Seniorinnen und Senioren erleben einen Adolf Ogi in Hochform
25.10.2024 SaanenVolles Landhaus: Das Interesse an Adolf Ogis Vortrag bei der diesjährigen Seniorenfeier war gross. Gespannt lauschten die Zuhörer:innen seinen Worten, während Ogi in Bestform für Lacher und Applaus sorgte.
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«Sie haben schon ...
Volles Landhaus: Das Interesse an Adolf Ogis Vortrag bei der diesjährigen Seniorenfeier war gross. Gespannt lauschten die Zuhörer:innen seinen Worten, während Ogi in Bestform für Lacher und Applaus sorgte.
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«Sie haben schon noch Mut, mich hierher einzuladen. Ich bin nur ein Jahr älter als Joe Biden!» Lautes Gelächter. Zwei Sätze und schon hatte Adolf Ogi das Publikum um den Finger gewickelt. Es folgte eine Stunde Unterhaltung, in der die Zuschauenden gebannt Ogis Worten lauschten, der aus seinem Leben als Bundesrat und bei der UNO berichtete. Noch nie seien so viele Leute an eine Seniorenfeier gekommen, sagte Béatrice Baeriswyl, Fachleiterin Soziales. Sie zeigte sich begeistert. Der Seniorenrat Saanenland um Präsident Ueli Müller zeigte somit ein gutes Gespür bei der Wahl des diesjährigen Referenten.
«Sechs Bundesräte und ein Skilehrer»
Adolf Ogi, gebürtiger Kandersteger, sass von 1987 bis 2000 im Bundesrat. In seinen Departementen habe er stets das Motto «Zuckerbrot und Peitsche» verfolgt. Mit einem Führungsdokument habe er seinen Amtsleuten direkt vor Augen geführt, wie er sich die Zusammenarbeit vorstelle. Ein Punkt darunter: «Kommunikation ist wichtig. Schriftlich können Sie Schachtelsätze machen, aber mündlich muss man sich kurz und klar ausdrücken», sagte Ogi den Seniorinnen und Senioren in Saanen. Nicht jedem habe sein Stil und seine Arbeit als Politiker gefallen – so beispielsweise Otto Stich, sein damaliger Bundesratskollege und Vorsteher des Finanzdepartements. Die «Neue Zürcher Zeitung» schrieb 2012 in seinem Nachruf: «Er war ein unbequemer Kassenwart» – und dies kriegte Ogi zu spüren, als er sich für die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (Neat) einsetzte. «Mit ihm konnte ich jassen, aber nicht viel mehr. So sagte er einst: Wir sind sechs Bundesräte und ein Skilehrer», erzählte Ogi grinsend. Immer, wenn Stich sauer gewesen sei, habe er sich eine neue Pfeife gekauft. «Als er als Bundesrat abgetreten ist, ist er wohl mit 25 Pfeifen abmarschiert. 15 besass er bestimmt meinetwegen.» Tosendes Lachen im Saal.
Kontakt mit internationalen Politgrössen
Als Bundesratspräsident hat Ogi Politikgrössen aus der ganzen Welt besucht und in der Schweiz empfangen, so auch einst den damaligen französischen Präsidenten François Mitterrand. Er habe dem Präsidenten und seiner 70-köpfigen Garde empfohlen, beim Flughafen Belp zu landen, dies sei jedoch dankend abgelehnt worden: Zu kurz sei die Landebahn. «Ich antwortete ihnen, es sei unbedenklich, alle unsere Bundesräte seien bisher heil auf diesem Flughafen angekommen. Sie entgegneten mir: Sie haben sieben, wir nur einen!»
Auch mit Kofi Annan, von 1997 bis 2006 Uno-Generalsekretär, pflegte er ein politisches als auch freundschaftliches Verhältnis, beispielsweise bei gemeinsamen Wandertouren in Kandersteg. Annan hat ihm auch die Stelle als Uno-Sonderberater für Sport im Dienste von Entwicklung und Frieden angeboten, Ogi willigte ein. Sie hatten beide die gleichen Ansichten: «Wir brauchen dringend eine bessere, friedliche Welt!», sagte Ogi im Landhaus in einer unüberhörbaren Lautstärke. Dafür brauche es die Jugend, die Leader von morgen. Und Sport sei die beste Lebensschule. «Sie lernen Integration, Mut, Anstand, Respekt und Solidarität.» Er glaube daran: Mit Sport und Jugend könne eine bessere Welt kreiert werden.
Zum Schluss seines Vortrags sprach Ogi noch von seinem Vater. Dieser habe ihm während der Bundesratskandidatur unterstützend zur Seite gestanden, insbesondere, als ein NZZ-Journalist über Ogi schrieb, er sei intellektuell nicht fähig, Bundesrat zu werden. «Dies hat weh getan», erinnert er sich. Sein Vater sagte zu ihm: Intelligenz könne man an der Universität abholen, Weisheit hingegen müsse man sich erarbeiten. In diesen Worten fasste er Mut – und wurde Bundesrat.
Als er mit dem Auto gegen Saanenmöser gefahren sei, habe es ihn tief berührt, in einer so wunderschönen Welt leben zu dürfen. «Deshalb müssen wir uns einsetzen, für das Land der vier Kulturen, der vier Sprachen, der 26 Kantone, 2200 Gemeinden, denn seit 1884 leben wir in Frieden und Freiheit zusammen. Und um dies weiterhin aufrechtzuerhalten, müssen wir uns jeden Tag dafür einsetzen, für unser Land und damit auch für eine bessere Welt.»
ERSTMALS DURCHGEFÜHRT: SENIORENAPÉRO FÜR NEUZUGÄNGE
Erstmals wurde im Rahmen der jährlichen Seniorenfeier ein spezielles Apéro durchgeführt. Mit dieser Ergänzung sollen gezielt die Anliegen und Bedürfnisse der neu Pensionierten aufgegriffen werden, wie Béatrice Baeriswyl vom Sozialdienst Saanenland angibt. So gehen 2024 in den drei Gemeinden 143 Personen in den Ruhestand – «eine überdurchschnittlich hohe Zahl im Vergleich zu den Vorjahren», so die Einschätzung von Baeriswyl.
27 Frauen und Männer, die kürzlich in den Ruhestand getreten sind, folgten der Einladung. Auch der Seniorenrat Saanenland sowie Vertreter der Behörden waren anwesend. Die Behörden zeigten sich erfreut über die Teilnahme der neu pensionierten Generation und betonten, wie wichtig deren Mitwirkung für die zukünftige Alterspolitik im Saanenland sei.
Zur Begrüssung stellte Ueli Müller, Präsident des Seniorenrates Saanenland, die Mitglieder und die Aufgaben des Seniorenrates vor. Hans-Peter Schwenter, Gemeinderat von Saanen und selbst Pensionär, übermittelte die Glückwünsche der drei Gemeinderäte und gab den Anwesenden hilfreiche Tipps für ein aktives und gesundes Leben im Ruhestand. Bruno von Siebenthal, Mitglied der Sozialbehörde, sprach die Grüsse der Sozialbehörde aus, während Béatrice Baeriswyl über den aktuellen Stand der Überarbeitung des Altersleitbildes informierte, das in Zusammenarbeit mit dem Obersimmental aktualisiert wird.
PD/JOP