Siegfried Kuhn war von 1959 bis 1995 Pressefotograf für diverse Zeitschriften, Magazine und Zeitungen. Jeden Winter ging er in Gstaad auf «Promijagd». Jetzt erschien sein Buch über seine Arbeit. Es ist nicht nur eine Fotografenautobiografie, sondern zugleich auch ...
Siegfried Kuhn war von 1959 bis 1995 Pressefotograf für diverse Zeitschriften, Magazine und Zeitungen. Jeden Winter ging er in Gstaad auf «Promijagd». Jetzt erschien sein Buch über seine Arbeit. Es ist nicht nur eine Fotografenautobiografie, sondern zugleich auch eine fotohistorische Informationsquelle einer vergangenen Epoche.
KEREM S. MAURER
Im Buch mit dem Titel «Siegfried Kuhn – Pressefotograf 1959–1995» widmet der Autor das Kapitel «Gstaad und Prominenz» seiner Arbeit in Gstaad. Der 1931 Geborene erzählt von seinen Einsätzen und Erlebnissen mit prominenten Persönlichkeiten aus aller Welt, die er in Gstaad getroffen und fotografiert hat. Und er hatte sie alle vor der Kamera: Königin Juliana von Holland, Fürst Rainier mit Grace Kelly und der ganzen monegassischen Fürstenfamilie, den Schah von Persien, Willy Brandt, die amerikanische Flötistin Elaine Schaffer, den amerikanischen Senator Edward Kennedy, den deutschen Fussballer Günther Netzer und nicht zuletzt auch Liz Taylor, Richard Burton, Brigitte Bardot, Gunter Sachs, Roger Moore, Curd Jürgens und und und.
Vorteile als «eingeheirateter Einheimischer»
«Die Wochen über die Festtage verbrachten meine Frau Maja und ich immer im winterlichen Gstaad. Ferien waren es allerdings keine, im Gegenteil: Frühmorgens gings los auf Promijagd, den ganzen Tag war ich auf der Pirsch und oft bis spät in die Nacht unterwegs. Eine Erleichterung war, dass wir bei den Eltern meiner Frau Maja, einer gebürtigen Gstaaderin, wohnen konnten», schreibt Kuhn in seinem Buch und erklärt, dass er als «eingeheirateter Einheimischer» von vielen Beziehungen und Bekanntschaften profitierte. «Ein Netz, das mir gegenüber den Paparazzi oft einen Vorteil bot. Gleichzeitig verhalf mir dies auch zu einem unverkrampften Umgang mit den Reichen und Berühmten.» Kuhns Geschichten und Anekdoten erzählen unterhaltsam, spannend, oft auch witzig und überraschend, wie seine Fotos entstanden sind. So war zum Beispiel Roger Moore bereit, sich beim Melken einer Kuh ablichten zu lassen. Der Bond-Darsteller, der sich von Maja Kuhn in seinem Auto an das Fotoset lotsen liess, überraschte alle mit seinem Können: Er hatte schon als Kind auf der Farm seines Onkels melken gelernt.
Die Leute sind nicht mehr dieselben
Woher wusste Siegfried Kuhn eigentlich, wer sich wann wo aufhielt? In einem Telefongespräch mit dieser Zeitung erzählte der pensionierte Pressefotograf, dass insbesondere das Gstaad Palace und das Park Gstaad sehr verschwiegen und diskret waren. «Von denen habe ich nie einen Tipp bekommen. Hilfreicher waren die Taxifahrer, Hedi Donizetti vom Hotel Olden und die Skilehrer», sagte Siegfried Kuhn mit Schalk in der Stimme. Auch der Schönrieder Hotelier Fredy von Siebenthal vom Hotel Alpenrose habe ihn manchmal bei sich ins Hotel gelassen, wo sonst keine Paparazzi Zutritt hatten. Einmal, so erzählte er, habe das Hotel Palace eine Soirée mit vielen Berühmtheiten gefeiert. Siegfried Kuhn war mit anderen Fotografen dazu eingeladen. Einer der Paparazzi habe allerdings keine passende Kleidung gehabt. «Ernst Scherz hat dem Kollegen einen Smoking gebracht, damit er eintreten und seinen Job machen konnte», erinnert sich Kuhn. Das waren noch Zeiten. Das Gstaad der 50er-, 60er- und 70er-Jahre hatte ein ganz anderes Flair als das heutige, resümiert er. Damals habe er die Promis vor den Hotels getroffen, wenn sie morgens ihre Ski auf die Autos schnallten – lange bevor Gstaad autofrei wurde. «Damals war es ein einziges Promitreffen im Winter. Heute ist das nicht mehr so. Die Leute sind nicht mehr dieselben», so Kuhn.
Bundeshaus, WM und Olympische Spiele
Berühmtheiten aus Politik, Sport und Kultur zählten zu Siegfried Kuhns Motiven, aber auch das Leben einfacher Leute, von Originalen und Aussenseitern. Gstaad war nur ein sehr kleiner Teil der Arbeit von Siegfried Kuhn. «Ich habe oft im Bundeshaus gearbeitet und war natürlich an allen grossen Sportveranstaltungen, von Weltmeisterschaften über Olympische Spiele bis zu nationalen Grossanlässen», berichtet Kuhn, der schon seit einigen Jahren nicht mehr nach Gstaad kommt, sich aber immer gerne an Gstaads goldene Zeiten erinnert.
DAS BUCH
Mehr als drei Jahrzehnte lang war Siegfried Kuhn als Fotograf für die traditionsreichste Zeitschrift «Schweizer Illustrierte» unterwegs. Anhand von Fotos, Reportagen und vielen wichtigen Dokumenten erzählt Kuhn gegen hundert Geschichten aus der Perspektive hinter der Kamera. Fotos, die auf den Titelblättern und in Reportagen erschienen, stehen neben solchen, die es nicht in den Druck schafften. Neben einer fotomedialen Schau- und einem Leseerlebnis, ist dieses Buch eine fotohistorische Informationsquelle einer vergangenen Epoche, für die Monografien noch rar sind. Das Buch gibt einen erfrischenden Einblick in die Entstehung von Pressefotografien und ihren Weg in die Zeitschriften und macht den Reporteralltag zwischen Sensation und Routine erlebbar, oft geprägt vom stundenlangen Warten bis zum entscheidenden Klick.
Herausgeber: Fotobüro Bern, erschienen 2022 im Verlag Scheidegger & Spiess AG, Zürich. Über 400 Seiten
ISBN: 978-3-03942-041-4