Die Mieten werden wohl noch einmal teurer

  07.12.2023 Politik

Mit dem Referenzzinssatz steigen und fallen in der Schweiz die Mieten. Ausgerechnet in Zeiten, in denen ohnehin schon alles teurer wird, steigt er schon zum zweiten Mal in diesem Jahr. Auch in Saanen dürften deshalb die Mieten schon bald (noch) teurer werden.

KEREM S. MAURER
Seit seiner ersten Gültigkeit ab dem 10. September 2008 – damals lag er bei 3,5 Prozentpunkten – ist der hypothekarische Referenzzinssatz während 15 Jahren stetig gesunken, bis er am 3. März 2020 mit 1,25 Prozentpunkten seinen bisherigen Tiefststand erreichte. Auf diesem Wert stagnierte er bis am 2. Juni 2023, dann wurde er zum ersten Mal seit seinem Bestehen um einen Viertel Prozentpunkt auf 1,5 Prozente angehoben. Und ganz aktuell hat das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) am 1. Dezember eine weitere Erhöhung um einen Viertel Prozentpunkt auf 1,75 Punkte bekannt gegeben (siehe Grafik).

Damit dürften für viele Mieterinnen und Mieter die Mietzinse zum zweiten Mal innerhalb von nur einem Jahr teurer werden. Und dies zusätzlich zur Teuerung. Denn laut der im September 2023 veröffentlichten Prognose des Schweizer Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) sollen die Konsumentenpreise in der Schweiz im kommenden Jahr um 1,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr steigen. Das Leben wird immer teurer – auch im Saanenland.

Gemeinde muss Mieten erhöhen
Bezahlbarer Wohnraum ist im Saanenland ein rares Gut. Die Gemeinde Saanen bemüht sich seit Längerem – mit eher bescheidenem Erfolg –, solchen zu schaffen und dürfte im Zug der Wohnbaustrategie noch weiter in die Pflicht genommen werden. Vor diesem Hintergrund drängt sich die Frage auf, weshalb ausgerechnet diese Gemeinde, welche an den Gemeindeversammlungen regelmässig einen Millionenüberschuss aufweist, die Mietzinse aufgrund des steigenden Referenzzinssatzes noch weiter erhöht? Kaspar Westemeier, Fachleiter Liegenschaften in der Einwohnergemeinde Saanen, hält fest, dass sich der Grossteil der gemeindeeigenen Mietwohnungen in Liegenschaften befänden, die zum Finanzvermögen der Gemeinde gehörten. «Die Gemeinde ist von Gesetzes wegen dazu verpflichtet, diese Mietwohnungen kostendeckend zu bewirtschaften. Daher ist es nicht relevant, wie die Gemeinde daneben finanziell dasteht.» Und er führt den Gedanken weiter: Im Endeffekt hiesse dies, dass die Gemeinde dank guten Steuererträgen die Liegenschaften nicht mehr kostendeckend bewirtschafte, was zu einer Subventionierung von Mietwohnungen führe. Dies wäre kaum im Interesse der Steuerzahler. «Wichtig ist, dass die Gemeinde Saanen die Mietzinse ohne gesetzlich zulässigen Renditezuschlag kalkuliert. Somit wird dem Prinzip der Kostendeckung in beiden Richtungen Rechnung getragen», so Westemeier.

Und wenn der Referenzzinssatz wieder sinkt?
Dass Mieten automatisch teurer werden, sobald der Referenzzinssatz steigt, haben viele im eigenen Portemonnaie erfahren. Aber wie ist es, wenn der Referenzzinssatz wieder fällt? Werden dann die Mieten auch automatisch günstiger? Viele Mieter:innen sagen Nein, eine Mietzinsreduktion müsse mit einem Herabsetzungsbegehren ausdrücklich verlangt werden. Westemeier hält dagegen: «Seit 2012 hat die Gemeinde die Mietzinse nach dem gesetzlich anerkannten Modus bei jeder Veränderung des Referenzzinssatzes automatisch angepasst.» Er betont, dass die Mieter nicht von sich aus ein Herabsetzungsbegehren stellen mussten. Und daher sei es aus Sicht der Gemeinde logisch, dass die Mieten mit dem aktuellen, erneuten Anheben des Referenzzinssatzes auch weiter erhöht werden müssen, selbst wenn dies zweimal kurz hintereinander erfolge. Und sollte der Referenzzinssatz sinken, gingen auch die Mieten automatisch runter, denn «die Gemeinde hat gar keine Wahl: Einerseits muss sie sich an das Kostendeckungsprinzip halten und entsprechend auf die Referenzzinssatzerhöhungen reagieren und andererseits muss sie allfälligen Mietzinsherabsetzungsbegehren von Mietern stattgeben, wenn sie nicht von selbst auf Referenzzinssatzsenkungen reagiert», so Westemeier. Es sei festzuhalten, dass sich die Gemeinde Saanen hinsichtlich der Mietgestaltung an das Prinzip der Kostenmiete halte, wie es das Mietrecht vorsehe. Dieses lasse zwar laut Westemeier eine gewisse Rendite zu. Allerdings schützt das Obligationenrecht (OR) in Artikel 269 vor missbräuchlichen Mieten. Dort heisst es: «Mietzinse sind missbräuchlich, wenn damit ein übersetzter Ertrag aus der Mietsache erzielt wird oder wenn sie auf einem offensichtlich übersetzten Kaufpreis beruhen».

Der «Rüegg-Fonds» für Mietzinsverbilligung
Mieterinnen und Mieter, die wegen Mietzinserhöhungen in finanzielle Schieflage geraten, haben die Möglichkeit, via das «Legat Rüegg-Honegger für Mietzinsverbilligungen für Ortsansässige» eine Mietzinsreduktion zu bekommen. Die Mittel dieser Spezialfinanzierung, die im Volksmund «Rüegg-Fonds» genannt wird, sind gemäss Reglement «zur Verbilligung von Wohnraum für Ortsansässige auf dem Gebiet der Gemeinde Saanen bestimmt». Diese Mittel können entweder zur teilweisen Finanzierung von Wohnbauten oder zur Mietzinsverbilligung von Wohnungen der Einwohnergemeinde Saanen, der Wohnbau Kranich AG sowie des Cottierstifts der Landschaft Saanen eingesetzt werden. Nicht berechtigt sind kinderlose Konkubinatspaare und Wohngemeinschaften von Erwachsenen. Massgebend für die Berechnung einer allfälligen Mietzinsreduktion sind das steuerbare Einkommen, das vorhandene Vermögen sowie die Anzahl Kinder bis 25 Jahre, sofern diese in Ausbildung sind. «Daraus wird das massgebliche Einkommen berechnet, welches für etwaige Mietzinsverbilligungen bis maximal 25 Prozent des Nettomietzinses – also Bruttomietzins minus Nebenkosten – berechtigt ist», führt der Leiter Liegenschaften der Gemeinde Saanen aus. Diese Mietzinsverbilligung müsse jedes Jahr anhand der aktuellen Daten neu beantragt und berechnet werden. Im Jahr 2023 seien rund 25 der infrage kommenden 160 Mietverhältnisse auf diese Art verbilligt worden.

Alte Mietverträge
Leser:innen dieser Zeitung haben darauf hingewiesen, dass die Gemeinde Saanen offenbar noch mit alten Mietverträgen arbeite, die nur zweimal im Jahr, nämlich zu den offiziellen Zügelterminen im Frühling und im Herbst, kündbar seien. Neue Mietverträge könnten dagegen unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist auf das Ende jeden Monats ausser Dezember gekündigt werden. Nein, Saanen arbeite nicht grundsätzlich mit alten Verträgen, korrigiert Kaspar Westemeier. «Seit 2020 schliessen wir Mietverträge mit dreimonatiger Kündigungsfrist auf das Ende jeden Monats ausser Dezember ab.» Ältere Mietverträge seien allerdings aus praktischen Gründen nicht angepasst worden, aber: «In der Regel sind wir bezüglich der Kündigungstermine entgegenkommend und akzeptieren auch ausserterminliche Kündigungen.»


WAS IST DER REFERENZZINSSATZ?

Für die Ermittlung eines Mietzinses auf Häuser oder Wohnungen gilt seit dem 10. September 2008 nicht mehr der Hypothekarzinssatz der regionalen Kantonalbanken, sondern der vom Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) definierte Referenzzinssatz. Dieser errechnet sich aus einem Durchschnittszinssatz aller in der Schweiz vergebenen Hypotheken, wobei darin auch eine Vielzahl von Festhypotheken enthalten ist. Das heisst, der Referenzzinssatz entwickelt sich immer etwas verzögert im Vergleich zu den aktuellen Marktzinsen. Dies kann je nachdem ein Vor- oder Nachteil für die Mieter:innen sein. Der Referenzzinssatz wird vierteljährlich neu ermittelt und wird jeweils auf den nächsten Viertelprozentsatz gerundet.


BUNDESRAT PLANT MIETZINSDÄMPFENDE MASSNAHMEN

Der Bundesrat befasste sich am 22. November 2023 mit der Problematik der steigenden Mietzinsen und beschloss mit gezielten, kurzfristig umsetzbaren Massnahmen einen Beitrag zu leisten, um diese Entwicklung etwas zu dämpfen. Das Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) wurde beauftragt, eine entsprechende Vernehmlassungsvorlage für eine Verordnungsrevision vorzubereiten. Zudem soll wissenschaftlich überprüft werden, ob das geltende Modell für Mietzinsanpassungen noch zeitgemäss ist. Die Massnahmen sollen die Transparenz auf dem Wohnungsmarkt erhöhen, ohne übermässig in die Vertragsverhältnisse einzugreifen oder Investitionen in das Wohnungsangebot zu hemmen. Sie sind deshalb auf Ebene der Verordnung über Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen (VMWG) angesiedelt und enthalten folgende Punkte:

• Der Satz für den Teuerungsausgleich auf dem Eigenkapital soll von bisher 40 Prozent auf den Wert gemäss Mietzinsmodell (28 Prozent) reduziert werden (Art. 16 VMWG).

• Die pauschale Weitergabe der allgemeinen Kostensteigerungen soll nicht mehr zulässig sein, sondern es muss das effektive Ausmass nachgewiesen werden (Artikel 12 VMWG).

• Das Formular für die Mitteilung des Anfangsmietzinses soll um den zuletzt und neu geltenden Stand des Referenzzinssatzes und der Teuerung ergänzt werden (Artikel 19 Absatz 3 VMWG).

• Das Formular für die Mitteilung von Mietzinserhöhungen soll um einen Hinweis ergänzt werden, dass bei der Anfechtung von Mietzinserhöhungen auch absolute Kostenkriterien wie ein übersetzter Ertrag oder die Orts- und Quartierüblichkeit vorgebracht werden können (Artikel 19 Absatz 1 VMWG).

Für diese Verordnungsanpassungen ist im kommenden Sommer eine Vernehmlassung geplant.

www.bwo.admin.ch


UM WIE VIEL DÜRFEN DIE MIETEN STEIGEN?

Der im Vergleich zum Vorquartal um einen Viertel Prozentpunkt gestiegene Referenzzinssatz ergibt für die Vermietenden gemäss Mietrecht ein Erhöhungsanspruch des Mietzinses im Umfang von 3 Prozent. Dies aber nur, falls der aktuelle Mietzins auf dem bisherigen, seit 2. Juni 2023 geltenden Referenzzinssatz von 1,5 Prozent basiert. Falls er auf 1,25 Prozent basiert, ergibt sich ein grösserer Erhöhungsanspruch.

Wenn der Mietzins dagegen noch auf einem Referenzzinssatz von 1,75 Prozent beruht, ist eine Mietzinserhöhung aufgrund des Referenzzinssatzes nicht zulässig. Basiert der Mietzins gar auf einem noch älteren Satz von 2 Prozent oder höher, besteht grundsätzlich weiterhin ein Senkungsanspruch. Meistens gibt der Mietvertrag oder die letzte Anzeige der Mietzinsanpassung Auskunft über die Höhe des Referenzzinssatzes, welcher dem aktuellen Mietzins zugrunde liegt.

www.admin.ch

 

 


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