Schonende Bergung eines verletzten oder abgestürzten Tieres
12.09.2023 ZweisimmenEin gekippter Anhänger mit einem Pferd darin war das Übungsszenario für die Grosstierrettung in Zweisimmen Ende August. Ziel war eine möglichst schonende Bergung des Tiers, ohne die Retter zu gefährden.
Die Grosstierrettung (GTR) hat das Ziel, ein ...
Ein gekippter Anhänger mit einem Pferd darin war das Übungsszenario für die Grosstierrettung in Zweisimmen Ende August. Ziel war eine möglichst schonende Bergung des Tiers, ohne die Retter zu gefährden.
Die Grosstierrettung (GTR) hat das Ziel, ein Tier möglichst tiergerecht und schonend zu bergen. Darum arbeiten bei einer Bergung in der Regel der Tierbesitzer, der Sonderstützpunkt GTR, die Ortsfeuerwehr und ein Tierarzt zusammen. Damit das Tier keinem unnötigen, zusätzlichen Stress ausgesetzt wird, sind nur so viele Personen wie nötig auf den Schadenplatz aufzubieten.
Unfallsituation der Übung
Bei der Übung vom 30. August war der Pferdeanhänger eines Fahrzeugs während der Fahrt umgekippt. Im Anhänger war ein Pferd (ein Dummy) geladen, das nun auf der Seite lag und geborgen werden musste. Das Tier ist sehr aufgeregt, versucht immer wieder aufzustehen, was natürlich nicht geht. Der Fahrer hat zur Bergung des Tieres die Feuerwehr angerufen. Die Notrufzentrale alarmiert dann die Ortsfeuerwehr sowie den Sonderstützpunkt GTR Zweisimmen.
Wie bei jedem anderen Feuerwehreinsatz auch, wird die Unfallstelle zuerst gesichert. Der Anhänger und das Fahrzeug werden fixiert, damit sie nicht den Abhang hinunter rutschen können. Danach kümmert man sich um das Tier. Es ist ganz klar, dass bei so einem Unfall auch ein Tierarzt hinzugezogen wird. Er kann die Verfassung des Tieres am besten beurteilen und das Tier – wenn nötig – auch sedieren. Bei einem Pferd ist die Sedierung fast zwingend, denn ohne kann sehr schlecht am Tier gearbeitet werden. Denn es reagiert voller Angst und hat auch viel zu viel Kraft. Doch es beruhigt sich sehr schnell, wenn ihm die Sicht genommen wird. Darum legt man zuerst eine Decke über den Kopf des Tieres. Ein liegendes Pferd kann nicht aufstehen, ohne den Kopf zu heben. Daher muss sein Kopf am Boden fixiert werden, damit sich das Pferd nicht bewegt.
Tier wird mit einem Netz geborgen
Anschliessend geht es darum, das Pferd aus dem Anhänger zu befreien. Dies ist am einfachsten, wenn beim Anhänger das Dach entfernt wird. Das Öffnen der Heckklappe ist eher gefährlich, da das Pferd ausschlagen könnte. Ebenso wird der Anhänger mit einer geöffneten Klappe instabiler.
Mit einer Säbelsäge wird das Anhängerdach aufgesägt und vom Anhänger entfernt. Durch den Lärm wird das Tier wieder nervös und muss entsprechend beruhigt oder sediert werden.
Nach der Dachentfernung kann das Pferd seitwärts nach oben aus dem Anhänger gezogen werden. Damit die Helfer besser zum Tier kommen, wird die Trennwand im Anhänger ebenfalls entfernt. Danach wird ein Netz unter das Pferd gelegt. Ein betäubtes Pferd sollte nie auf den Rücken gelegt werden, weil sich sonst der Magen drehen kann, was lebensbedrohlich ist.
Es ist darauf zu achten, dass beim Fixieren mit Seilen die Stricke nicht am Hals vorbei laufen. Sonst ist die Gefahr gross, dass die Halsschlagader oder die Luftröhre abgedrückt wird. Ein verunfalltes Pferd hat durch die Aufregung sehr viel Adrenalin im Blut, es ist daher gut möglich, dass es trotz Betäubung noch sehr viel Kraft entwickeln kann.
Wenn das Tier sicher im Netz liegt, kann es mit einem Kran vorsichtig aus dem Anhänger gezogen werden. Ist das Tier geborgen, wird auch der Anhänger mit dem Kran wieder aufgestellt. Der Tierarzt entscheidet in Absprache mit dem Besitzer, welche Behandlung das Tier nach der Rettung noch benötigt und ob es transportfähig ist.
Wer ist ein guter Grosstierretter?
Voraussetzung für die Grosstierrettung ist, dass die Person die Grundkurse der Feuerwehr besucht haben muss und Atemschutzträger sein muss, denn wenn ein Tier in eine Güllegrube fällt, kann nur mit Atemschutzmaske und Ganzkörperanzug gearbeitet werden.
Ein Grosstierretter sollte keine Angst vor Tieren haben. Auch Zimmermänner sind sehr gut geeignet für die Tierrettung, weil sie bei Bauten sehr schnell und gut erkennen können, wo etwas festgemacht werden oder eine Öffnung geschaffen werden kann.
Patrick Schmid ist der Chef der Grosstierrettung und hat durch seinen Beruf als Besamungstechniker natürlich den Vorteil, dass er die vielen, zum Teil auch kleineren Ställe in Weiden oder Vorschessi im Obersimmental und Saanenland gut kennt und auch findet. «Wir sind ein kleines Team aus fünf Personen mit verschiedenen Fähigkeiten und Erfahrungen», erklärte er die Zusammensetzung seines Teams.
FABIAN KOPP/SIMMENTAL ZEITUNG
WANN MUSS DIE TIERRETTUNG GERUFEN WERDEN?
Fällt ein Tier in eine Güllegrube, so ist dies ein typischer Fall für die Grosstierrettung. Erstens wegen der gefährlichen Gase und zweitens, weil das Tier aus der Grube gehoben werden muss.
Generell kann gesagt werden, dass beim Heben eines grösseren Tieres die Tierrettung aufgeboten werden sollte. «Kurzfristig und als Sofortmassnahme können Seile und Bänder zur Sicherung des Tiers genutzt werden. Zum An- und Herausheben von Tieren sollten aber die dafür konstruierten Netze (horizontale und vertikale Bergung) genutzt werden», erklärt Patrick Schmid. Die Tierrettung verwendet zum Heben immer ein Netz, damit das Tier möglichst schonend und tierschutzgemäss geborgen werden kann. Im Unterland wird die Tierrettung häufig auch zu Sumpfgebieten gerufen, wenn Tiere stecken bleiben.
Sobald bei einem Notruf bei der Feuerwehr ein Tier zur Sprache kommt, wird ebenfalls (automatisch) die Grosstierrettung aufgeboten, zum Beispiel bei einem Autounfall mit Tieren.
Bei der Tierrettung hilft auch die Ortsfeuerwehr mit. Denn es muss nicht nur das Tier gerettet, sondern auch die Unfallstelle abgesichert, Material besorgt oder Personen betreut werden. Ebenso wird ein Tierarzt hinzugezogen, der den Zustand des Tiers beurteilt. Falls nötig, bietet die Feuerwehr einen Kran auf, der bei der Bergung hilft.
Die Grosstierrettung kann über die Nummer 118 alarmiert werden.