Saaner Komposition schafft es nach New York
13.07.2023 KulturDie Geigerin und Komponistin Agata-Maria Raatz hat mit «Cremona-Virus» den ersten Preis in der Kategorie Komposition der Manhattan International Music Competition gewonnen. Am 15. Juli wird sie das Stück für Sologeige wie auch «Fire Dance», ihre Bearbeitung ...
Die Geigerin und Komponistin Agata-Maria Raatz hat mit «Cremona-Virus» den ersten Preis in der Kategorie Komposition der Manhattan International Music Competition gewonnen. Am 15. Juli wird sie das Stück für Sologeige wie auch «Fire Dance», ihre Bearbeitung des 7. Geigenkonzerts von Gra˙zyna Bacewicz mit Klavier anstatt Orchester, am Siegerkonzert in der Carnegie Hall aufführen.
ÇETIN KÖKSAL
Die Manhattan International Competition ist ein Onlinewettbewerb und wurde dieses Jahr zum siebten Mal durchgeführt. Die Kandidaten aus den verschiedenen Kategorien müssen also nicht persönlich anreisen, stattdessen präsentieren sie sich mit einem Video und – in der Kategorie Komposition – mit den Partituren, welche von der Jury bewertet werden. Heuer haben sich so viele Kandidaten um einen der begehrten Preise beworben, dass die Organisatoren die Auswertungszeit um zwei Tage verlängern mussten. Agata-Maria Raatz hat das Video, in welchem sie «Cremona-Virus» spielt, die entsprechenden Noten wie auch ihren «Leistungsausweis» als Geigerin/Komponistin abgeschickt, ohne ernsthaft damit zu rechnen, dass ihr Traum in Erfüllung gehen könnte: «Als ich Bescheid bekam, war ich wirklich positiv überrascht und konnte es kaum fassen.» Jeder Solist der klassischen Musik möchte einmal in der Carnegie Hall in New York auftreten. Was für Tennisprofis Wimbledon ist, ist für Instrumentalisten, Dirigenten und Sänger die legendäre Carnegie Hall, wo so manche Weltkarriere begann und endete.
Wer ist Clara Jaz?
Es war der Name ihrer Ururgrossmutter, der die damals junge Solistin Agata-Maria Raatz zum Künstlernamen Clara Jaz inspirierte. «Jas mit weichem S, nicht Jazz!», erklärt sie die korrekte Aussprache. Als begabte Geigerin schon in jungen Jahren zu einer gewissen Bekanntheit gekommen, wollte sie ihre Kompositionen nicht auch noch unter dem eigenen Namen veröffentlichen, womöglich auch deshalb, weil ihr ganz am Anfang ihrer «Kompositionskarriere» Misstrauen widerfuhr. Agata-Maria Raatz erinnert sich, dass sie mit ca. sieben Jahren spielerisch für sich allein angefangen hat, die Musik in ihrem Kopf auf der Geige zu spielen. Wenn sie gefragt wurde, von wem das Stück sei, antwortete sie frei von der Leber weg: «Von mir.» Für sie war das nichts Besonderes, denn sie dachte damals, dass alle Kinder, ja alle Menschen wie sie Musik im Kopf hätten. Einige Reaktionen der Erwachsenen waren dann jedoch unverständlich für das Mädchen, da man sie der Lüge bezichtigte und sie darüber belehrte, dass sie nicht einfach so Kompositionen von anderen stehlen dürfe. Klein Agata hörte also mit dem Komponieren auf, bis sie zur jungen Frau herangewachsen war und im Studium – mit dem «handwerklichen» Rüstzeug gewappnet – wiederum einen Versuch startete. Abgeschirmt von Clara Jaz konnte sie sich nun freier entfalten und ausdrücken, was bis heute 21 Kompositionen hervorbrachte.
«Cremona-Virus» aus Saanen …
Opus 21, ihr neustes Stück, wurde von der Geigenbauerin Katharina Abbühl aus Cremona während der Coronapandemie in Auftrag gegeben. Geigerin Raatz und Geigenbauerin Abbühl lernten sich zufällig kennen, als ein Instrument professionelle Hilfe benötigte. Die Komposition «Cremona-Virus» (Opus 21) sollte als freudiges Gegenstück zum damals gerade in Norditalien schlimm wütenden Coronavirus, die Jahrhunderte alte Tradition und Infizierung der Stadt Cremona mit der Kunst des Geigenbaus ausdrücken. Entsprechend hat Komponistin Raatz bzw. Jaz ihrem Instrument ungekannte Klänge entlockt. Entstanden ist «Cremona-Virus» zum grössten Teil in Saanen, das die Musikerin regelmässig besucht. «In Bern, wo ich wohne, erledige ich Korrekturen oder Anpassungen, doch die Inspiration für meine Stücke habe ich meistens im Saanenland. Saanen ist mein Kraftort – warum ist schwer zu definieren. Die liebliche Landschaft, die gute Luft, die Ruhe und viele weitere Faktoren versetzen mich in einen Zustand des kreativen Fliessens.» Auch Auftraggeberin Abbühl hat Wurzeln in der Region. Ihre Grossmutter Maria Magdalena Bach aus dem Chalberhöni war die Schwester des Johann Sebastian Bach (nicht der Komponist!), der als Butler für Liz Taylor arbeitete.
Ob Opus 22 wiederum hier bei uns den Weg vom Kopf von Clara Jaz auf das Notenpapier finden wird?