Auf Tradition bauen und neue Wege einschlagen
03.04.2024 KulturDie Saaner Osterkonzerte sind vom kulturellen Leben im Saanenland nicht mehr wegzudenken. Nach 40 Jahren drängte sich eine Veränderung auf: Neue Impulse geben und den traditionellen Charakter beibehalten. Und das ist heuer bestens gelungen.
LOTTE BRENNER
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Die Saaner Osterkonzerte sind vom kulturellen Leben im Saanenland nicht mehr wegzudenken. Nach 40 Jahren drängte sich eine Veränderung auf: Neue Impulse geben und den traditionellen Charakter beibehalten. Und das ist heuer bestens gelungen.
LOTTE BRENNER
Die letztjährigen Osterkonzerte waren geprägt durch die Auflösung des Mauritius-Chors und die Demission ihres langjährigen Leiters Roland Neuhaus. Die Zusammenarbeit zwischen Chor und Orchester trug jahrelang zu ungebrochenem Erfolg bei und verlieh den Osterkonzerten einen familiär vertrauten Charakter.
Orchesterdirigent Michael S. Bach, der seit Jahren als Nachfolger seines Vaters Markus (Gründer und Organisator) das nun auch schon zur Tradition gewordene Orchester durch die Osterund Altjahrskonzerte führt, und seine Mitstreiter möchten jedoch auch in Zukunft nicht auf die Mitwirkung eines gesanglichen Beitrags verzichten. So wurde vor Weihnachten beschlossen, mit Hilfe eines Inserateaufrufs einen Chor zusammenzustellen – jedoch keine feste Institution, sondern, dem Zeittrend entgegenkommend, eine lockere Gesangsvereinigung ohne weitergehende Verpflichtungen, die auf das Konzert hin probt und sich danach wieder auflöst. Michael Bach kam dabei wohl auch seine Tätigkeit als Musikschulleiter entgegen: Es fanden sich an die 50 Sängerinnen und Sänger und in der Person von Deborah Reber die geeignete Chorleiterin ein. Reber leitet das Chörli Grund und führte vor etwa eineinhalb Jahren «D Bissewiehnacht» auf. Mit dem neu aufgestellten Projektchor erzielte sie in «sechseinhalb» Proben ein erstaunliches Resultat. Laut Michael Bach soll das Projekt weitergehen. Das heisst, für die nächsten Osterkonzerte soll erneut ein Chor zusammengestellt werden. Es ist anzunehmen, dass sich viele Sänger und Sängerinnen wiederum zur Verfügung stellen, analog dem «Orchestra degli Amici», das jahrelang schon mit denselben Musikerinnen und Musikern auftritt. Tradition hat eben auch etwas mit Treue zu tun.
Chorleiterin Deborah Reber dirigiert die drei Gesangsbeiträge. (Fotos: Philippe Chevalier)
Die Botschaft ist angekommen
Im diesjährigen Osterkonzert vom Karfreitag und Karsamstag in der Kirche Saanen kamen denn die drei Chorbeiträge «Here I Am, Lord» von Daniel Schutte, «Distant Land» von John Rutter und «There Is Peace» von Jim Papoulis, eingebettet in das Es-Dur-Trompetenkonzert von Joseph Haydn und die «Reformations-Sinfonie» von Felix Mendelssohn, wunderschön zur Geltung. Die Botschaft der drei gospelartigen Gesänge, vom Orchester grossartig mitillustriert, kam im Publikum an. Der Projektchor sang eindringlich schlicht, stimmlich sehr schön. Was bei einem in solch kurzer Zeit zusammengestellten Chor nicht selbstverständlich ist: Die Frauen- und Männerstimmen waren ausgewogen, der Chor wirkte sicher, die Beteiligten sangen voller Freude.
Das Erfolgsrezept dieses Chorprojekts ist wohl auch die Schlichtheit. Deborah Reber greift nicht nach den Sternen. Es muss kein grosses Oratorium sein, um die Osterbotschaft eindringlich zu überbringen. Mit den drei kurzen Lobgesängen in wunderbarer Instrumentalbegleitung gelang eine überzeugende Darbietung – sauber, musikalisch, Männer- und Frauenstimmen einzeln wie tutti.
Jung – talentiert – musikalisch
Simon Gabriel spielte das Trompetenkonzert in Es-Dur von Joseph Haydn souverän und mit bemerkenswerter Musikalität. Sein Spiel ist sauber und darüber hinaus verfügt der junge Solist über eine reife, musikalische Persönlichkeit. Mit einer differenzierten Tongestaltung kostete er die melodiöse Schönheit des beliebten, bekannten Werks aus. Bemerkenswert, wie ruhig und innig er den zweiten Satz gestaltete und nach einem Hauch von Wehmut freudig keck und in spielerischer Leichtigkeit in den dritten Satz einstimmte.
Der 15-jährige Solist ist Michael Bach schon vor drei Jahren aufgefallen und so holte er dieses Jungtalent nach Saanen. Auffallend intensiv war der Blickkontakt zwischen dem Dirigenten und dem jungen Solisten. Bach dirigierte das Orchester nach den musikalischen Impulsen Gabriels, der den Charakter der Interpretation klar angab.
Nicht nur seiner Jugend wegen, sondern echt virtuos und musikalisch verdient erntete Simon Gabriel einen kaum enden wollenden Applaus.
Simon Gabriel spielte das Trompetenkonzert in Es-Dur von Joseph Haydn souverän und mit bemerkenswerter Musikalität.
Ein fester Glaube
Ein musikalisches Glaubensbekenntnis in der Gestalt von Felix Mendelssohns Sinfonie Nr. 5 in D-Dur, genannt «die Reformation», bildete den Schluss der heurigen Osterkonzerte. Noch einmal konnte sich das Orchester – mit sensiblen Bläsern und Streichern, die sich mit hauchdünner Bogenführung wie temperamentvoll, gefühlsbetont, illustrativ einzubringen verstehen.
Auf einen erregten, lebendigen Aufbruch und leidvolle Momente, folgen schliesslich die Variationen über den Luther-Choral «Ein’ feste Burg ist unser Gott», wunderschön eingeleitet durch den solistischen Flötenpart. Mag das Thema variieren wie es will, an diesen Mauern gibt es nichts zu rütteln.
ZUKUNFTSPLÄNE VON SIMON GABRIEL
Ein kurzer Besuch im Solistenzimmer, brachte etwas mehr über den jungen Trompeter und seine zielstrebigen Aussichten in Erfahrung.
Simons Bruder ging in den Trompetenunterricht, was den Jüngeren der Gabriel-Geschwister sehr beeindruckte – so sehr, dass er darum bat, dieses Instrument ebenfalls erlernen zu dürfen. Der Lehrer seines Bruders nahm ihn auf und entdeckte bald das Talent und die Musikalität von Simon. Ab dem Alter von sechs Jahren übte der Bub nun fleissig. Als Zwölfjähriger trat der junge Trompeter öffentlich auf und beeindruckte dabei Michael Bach.
Simon Gabriel will die Laufbahn eines Berufsmusikers einschlagen. Neben dem Profistudium will er jedoch eine Lehre absolvieren. Die entsprechende Lehrstelle fand er nun im Werkhaus in Sils. Im Lehrvertrag festgehalten ist die Bedingung, dass er dreimal jährlich ein Konzert bestreiten muss. Seine Zukunft sieht Simon nebst der klassischen Ausbildung jedoch vermehrt auch in einer Brass Band. Ebenfalls ein Wunschziel ist die Ausbildung zum Dirigenten. LOTTE BRENNER