Sechs Menschen, eine Seele: das Hotel Spitzhorn
05.12.2025 RegionIn der Hotellerie kommen und gehen die Mitarbeitenden oft so schnell wie die Gäste am Frühstücksbuffet. Im Hotel Spitzhorn in Saanen ist das anders: Sechs Kadermitarbeitende prägen das Haus seit Jahren – drei von ihnen bereits seit der Eröffnung 2013.
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In der Hotellerie kommen und gehen die Mitarbeitenden oft so schnell wie die Gäste am Frühstücksbuffet. Im Hotel Spitzhorn in Saanen ist das anders: Sechs Kadermitarbeitende prägen das Haus seit Jahren – drei von ihnen bereits seit der Eröffnung 2013.
Gemeinsam bringen sie 56 Dienstjahre mit. In einer Branche, die stark von Personalfluktuation geprägt ist, wirkt diese Konstanz beinahe aus der Zeit gefallen. Intern ist man sich bewusst, dass diese Beständigkeit alles andere als selbstverständlich ist. Sie gründet auf einer klaren Haltung, die Führung nicht als Strategie versteht, sondern als täglich gelebte Praxis.
Im Mittelpunkt stehen Klarheit in der Kommunikation und Vertrauen in die jeweiligen Verantwortlichen. Der Küchenchef führt seine Küche, der Oberkellner den Service, die Gouvernante das Housekeeping – und doch springt jeder für den anderen ein, wenn es nötig ist. Dieses Miteinander bildet das Fundament des Teams.
Die Leitung setzt bewusst auf Menschen, die in ihrem Fach besser sind als alle anderen – und gibt ihnen den Raum, den sie brauchen. Dazu gehören Eigenverantwortung, die Freiheit, Fehler zu machen, und die Erwartung, sich weiterzuentwickeln. Authentizität gilt als zentraler Wert: Jede Persönlichkeit soll so arbeiten dürfen, wie sie ist, und jede Funktion wird gleichermassen geschätzt.
Sechs Menschen, sechs unterschiedliche Lebenswege – vereint durch die Leidenschaft für das Gastgeberhandwerk und durch eine gemeinsame Überzeugung:
«Das Spitzhorn ist kein Arbeitsplatz. Es ist ein Spielplatz.»
PAVO HRNJKAS, 59
Allrounder mit Schwerpunkt Technik und Unterhalt, seit 12 Jahren im Spitzhorn
Offiziell bin ich Hausmeister. Tatsächlich bin tes Jahr war ich zwei Wochen krank. Als ich ich aber noch für viele weitere Bereiche zuzurückkam, umarmten mich die Gäste, fragständig: Technik, Garten, Transfer für die ten, wie es mir geht. Sie hatten sich Sorgen Gäste, bei Bedarf Service, sogar Küche – ich gemacht. Das hat mich tief berührt. war 23 Jahre lang Koch, bevor ich hierher-In drei Jahren gehe ich in Pension. Das wird kam. schwierig. Schon die Zwischensaison im Was mich hier hält, ist die Vielseitigkeit. Je-Herbst ist für mich keine einfache Zeit – dunden Tag warten andere Aufgaben. Und wenn kel, neblig, ruhig. Dann vermisse ich das Hoich abends sehe, was ich alles erledigt habe, tel bereits. erfüllt mich das mit Zufriedenheit. Die Wich-Aber jetzt freue ich mich auf die verbleibenmans schätzen meine Arbeit, und das spüre den drei Jahre. Und ich hoffe auf einen guten ich. Sie sind korrekt und unterstützend. Nachfolger, der mit derselben Leidenschaft Wenn ich im Garten bin, kommen oft Gäste arbeitet. vorbei, fragen nach den Rosen, den Blumen Das Spitzhorn ist für mich mehr als ein Arauf der Terrasse. Das macht mich stolz. Letzbeitsplatz. Es ist ein Stück Heimat geworden.
SASCHA KOFFLER, 51
Küchenchef, seit 6 Jahren im Spitzhorn
Herr Wichman nennt mich manchmal den «Pain in the Ass». Das stimmt wohl. Ich bin Perfektionist, durch und durch. Das macht die Zusammenarbeit mit mir nicht immer einfach.
Was ich hier besonders schätze, ist der Freiraum bei der Arbeit. Ich wähle meine Lieferanten selbst. Ich entwickle die Karte nach meinen Vorstellungen. Natürlich werde ich am Wareneinsatz und am Ertrag gemessen – aber das Vertrauen ist da. Herr Wichman lässt mich machen.
Mit Frau Wichman führe ich hin und wieder ernstere Gespräche, vor allem wenn es ums Mitarbeiterbudget geht. Ich bin ein geradliniger Mensch und sage meine Meinung – anständig, aber klar. Mein Motto: Love it, change it or leave it. Wenn etwas nicht passt, muss man konstruktiv darüber reden können.
Die Gäste kommen für die Klassiker: Geschnetzeltes, Schnitzel, Rösti. Gerichte, die ich zum tausendsten Mal zubereite. Trotzdem gilt: Auch ein Geschnetzeltes verdient höchste Qualität. Parallel dazu haben wir kreative Positionen auf der Karte – für Abwechslung, für die Stammgäste, für uns.
Mein Sous-Chef sieht mich während der Saison öfter als meine Familie. Klingt verrückt. Ist es auch. Aber wenn ich nach der Zwischensaison zurückkehre, weiss ich jedes Mal wieder: Genau hier gehöre ich hin.
THABEA SCHNEITER, 50
Gouvernante, seit 12 Jahren im Spitzhorn
Bevor ich vor 12 Jahren ins Hotel Spitzhorn kam, arbeitete ich als hauswirtschaftliche Betriebsleiterin in Altersheimen, in der Buchhaltung und im Service. Die Hotellerie war Neuland für mich. Von Anfang an dabei zu sein bedeutet: Man gestaltet aktiv mit. Das Hotel weiterzuentwickeln, Prozesse zu optimieren – diese Mitverantwortung schafft eine besondere Bindung.
Mein Bereich umfasst die komplette Hotelhygiene. Jedes Zimmer, jeder öffentliche Raum muss einwandfrei sein. Das erfordert klare Ansagen. Herr Wichman beschreibt meinen Führungsstil als konsequent, bestimmt und bisweilen knallhart. Das trifft zu. Nach aussen erscheine ich vielleicht reserviert. Aber wer mit mir arbeitet, kennt auch meine Verlässlichkeit und Fairness gegenüber dem Team.
Die Erwartungen der Gäste sind über die Jahre deutlich gestiegen. Alles soll sofort verfügbar und makellos sein. Paradoxerweise sind viele bei der Ankunft trotz Ferien gestresst. Aber wenn sie sich hier wohlfühlen, spürt man das. Und dann kommen sie wieder. Das bestätigt unsere Arbeit.
Für die Zukunft wünsche ich mir Kontinuität: ein eingespieltes Team, funktionierende Abläufe. Denn erfolgreiche Hotellerie lebt vom Zusammenspiel aller Bereiche.
DIRK OCKHUIJSEN, 58
Maître d’hôtel, seit 7 Jahren im Spitzhorn
Mein Weg ins Spitzhorn begann unkonventionell: mit einem musikalischen Auftritt. Als Jazz-Sänger spielte ich zur Eröffnung des Hotels mit meiner Band. Davor hatte ich jahrelang mit Unterwäsche gehandelt, unter anderem in der ehemaligen DDR nach dem Mauerfall. Nach meinem Auftritt im Spitzhorn machte mir Herr Wichman ein Angebot. Seine Begründung war einfach: «Du liebst die Berge, und Gastgeber sein bedeutet auch, Entertainer sein.» Er hatte recht.
Der Anfang war schwierig. Ohne gastronomische Ausbildung musste ich mir alles aneignen. Doch genau diese Herausforderung reizte mich. Im Kern meiner Arbeit steht das Dienen. Das klingt altmodisch, aber genau darum geht es: Menschen Freude bereiten. Wenn die Gäste zufrieden sind, bin ich es auch. Diese Haltung prägt meinen Arbeitsalltag.
Das Spitzhorn ermöglicht mir, authentisch zu arbeiten. Ich muss den Kellner nicht spielen, ich bin einer. Ein fester Bestandteil unserer Kultur sind die Geburtstagsfeiern. Das Team singt gemeinsam am Tisch der Gäste. Mit vollem Einsatz, ohne Zurückhaltung. Solche Momente schaffen Verbindungen, die über den normalen Service hinausgehen.
Hier kann ich sein, wer ich wirklich bin. Jeden Tag aufs Neue.
PHILIPP EDER, 27
Sous-Chef, seit 7 Jahren im Spitzhorn
Ich bin der Jüngste im Kader. Das Küken, wie man so schön sagt. Manche könnten denken, das sei schwierig – zwischen Kollegen, die doppelt so alt sind. Doch genau das Gegenteil ist der Fall. Wir kommunizieren auf Augenhöhe. Mit gegenseitigem Respekt. Das finde ich bemerkenswert.
Als Sous-Chef bin ich die rechte Hand von Sascha, unserem Küchenchef. Ohne ihn wäre ich nicht da, wo ich heute bin. Er ist ehrlich, fair, unterstützend. Er hat klare Leitlinien, die man einhalten muss. Aber er sieht auch, wenn man sich verbessern will. Und er fördert das.
Meine Passion ist das Kochen. Schmorgerichte, die über Stunden langsam garen, eine perfekte Sauce, handgemachte Spätzle. Das ist meine Art, Menschen zu beeindrucken.
Ich komme aus Bayern, lebe heute in Château-d’Oex. Die Schweiz ist zu meiner zweiten Heimat geworden. Nach stressigen Abenden sitzen wir zusammen, lassen den Tag Revue passieren. Loyalität bedeutet für mich: Rückendeckung geben, in jeder Situation. Als Team zusammenhalten, in guten wie in schwierigen Zeiten.
NATHALIE GEADAH, 37
Chef de Réception, seit 12 Jahren im Spitzhorn
Ich sei seine rechte und linke Hand, sagt Herr Wichman zuweilen. Mein Bereich ist die Rezeption: Gästeempfang, Betreuung, Korrespondenz, Administration. Im direkten Kontakt mit den Gästen ist mir eines besonders wichtig: individuell auf jede und jeden einzugehen und ihn wenn möglich beim Namen anzusprechen. Durch die Digitalisierung geht persönlicher Kontakt verloren. Wir versuchen aktiv, ihn beizubehalten. Diese Nähe prägt auch die familiäre Grundhaltung des Spitzhorns. Herr Wichman bringt es auf den Punkt: «Das Spitzhorn ist kein Hotel mit Gästen, sondern ein Hotel voller Freunde.» Wer hier übernachtet, spürt diese Authentizität und fühlt sich wie zu Hause.
Gleichzeitig hat sich das Gästeverhalten stark verändert. Früher erfolgten Buchungen ein Jahr im Voraus, heute oft erst 48 Stunden vorher. Das fordert uns in der Planung, macht die Arbeit aber auch spannend. Ich mag es, wenn viel los ist und etwas läuft.
Diese Dynamik verlangt Gelassenheit und Ausgeglichenheit. Das ist meine grösste Eigenschaft: In hektischen Momenten bleibe ich ruhig. Das schönste Kompliment für meine Arbeit ist, wenn Gäste sagen, dass sie sich wohlgefühlt haben. Und dass sie wiederkommen. Dafür mache ich diesen Job.
Beständigkeit ist kein Zufall
Das Spitzhorn ist mehr als ein Hotel. Es ist ein Ort, an dem Menschen nicht einfach Aufgaben erfüllen, sondern ihre Berufung leben. Sechs Führungspersönlichkeiten, sechs unterschiedliche Charaktere, eine gemeinsame Überzeugung: Gastfreundschaft entsteht aus Kompetenz, aber vor allem aus Leidenschaft. Denn Grundausbildung und solide Berufserfahrung sind wichtig, doch wahre Gastgeberinnen und Gastgeber zeichnen sich durch jene innere Begeisterung aus, die man in strahlenden Gesichtern, kluger Dienstleistung und kompromissloser Qualität spürt.
Getragen wird dies von einer Führungskultur, die nicht im Vordergrund steht, sondern den Menschen Raum gibt. Eine Kultur, in der Vertrauen ebenso selbstverständlich ist wie klare Worte. Im Hintergrund führen, andere glänzen lassen – und dann an die Front treten, wenn es schwierig wird. Dieses Prinzip schafft Stabilität in einer Branche, die von Bewegung geprägt ist. Und es schafft ein Arbeitsumfeld, in dem Entwicklung nicht nur möglich, sondern gewollt ist.
Vielleicht liegt genau darin das Geheimnis dieses Hauses: ein Team, das zusammengewachsen ist wie eine kleine Familie, ein Arbeitsplatz, der Heimat bedeutet und ein Hotel, das für Gäste zu einem Ort wird, an dem man sich gesehen, verstanden und willkommen fühlt.
Das Spitzhorn zeigt, dass echte Beständigkeit kein Zufall ist, sondern das Ergebnis gelebter Haltung, jeden Tag neu.







