Schritt für Schritt zur nachhaltigen Destination
14.04.2025 TourismusIm Rahmen der 8. Sitzung des Destinationsrats Gstaad am 9. April informierten wichtige touristische Akteure über Neuigkeiten aus der Destination. Der Trendforscher Dr. David Bosshart war als Redner zum Thema «Tourismus im neuen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen ...
Im Rahmen der 8. Sitzung des Destinationsrats Gstaad am 9. April informierten wichtige touristische Akteure über Neuigkeiten aus der Destination. Der Trendforscher Dr. David Bosshart war als Redner zum Thema «Tourismus im neuen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umfeld» eingeladen.
SONJA WOLF
Sonnenschein im Tal, aber dichte Nebelsuppe und Schneefall empfingen die Teilnehmenden am Berg. Rund 40 Leistungsträger aus der ganzen Destination Gstaad versammelten sich vergangene Woche im Sitzungssaal des Restaurants Botta auf knapp 3000 Metern Höhe, um gemeinsam auf die aktuellen Ereignisse in der Destination Gstaad sowie auf deren künftige Herausforderungen zu blicken. Am 8. Destinationsrats-Meeting ging es hauptsächlich um Informationsvermittlung. Ein aktiver Austausch mit allen Leistungsträgern im Workshop-Format ist erst wieder für die nächste Sitzung im Herbst vorgesehen.
Auf dem Weg zur «Swisstainable Destination»
Patrick Bauer, Leiter Destinationsentwicklung & Nachhaltigkeit GST, gab den Leistungsträgern ein Update über die nachhaltige Entwicklung der Destination Gstaad. Demnach verfolgt die Ferienregion das Ziel, sich als «Swisstainable Destination» zu positionieren – also als nachhaltige Reisedestination, die Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft in Einklang bringt. So ist es auch in der Tourismusstrategie 2025+ und in der Standortstrategie der Gemeinde Saanen verankert. «Eine nachhaltige Destination bedeutet, dass sich eine Region weiterentwickelt, ohne ihre natürlichen Ressourcen zu erschöpfen», erklärte Bauer. Zunächst seien einzelne Betriebe zertifiziert worden, nun aber arbeite die gesamte Region auf eine offizielle Anerkennung als «Swisstainable Destination» hin.
Messbare Fortschritte
Das Tool «TourCert» – ein international anerkanntes Zertifizierungssystem – wurde gewählt, um dabei zu helfen, die Fortschritte messbar und vergleichbar zu machen. Professor Urs Wagenseil von der Hochschule Luzern fungiert als externer Coach, was TourCert anbelangt. Die Umsetzung sei ein gemeinschaftlicher Kraftakt: «Der Destinationsrat fungiert nun auch als Nachhaltigkeitsrat, denn die Zertifizierung braucht ein breites Gremium», erklärte Wagenseil. Unterstützt wird der Destinations-/Nachhaltigkeitsrat von einem Projektteam unter der Leitung von Flurin Riedi und einem GST-Team für die praktische Umsetzung.
Wie Bauer weiter berichtete, engagieren sich bereits 95 Betriebe im Bereich Nachhaltigkeit, darunter alleine 72 Ferienwohnungen der Smiling House AG, aber auch Hotels, die Glacier 3000 AG, die Bergbahnen Destination Gstaad und Transportunternehmen wie die MOB oder die Postauto AG. Weitere Betriebe könnten sich unkompliziert registrieren und das Einstiegslevel des Programms (Level eins von drei) mit relativ geringem Aufwand erreichen.
Ein erstes Etappenziel
Ein wichtiges erstes Etappenziel ist die offizielle Auszeichnung unserer Ferienregion als «Swisstainable Destination» an der Hauptversammlung GST am 17. Juni. «Die Auszeichnung ist freilich nur ein Teilziel, die Nachhaltigkeit muss dann weiterhin glaubhaft gelebt werden», bekräftigt Patrick Bauer. Ganz im Sinne von Hauptredner David Bosshart: «Nachhaltigkeit kann man nicht kaufen, nur sich erarbeiten.» (Siehe Text unten).
Ein neuer Herbstevent
Tourismusdirektor Flurin Riedi präsentierte mehrere Events, die zur Stärkung des Vorsommers und des Herbstes dienen werden. Interessant ist dabei der Trail Run Event «Grand Raid Sherpa» in diesem Herbst. Dieser Event fand vorher in Les Diablerets mit 1000 bis 1500 Teilnehmenden statt und wird nun erstmals nach Gstaad transferiert. Ab 2026 soll er wiederkehrend in Gstaad stattfinden.
Ein Bergsee im Gebiet des Glacier 3000
Gastgeber Bernhard Tschannen, Geschäftsführer der Glacer 3000 AG, rekapitulierte die Geschichte und den Wiederaufbau des Restaurants Botta auf 3000 Metern Höhe und stellte einige bauliche Neuerungen vor – unter anderem den Sitzungsraum, in dem das Meeting stattfand. «Das Unternehmen steht auf gesunden Beinen», sagte Tschannen. Angefangen hatte die AG mit einem Umsatz von fünf Millionen Franken, für das Gesamtjahr 2025 rechne er bereits mit circa 23 Millionen Franken Umsatz – trotz einer sechsmonatigen renovationsbedingten Schliessung des The Glacier Hotels. Ziel sei es, in den kommenden fünf Jahren den Umsatz auf 30 Millionen Franken zu steigern, damit die grossen zukünftigen Investitionen selbst finanziert werden könnten.
Denn ab 2028 stehen der Ersatz von Liftanlagen an sowie Pläne zur besseren Erschliessung des Gletschers für Fussgänger und der weiteren Attraktivitätssteigerung des Skigebietes. Auf Waadtländer Gebiet wird ein natürlicher Bergsee entstehen, der im Moment grösstenteils noch unter dem Gletscher liegt, aber geschätzt im kommenden Jahrzehnt auf bis zu 250’000m3 anwachsen wird. Dieser wird als Ausflugsziel dienen und auch zur künftigen Beschneiung genutzt werden.
Welcome Magic Pass
«Die BDG erhofft sich durch den Magic Pass eine bessere Auslastung mittels Steigerung der Ersteintritte», so Matthias In-Albon, Geschäftsführer der Bergbahnen Destination Gstaad AG (BDG) über den neuen Verbund. In Zahlen ausgedrückt erwarte man durchschnittlich 1000 zusätzliche Ersteintritte an jeweils 100 Betriebstagen, was zu einem zusätzlichen Cashflow von geschätzt 4 Mio. Franken pro Jahr führen soll. Dieser werde für notwendige Investitionen in die Infrastruktur benötigt. Hier stehen künftig beispielsweise der Neubau Horneggli, der Neubau Hornberg, der neue Speichersee auf dem Hornberg oder die Sanierung der Beschneiung am Rinderberg an.
Obwohl In-Albon den Magic Pass als grosse Chance sieht, birgt er auch Herausforderungen. «Die BDG arbeitet in einer Projektgruppe mit der Gemeinde und der Tourismusorganisation zusammen, um die Herausforderungen anzugehen, beispielsweise in Bezug auf das Parkleitsystem, den ÖV oder betreffend Kommunikation», erläutert In-Albon.
«Nachhaltigkeit kann man nicht kaufen, nur sich erarbeiten»
Hauptredner David Bosshart hielt einen knapp einstündigen Vortrag zum Thema «Tourismus im neuen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umfeld». Er analysierte ökonomische, technologische und gesellschaftliche Trends wie den Klimawandel, die Digitalisierung, künstliche Intelligenz und veränderte demografische Muster.
Europa und die Schweiz verfügen über eine starke «Soft Power», die auf ihrer Lebensqualität, kulturellen Vielfalt (urban, alpin und Küste), historischen Städten, der Schönheit der Natur und einer hohen Dichte an Erlebnissen auf engstem Raum basiert. Europa überzeuge durch Anziehungskraft anstatt durch Zwang oder harte Machtmittel («Hard Power»), verdeutlichte Bosshart. Im Tourismus sei diese Attraktivität ein grosser Vorteil – in unserer Region vor allem die «Alpine Beauty», gepaart mit Luxus.
Ein weiteres Phänomen, das für den Tourismus bedeutend ist: Bosshart beobachtet einen verstärkten Trend zum Rückzug in kleine, virtuelle, geschlossene Räume – wir werden immer mehr zu einer «Indoor-Spezies». Dieser «private Lockdown» im «halluzinogenen Alltag», wie er es humorvoll-düster benennt, lässt die Outdoor-Welt und insbesondere den alpinen Raum mit seiner Frische und Unberührtheit, «seltener, attraktiver und wertvoller» erscheinen. Es werde in Zukunft entscheidend sein, die Unterscheidung zwischen realer und virtueller Welt bewusst wahrzunehmen.
Entscheidend ist laut Bosshart auch ein pragmatisches Klima-Management. Die alpine Welt kann sich durch ihre Luftqualität, Frische, Kühle und den Geruch des Schneefalls positionieren. Die Frage sei, wie viel Zivilisation der alpine Raum benötigt, um seine Attraktivität zu bewahren und gleichzeitig nachhaltig zu sein. Dazu Bosshart: «Nachhaltigkeit kann man nicht kaufen, nur sich erarbeiten.»
DAVID BOSSHART
Dr. David Bosshart ist ein Trendforscher, Philosoph, Retail- und Konsumanalyst, Autor, globaler und lokaler Redner sowie Executive Advisor. Er ist der Gründer von Bosshart & Partners, einem internationalen Netzwerk von «realistischen Visionären» und der Präsident der Gottlieb & Adele Duttweiler Stiftung. 22 Jahre lang war er CEO des GDI Gottlieb Duttweiler Institute for Economic and Social Studies.
SWO