder zurück in den Lauf. Trotz dieser Akrobatikeinlage landete ich noch unter den Top 30», erzählt sie lachend.
Beim nächsten Start lief dann alles rund – und die junge Skiathletin aus der Bissen überraschte mit dem fünften Rang. «Ich war richtig überrascht», erinnert sie sich. Im Verlauf des Winters erzielte sie weitere solide Riesenslalomresultate und platzierte sich regelmässig in den Top 30. Zufrieden? «Grundsätzlich sind das gute Resultate. Aber nach dem Top-fünf-Ergebnis habe ich die Messlatte für mich selbst sehr hoch gesetzt und mir damit auch Druck gemacht», sagt Allenbach. Sie habe deshalb ihre Erwartungen hinterfragt. «Ich sagte mir selbst: Warum setze ich mich so unter Druck? Hätte mir vor der Saison jemand gesagt, dass ich einen fixen Europacup-Startplatz bekomme, wäre ich überglücklich gewesen. Dieser Gedanke hat mir geholfen.»
Ungewöhnliche Gelassenheit macht sie nervös
Dania Allenbach liebt die technischen Disziplinen: «Es ist taktischer, man muss schnell reagieren und Entscheidungen in Sekundenbruchteilen treffen.» Speedrennen wie Super-G oder die Abfahrt an den Juniorenweltmeisterschaften fährt sie zwar ebenfalls gerne, doch ihr Herz schlägt für die technische Herausforderung.
Auch mental bringt sie eine bemerkenswerte Reife mit: Nervosität gehört für sie dazu. «Wenn ich gar nicht nervös bin, macht mich das wiederum nervös. Dann frage ich mich, warum ich es nicht bin», sagt sie lachend. Am Start ist sie die Ruhige, legt sich auch mal hin, sammelt sich, fokussiert. Informationen von Trainern auf der Strecke nimmt sie nur dann auf, wenn sie ihr wirklich nützen. Lieber verlässt sie sich auf ihre Intuition: «Ich spüre oft selber, wie ich fahren muss.»
Als Bodenlegerin unterwegs
Neben der Skipiste ist Allenbach auf dem Bau: Sie absolviert eine Lehre als Bodenlegerin. Eine Kombination, die Disziplin und gutes Zeitmanagement verlangt. «Wir sind mehrere Athleten an der Schule. Die Lehrer unterstützen uns, indem sie uns Prüfungen flexibel schreiben lassen, wir müssen uns einfach rechtzeitig melden», erklärt sie. Es brauche viel Selbstdisziplin, doch wer Engagement zeige, erhalte Unterstützung.
Ihre Lehre macht Allenbach bei der Tapistore GmbH, einem von Swiss Olympic anerkannten Lehrbetrieb. Das Unternehmen ermöglicht der jungen Athletin ein flexibles Ausbildungsmodell. Die handwerkliche Arbeit sei für sie der perfekte Ausgleich zum Skialltag, es gebe ihr ein Gefühl von Genugtuung. Auch der Chef zeige grosses Verständnis: «Ich darf jede Minute, die ich brauche, in meine Skikarriere investieren.» Im Winter ist sie oft an Rennen unterwegs, im Sommer in Trainingslagern.
Entsprechend selten ist sie im Betrieb. «Ich profitiere definitiv mehr vom Lehrbetrieb als umgekehrt», sagt sie mit einem dankbaren Lächeln.
«Es war für uns eine neue Welt.»
Nicht in die Wiege gelegt, aber selbst erarbeitet: Oft sind es Kinder von ehemaligen Rennfahrer:innen, die im Skisport Fuss fassen – bei Dania Allenbach ist das anders. «Klar, meine Eltern fahren in der Freizeit Ski, und meine Geschwister waren wie ich in der JO. Nur mir hat es so richtig den Ärmel reingezogen», sagt sie lachend. Als ihre Resultate während der JO-Zeit besser wurden, musste die Familie sich zuerst das nötige Know-how aneignen, etwa zur Skipräparation, erzählt sie. «Es war für uns eine neue Welt.» Heute sei alles Normalität. Aufgewachsen ist Allenbach in einer Grossfamilie auf einem Bauernhof. Sie ist die Zweitjüngste von fünf Geschwistern. «Inzwischen fliegen alle so langsam aus», erzählt sie. Nach langem Unterwegssein geniesst sie das Heimkommen, das Beisammensein und das Helfen auf dem Hof.
Nachwuchs im Retrolook
In der kommenden Saison möchte sich Dania Allenbach im Europacup etablieren. «Ich will schauen, wie weit ich gehen und Vollgas geben kann», sagt sie. Dabei wirkt sie trotz Ehrgeiz nie verbissen – im Gegenteil: Man spürt bei ihr eine natürliche Lockerheit, die sie schon als Juniorin ausgezeichnet hat. Als sie noch im BOSV-JO-Kader fuhr, wettete ihr Trainer mit dem Team regelmässig auf die Weltcupresultate. Wer als Erste oder Erster drei Punkte holte, durfte beim nächsten Rennen den legendären «Käsedress» tragen – jenen auffälligen Skidress aus den 1990er-Jahren, welchen die Schweizer Skistars im Weltcup trugen. Allenbach gewann nicht nur die Wette, sondern auch gleich mehrere Rennen im Käsedress. Die Nachwuchshoffnung im Retroook – unkonventionell, erfolgreich und ganz sie selbst.
«Die Skischuhe sind heilig»
Dania Allenbach im persönlichen Gespräch über wohltätiges Haareschneiden, Skischuhe im Handgepäck und verpasste Züge.
JOCELYNE PAGE
Wie sieht Ihr perfekter freier Tag aus – ohne Skifahren?
Wenn es möglich ist, schlafe ich aus. Dann geniesse ich die Zeit zu Hause, spiele mit meiner Schwester Spiele – Jassen oder Brändidog. Irgendetwas mit Freunden unternehmen gehört auch dazu. Und ich helfe gerne im Stall mit. Früher war es ein Müssen, heute ist es ein Dürfen.
Eine Eigenschaft von Ihnen, die andere überraschen würde?
(Überlegt) Vielleicht, dass ich meine Haare an krebskranke Kinder gespendet habe. Aus den Einsendungen von Echthaaren werden Perücken hergestellt. Ich habe extra gewartet, bis sie lang genug waren, denn der Zopf musste mindestens 30 Zentimeter lang sein. Nach der Saison war dann Zeit zum Schneiden.
Was ist Ihr grösstes Laster?
Ich bin oft etwas knapp dran. Vor allem, wenn es darum geht, den Zug zu erwischen. Ich habe schon mehr als einmal den Zug verpasst oder musste ihm hinterherrennen.
Was muss bei Ihnen beim Reisen immer ins Handgepäck?
Ganz klar: die Skischuhe! Die sind heilig. Ski oder Stöcke kann man notfalls mieten, aber wenn der Skischuh nicht passt, geht gar nichts. Die Skischuhe sind wie die persönliche Note beim Fahren.
Wer sind Ihre Vorbilder?
Mikaela Shiffrin, Marco Odermatt, Franjo von Allmen – Persönlichkeiten mit einer coolen, lockeren Art.
Was wollten Sie als Kind werden?
Immer schon Skirennfahrerin. Das habe ich in alle Freundschaftsbücher geschrieben (lacht).
Und Ihre Lieblingspiste im Saanenland?
Ganz klar: Wasserngrat, der Tiger Run – es gibt nichts Besseres!




