Notfalldienst der Apotheken hat sich normalisiert
16.01.2024 GesellschaftDer Notfalldienst der Apotheken in der Region hat sich wieder normalisiert. Er bleibt aber eine Herausforderung und neue Wege sind gefragt. So arbeitet etwa die Apotheke Châteaud’Oex mit dem im Dorf ansässigen Spital des Pôle Santé du Pays-d’Enhaut ...
Der Notfalldienst der Apotheken in der Region hat sich wieder normalisiert. Er bleibt aber eine Herausforderung und neue Wege sind gefragt. So arbeitet etwa die Apotheke Châteaud’Oex mit dem im Dorf ansässigen Spital des Pôle Santé du Pays-d’Enhaut zusammen. Mit Erfolg.
ANITA MOSER
Gibt es in einem Dorf zwei Apotheken, müssen diese Notfalldienst leisten. So will es das Gesetz. Die Krise – in erster Linie geht es um Personalmangel – im Gesundheitswesen macht aber auch vor den Apotheken nicht Halt. Die Apotheke Dr. Kropf in Gstaad hat nach der Schliessung der Gstaaderhof-Apotheke just vor Beginn der Wintersaison 2023 den Notfalldienst übernommen. Täglich, von Montag bis Sonntag, rund um die Uhr. Aufgrund des Fachkräftemangels und des Mangels an Apotheken musste sie diese Dienstleistung Ende März nach dreimonatigem, ununterbrochenem Notfalldienst einstellen.
Normalbetrieb seit September
Seit Mitte Jahr ist die Gstaaderhof-Apotheke wieder offen und die beiden Apotheken bieten den Notfalldienst seit Ende September wieder im Wochenrhythmus an. «Es läuft gut», sagen Barbara Annen, Co-Geschäftsleiterin der Apotheke Dr. Kropf in Gstaad, sowie Emad Sabry, Inhaber der Gstaaderhof-Apotheke auf Anfrage.
Notfalldienst für Notfallsituationen
Der Notfalldienst sei kein «nice to have» – also quasi eine Verlängerung der Öffnungszeiten, so Barbara Annen. «Der Notfalldienst ist gedacht für Notfallsituationen, in denen sofort Hilfe benötigt wird.» Auf die Frage, ob der Notfalldienst «missbraucht» werde für Bagatellfälle, sagt sie: «Es gibt sicher viele Situationen, bei welchen man bis zu den regulären Öffnungszeiten zuwarten könnte. Der Notfalldienst wird aber von den Einheimischen sehr gut verstanden und nicht für Banalitäten beansprucht.»
Zusammenarbeit mit dem Spital
Not macht erfinderisch! Mit diesen Worten machte die Apotheke Châteaud’Oex Mitte April 2023 ihre Zusammenarbeit mit dem im Dorf ansässigen Spital des Pôle Santé du Pays-d’Enhaut bekannt. «Wir haben eine pragmatische Lösung gefunden», erklärt Sabina Glättli, Apothekerin und Geschäftsführerin der Pharmacie Amavita. «Die Pharmacie Amavita hat im Spital ein Depot mit den wichtigsten Notfallmedikamenten eingerichtet.» Dies ermögliche die Medikamentenabgabe an Wochenenden und an Feiertagen durch das medizinische Fachpersonal des Spitals. Die Patiententriage bleibt aber in der Verantwortung der Apotheke. «Die Patienten müssen immer vorgängig in der Apotheke anrufen», erklärt die Geschäftsführerin.
Pragmatische Lösung hat sich bewährt
«Das Angebot wird genutzt, auch von Patienten aus dem Simmental und Saanenland, und es funktioniert gut», betont Sabina Glättli auf Anfrage. Die Lösung hat sich etabliert und wird das ganze Jahr angeboten. «Von Montag bis Samstagmorgen erfolgt die Medikamentenabgabe wie gewohnt in der Apotheke. Ab Samstagabend bis Montagmorgen können die Patienten das benötigte Medikament – nach vorgängiger, telefonischer Absprache mit der Apothekerin – im Spital abholen.» Da das Platzangebot im Spitaldepot limitiert ist, gebe es jedoch nur die wichtigsten Notfallmedikamente. «Wenn jemand sein Medikament, das er oder sie täglich einnehmen muss, vergessen hat – zum Beispiel Blutdrucksenker –, kann das Spital leider nicht helfen.» Dann müsse er oder sie warten, bis die Apotheke geöffnet habe oder in die nächste, geöffnete Apotheke fahren.
Personal- und Medikamentenmangel
Während die Apotheke Dr. Kropf die Öffnungszeiten gekürzt hat, um die gewonnene Zeit für das Rüsten von Spitex- und Heimbestellungen nutzen zu können, hat Sabina Glättli momentan das notwendige Personal beisammen. «Die letzten zwei Jahre waren sehr herausfordernd. Ich habe viel Zeit und Energie in die Suche nach geeigneten Fachkräften investiert. Ein Stelleninserat reicht da heutzutage nicht mehr. Die Reputation des Geschäfts spielt eine wichtige Rolle, wie auch die Atmosphäre im Team», betont sie. «Da unsere Apotheke einer Gruppe angeschlossen ist, konnte ich personelle Lücken kurzfristig durch Fachpersonal aus anderen Regionen der Romandie schliessen. Interessant war, dass es immer viel Überzeugungskunst brauchte, um die ‹Aushilfen› ein erstes Mal zu uns in die Berge zu holen. Sobald sie jedoch das Geschäft und die Region kannten, kamen sie immer wieder gerne – trotz der langen Anfahrt. Die schöne Landschaft, die Lebensqualität generell und die angenehmen Kunden hinterliessen einen positiven Eindruck.»
Der Medikamentenmangel stellt die Apotheken ebenfalls vor grosse Herausforderungen. «Bis jetzt haben wir immer eine Lösung gefunden, aber es ist äusserst aufwendig, zeitintensiv und benötigt viel Flexibilität – auch von den Ärzten und Patienten», so Sabina Glättli. Barbara Annen ergänzt: «Zurzeit fehlen in der Schweiz knapp 1000 Arzneimittel. Wir können einen Grossteil der fehlenden Medikamente glücklicherweise über unser grosses Netzwerk beschaffen. Aber die Medikamentenengpässe verschlingen zusätzliche Personalressourcen, die wir eigentlich gar nicht haben. Deshalb hoffen wir sehr, dass die Volksinitiative ‹Ja zur medizinischen Versorgungssicherheit› angenommen wird.»