Seinen Hund kennen und lesen
20.04.2023 SaanenEinst obligatorisch, dann freiwillig und nun mancherorts wieder Pflicht, teils jedoch nur für die Haltung bestimmter Rassen: Hundekurse. Im Kanton Bern sind sie freiwillig, seit 2016 das landesweite Obligatorium vom Bund abgeschafft wurde. Mehrere Vorstösse, dies auf kantonaler ...
Einst obligatorisch, dann freiwillig und nun mancherorts wieder Pflicht, teils jedoch nur für die Haltung bestimmter Rassen: Hundekurse. Im Kanton Bern sind sie freiwillig, seit 2016 das landesweite Obligatorium vom Bund abgeschafft wurde. Mehrere Vorstösse, dies auf kantonaler Ebene wieder einzuführen, wurden abgelehnt. Wir haben einen dieser Kurse besucht und mit den Veranstaltern darüber gesprochen, weshalb solche Kurse sinnvoll sind – auch für langjährige Hundehalter.
NICOLAS GEISSBÜHLER
Sie weiss genau, was zu tun ist. Mit sicherer Stimme gibt Daniel Aebli seiner Hündin Amy – einem Dalmatiner-Border Collie-Mischling – das Kommando, sich hinzusetzen und zu warten, sie kommt dem ohne jegliche Aufregung nach. Aebli löst die Leine von ihrem Halsband und entfernt sich dann in grossen Schritten von ihr. Sie schaut ihm geduldig nach, ohne einen Wank zu tun. Nach etwa zwanzig Metern bleibt Aebli stehen, dreht sich zu Amy um – und ruft ihren Namen. Die vorher so ruhige Hündin steht urplötzlich auf und rennt in Richtung ihres Herrchens. Dieser belohnt sie mit ein paar Streicheleinheiten und netten Worten.
Rund um die beiden stehen in einem Kreis noch etwa zwanzig weitere Lebewesen, die Hälfte davon Menschen, die andere Hunde. Die Menschen schauen der Demonstration von Aebli und seiner Hündin ehrfürchtig zu, die Hunde scheinen sich eher für alles andere zu interessieren.
Wie der Mensch am einen Ende der Leine, so der Hund am anderen
Daniel Aebli, der auch Vereinspräsident des Hundesportvereins Saanen ist, erklärt mir im Anschluss, worauf es bei solchen Übungen ankommt: «Wir versuchen den Hunden und Besitzern eine klare Lernstruktur zu geben, jedoch machen wir alles immer sehr spielerisch. So macht es sowohl für Hund als auch für Mensch mehr Spass, zu lernen.» Dabei seien – wie bei den Menschen auch – grosse individuelle Unterschiede zu erkennen. Manche lernen schnell, andere weniger, einige können sich über längere Zeit gut konzentrieren, andere haben eine weniger lange Aufmerksamkeitsspanne. «Jeder Hund ist anders und man muss als Halter lernen, den eigenen Hund zu lesen und so zu verstehen», erklärt Aebli. Er leitet bereits seit zehn Jahren gemeinsam mit Denise Jungen solche Kurse, vor einem Jahr haben sie gemeinsam die Trainerprüfung der Schweizerischen kynologischen Gesellschaft (SKG) zum Gruppenleiter absolviert. «Es ist aber klar ein Hobby», betont Aebli.
Wichtig sei im Kurs auch die Sozialisierung mit anderen Hunden. So organisiert Aebli Übungen, bei dem die anderen Hunde als Ablenkung fungieren. Einige der Hunde ignorieren dies gekonnt und steuern zielgerichtet auf ihre Halter:innen zu, andere lassen sich dadurch aber auch völlig aus dem Konzept bringen. Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Kurses: Die Hunde können sich nach den Trainings gemeinsam auf der eingezäunten Wiese des Hundesportvereins austoben.
Klare und ruhige Anweisungen
Im praktischen Training demonstriert Aebli die korrekte Kommunikation mit den Hunden: Er spricht immer knapp, dafür sehr klar und in deutlicher Stimme – sowohl mit seiner Hündin, als auch mit den anderen Tieren im Kurs. Wo nötig hält er die übermotivierten Hunde fest, bis deren Herrchen oder Frauchen platziert ist und das Kommando zum Herrufen geben kann. Aebli greift so viel ein wie nötig und so wenig wie möglich. Kann man das nicht alles auch zu Hause selbst mit seinem Hund üben? «Klar kann man das», sagt Aebli. «Allerdings kommt hier die soziale Komponente hinzu – für Hunde und Menschen», fügt er an. «Zudem können Hunde gegenseitig Dinge voneinander abschauen. Die jüngeren lernen von den älteren, erfahreneren Tieren», ergänzt Denise Jungen. Auch ihr Hund gehört im Kurs zu den älteren Tieren mit Vorbildfunktion: Sie hat einen zehnjährigen «Bergmops», wie sie ihn lachend nennt. Denn: Der kleine Hund muss Jungen öfters mal auf einer Skitour oder einer Bergwanderung begleiten. Wichtig sei für sie das Vermitteln von Freude an kleinen Lernerfolgen: «Die Leute sollen ihren Hund loben, wenn er sich richtig verhält. Da ist es unwichtig, ob der Hund einen halben Meter vor mir oder einen Meter neben mir anhält», erklärt Jungen. Die Freude an dem, was man macht, sei besonders wichtig, betont auch sie.
Gibt es «Problemhunde»?
Dass die Hundehaltung immer wieder zu Problemen führt, sei den beiden bewusst. Allerdings liege das nicht an den Hunden, sondern vielmehr an mangelnder Information oder Interesse. «Viele Leute kaufen sich einen Hund, damit sie einfach einen Hund haben», sagt Denise Jungen. «Es gibt Hundehalter, die an den Waldrand oder an den Flugplatz Saanen fahren, dort die Hunde aus dem Kofferraum lassen und sie während einer halben Stunde rumrennen lassen, während sie selbst im Auto ein Buch lesen. Dabei darf man seinen Hund nie aus den Augen lassen», beschreibt Daniel Aebli die Situation. «Das sind auch die, die den Kot nicht aufnehmen. Für normale ‹Hündeler› ist dies eine Selbstverständlichkeit», fügt er an.
Was alles zum richtigen Umgang und zur korrekten Pflege eines Hundes gehört, lernen die Kursteilnehmenden ebenfalls. Im Anschluss an die praktischen Rückrufübungen übernimmt Denise Jungen die Gruppe für einen theoretischen Block mit Learning by Doing. Es geht um Erste Hilfe am Hund, wie man beispielsweise den Puls kontrolliert oder kleine Wunden verarztet.
Hundekurse wichtig
Seit 2017 sind Hundekurse nicht mehr auf nationaler Ebene obligatorisch. Dennoch seien diese Kurse wichtig, streicht Aebli hervor: «Jeder Hundehalter muss seinen Hund immer zurückrufen können. Und da jeder Hund anders ist und Training braucht, wäre es sinnvoll, dies durch ausgebildete Trainer geleitet zu machen.» Ausserdem gebe es viele Hundehalter, die zu wenig über ihr Tier wüssten.
Grundsätzlich spricht sich Aebli auch für ein erneutes Obligatorium aus – etwa auf kantonaler Ebene, wie dies bereits in einigen Kantonen der Fall ist: «Am meisten Sinn würde es machen, man würde einen solchen Kurs für jeden neuen Hund obligatorisch machen.» Denn: «Hunde sind wie Kinder. Jeder ist wieder anders und auch wenn es schon der fünfte ist, gibt es wieder neue Herausforderungen bei der Erziehung», fügt Aebli an. Allerdings müsste man diese Kursabsolvierung besser kontrollieren, als noch vor sieben Jahren. «Das absolute Minimum, das jeder Hund können sollte, ist, dass er sozialisiert ist und auf das Rückrufkommando hört. Auch wenn etwa ein Reh am Waldrand steht. Dies üben wir in den Trainings», betont Aebli. Im Endeffekt sei dies das A und O eines Hundehalters.
Der Hundesportverein Saanen bietet Kurse auf verschiedensten Niveaus an: Junghunde-Erziehungskurse, Hundetrainings und wettkampforientierte Trainings wie Agility. Weitere Informationen: www.hundesportverein-saanen.ch
4 VERHALTENSREGELN BEI EINER KRITISCHEN BEGEGNUNG MIT EINEM HUND
1. Ruhig bleiben und langsam weitergehen.
2. Blick abwenden, ruhige Bewegungen machen.
3. Den Halter bitten, seinen Hund anzuleinen oder zurückzurufen.
4. Schritttempo gleich halten, nicht schneller werden, keine schnellen, plötzlichen Bewegungen machen.
BUNDESAMT FÜR LEBENSMITTELSICHERHEIT UND VETERINÄRWESEN BLV