Gabriel Pernet gewinnt Neeme Järvi Prize 2024
15.08.2024 MusikDas diesjährige Abschlusskonzert der Gstaad Conducting Academy war zugleich eine Jubiläumsfeier zur zehnten Ausgabe dieses Meisterkurses für begabte Nachwuchsdirigenten. Der zweite und dritte Neeme Järvi Prize ging an Alizé Léhon bzw. Omer Ein ...
Das diesjährige Abschlusskonzert der Gstaad Conducting Academy war zugleich eine Jubiläumsfeier zur zehnten Ausgabe dieses Meisterkurses für begabte Nachwuchsdirigenten. Der zweite und dritte Neeme Järvi Prize ging an Alizé Léhon bzw. Omer Ein Zvi.
ÇETIN KÖKSAL
Die Gstaad Conducting Academy hat sich in den zehn Jahren ihrer Existenz etabliert und einen festen, wichtigen Platz im «Dirigenten-Geschäft» erarbeitet. Bestätigt wurde dies unter anderem von Jasper Parrot im Gespräch mit dem Moderator des Abends Lukas Wittermann. Herr Parrot war Gründer von Harrison Parrot, einer der aktuell wichtigsten Musiker-Agenturen, welche vier ehemalige Absolventen der Gstaad Conducting Academy unter Vertrag hat. Er erläuterte, dass es für angehende Dirigenten nicht so viele Möglichkeiten gibt, ihren Beruf auszuüben. Instrumentalisten können eine Stelle in einem Orchester annehmen, als Kammermusiker oder Lehrer tätig sein. Dirigenten brauchen ein Orchester und es gibt definitiv mehr Dirigenten als Orchester. Das Format der Conducting Academy bietet die seltene Möglichkeit einerseits während längerer Zeit von den Professoren Jaap van Zweden, Johannes Schlaefli und Peter Biloen mit dem Gstaad Festival Orchestra zu lernen und sich andererseits der Öffentlichkeit zu präsentieren. Schafft man es zum Schluss noch, einen Neeme Järvi Prize zu gewinnen, sind damit Auftritte als Dirigent der Partnerorchester der Conducting Academy verbunden.
Mendelssohn wegen Lotterie
Gewinner Gabriel Pernet wird Einladungen ans Kammerorchester Basel, an das Sinfonie Orchester Biel Solothurn, an das Orchestre de chambre de Lausanne und an die Philharmonie Südwestfalen erhalten. Am Abschlusskonzert im Festivalzelt «musste» er den ersten Satz des grossen Mendelssohn-Geigenkonzerts dirigieren. Die Jury hatte nämlich entschieden, dass per Los bestimmt wird, welcher der 10 Dirigenten welchen Teil des Konzerts dirigieren wird. Pernet vermochte dem Gstaad Festival Orchestra einen schönen Fluss des Allegro molto appasionato zu entlocken. Simon Schmied übernahm dann den zweiten und dritten Satz des Geigenkonzerts und fiel mit seiner – für sein jugendliches Alter – angenehm unspektakulären Art des Dirigierens auf. Im dritten Satz war das Zusammenspiel zwischen Solist und Orchester leider nicht immer über jeden Zweifel erhaben. Was die beiden Solisten Theodor Kaskiv (1. Satz) und Nigedemu Zeng (2. und 3. Satz) betrifft, so konnte man leider nicht ignorieren, dass ihr Niveau insgesamt nicht demjenigen des Orchesters oder der Nachwuchsdirigenten entsprach. Bestimmt hätte man aus dem riesigen Angebot an talentierten Nachwuchsgeigern diesbezüglich passendere Kandidaten finden können.
Erneut sehr gutes GFO
Was die Verantwortlichen um Christoph Müller mit dem Gstaad Festival Orchestra in diesen zehn Jahren erreicht haben, verdient grossen Respekt und Anerkennung. Die Qualität ist insgesamt kontinuierlich gestiegen und muss heute den Vergleich mit etablierten Orchestern nicht scheuen. Alle Register sind hervorragend besetzt und konnten bei Bruckners siebter Sinfonie immer wieder uneingeschränkt Zeugnis von ihrem Können ablegen. Im ersten Satz, von Juya Shin und Alizé Léhon geleitet, fielen gleich zu Beginn wiederum die fantastischen Celli mit ihrem sonoren Klang auf. Juya Shin arbeitete die Bläsersoli sehr schön aus und Alizé Léhon, die als Gewinnerin des zweiten Järvi-Preises das Sinfonieorchester Basel und das Musikkollegium Winterthur wird dirigieren dürfen, wählte eine etwas leichtere Klangfarbe mit einem beeindruckenden Aufbau zum Finale des Allegro moderato. Mats Thiersch begann das Adagio mit dramatischer Spannung, Nina Haug liess es grösser, breiter und mächtiger erklingen und Junping Qian gelang ein offenes, freies Ende dieses langsamen Satzes mit schönen Kontrasten. Das Scherzo. Sehr schnell, von Giovanni Fanizza dirigiert, war etwas flach und leider weder scherzhaft noch sehr schnell.
33’000 Minuten
Celia Llácer fokussierte im Finale auf viele Details, die ihr auch sehr gut gelangen, verlor dadurch aber etwas das grosse Ganze aus dem Blick. Omer Ein Zvi liess das Orchester dann freier atmen und zum Ende hin aufs Schönste jubilieren. Er wird als Gewinner des dritten Preises das Berner Symphonieorchester dirigieren dürfen. Interessant zu wissen ist, dass die erwähnten Partnerorchester selbst entscheiden, welchen der Preisgewinner sie einladen möchten. So ist zu erklären, warum die einen mehr Einladungen erhalten als die anderen. Über 120 Nachwuchsdirigenten haben während des zehnjährigen Bestehens der Academy an den Meisterkursen teilgenommen, wobei ein wichtiger Teil der intensiven Arbeit mithilfe der Videoaufnahmen erfolgt. Wie Gewinner Pernet im Gespräch mit Lukas Wittermann erklärte, hilft es den jungen Dirigenten sehr, wenn sie sich anschauen können, wie sie sich bewegen, wie sie mit Gestik und Mimik versuchen, das Orchester zu dem zu bewegen, was sie wollen. 33’000 Minuten oder 550 Stunden Aufnahmematerial haben sich in zehn Jahren angesammelt. Auf die nächsten 33’000 Minuten – Happy Birthday Gstaad Conducting Academy!