Pianist Michael Studer ist verstorben
19.04.2024 RegionDer Thuner Pianist Michael Studer, der zweimal am Gstaad Menuhin Festival aufgetreten ist, ist im Alter von 83 Jahren verstorben. Eine Würdigung.
Am Osterdienstag ist der Pianist Michael Studer im Alter von 83 Jahren gestorben. Nachdem er vor 23 Jahren wegen eines ...
Der Thuner Pianist Michael Studer, der zweimal am Gstaad Menuhin Festival aufgetreten ist, ist im Alter von 83 Jahren verstorben. Eine Würdigung.
Am Osterdienstag ist der Pianist Michael Studer im Alter von 83 Jahren gestorben. Nachdem er vor 23 Jahren wegen eines chronischen Gehörleidens seine Konzerttätigkeit und die Professur an der Solistenklasse des Konservatoriums Bern jäh aufgeben musste, lebte er zurückgezogen und bescheiden in der Berner Altstadt. Im vergangenen Jahr wurde er unheilbar krank und sein Gesundheitszustand verschlechterte sich zusehends, bis er vor Kurzem nach einem Zusammenbruch von allem, was ihm lieb und teuer war, Abschied nahm. Am 2. April schied er mit Exit freiwillig aus dem Leben.
Gefasst und getrost blickte er auf sein ebenso erfolgreiches als auch schicksalsträchtiges, nicht immer leicht ertragbares Leben zurück, nicht ohne Anteilnahme am Leben der hinterbliebenen Familienmitglieder, Freunde und Bekannten. Bis zuletzt verfolgte er den Pianistennachwuchs, der ihm als einst sehr engagiertem Pädagogen bis zuletzt am Herzen lag.
In Thun aufgewachsen, zeigte Studer schon während der Schulzeit Musikalität und Talent. Seine Eltern erkannten dies und unterstützten ihn in seinem Musikstudium. Nach zweijähriger Ausbildung bei der Klavierpädagogin Yvonne Lefébure erlangte er als «Premier nommé» den ersten Preis des Conservatoire National de Paris. Damit war ein wesentlicher Markstein seiner Karriere gelegt. Als Gewinner weiterer international wichtiger Klavierwettbewerbe konnte er in seiner Heimat 1981 als erster Preisträger den Kulturpreis der Stadt Thun entgegennehmen. Seine Konzertreisen führten ihn in die grossen Konzertsäle Europas und an Musikfestivals wie das von Yehudi Menuhin in Gstaad und Tibor Varga in Sion sowie die Schlosskonzerte Thun. Und seine Verbundenheit zur Literatur zeigt sich in einer LP-Einspielung bei Jecklin, mit Melodramen (Strauss, Nietzsche und Liszt), die er mit seinem künstlerischen Partner, dem Sprecher Gert Westphal, gestaltete. Zudem trat er 1981 im Rahmen einer Schumanniana an einer Matinée am Zürcher Schauspielhaus mit der Schauspielerin Maria Becker auf.
Was Michael Studers Klavierspiel ausmachte, war seine tiefe, sensible Musikalität – die schlichte Klarheit, ohne Affektiertheit. Technisch souverän, interpretierte er erzählend und innig nachempfunden Klavierwerke grosser Komponisten. Besondere Zuneigung zeigte er gegenüber den Impressionisten Ravel und Debussy. Nie ging es bei Studers Ehrgeiz um Ruhm – immer nur darum, wunderschöne Musik zu machen und seinem Instrument das Bestmöglichste zu entlocken. Und diese Schlichtheit prägte Michael Studer nicht nur als Musiker, sondern auch als Mensch.
Als seine Karriere 2001 aus gesundheitlichen Gründen jäh abbrach, klaffte plötzlich eine grosse Lücke, die Studer allerdings mit vielen Ersatztätigkeiten auszufüllen versuchte. Er klagte nie über sein Schicksal, bemerkte jedoch: «Alles, was ich gern tat, kann ich nun nicht mehr tun.» Allerdings lebte er schon in seiner Jugend nebst dem Klavierstudium abwechslungsreich. So holte er nun seine alten Hobbys hervor. Anfänglich waren dies auch sportliche Betätigungen wie das Skifahren und Schwimmen, später dann immer mehr das Kulturelle wie Schreiben, Lesen und Fotografieren. Zu seinen beiden Geschwistern Regina und Christoph sowie Verwandten, Angehörigen, Freunden und einigen seiner ehemaligen Absolvent:innen der Solistenklasse des Konservatoriums Bern pflegte er regelmässigen Kontakt. Doch weil er wegen seines Gehörleidens nur noch wenige Personen um sich herum ertrug und er sich vermehrt in seine Wohnung zurückzog, verkleinerte sich der einst umfangreiche Freundeskreis.
Wertvoll in Erinnerung bleiben gute Gespräche über Literatur und Musik. Studer war nicht nur im Bereich der Musik sehr bewandert, sondern allgemein kulturell. Bis zuletzt blieb er dem Schönen und Edlen verbunden.
LOTTE BRENNER