«So machen Sie niemanden stolz!»
26.09.2025JUSTIZ
Im Februar 2025 waren in Saanen zwei Hotels von einer aus Frankreich heraus operierenden Diebesbande überfallen worden. Drei der vier Täter konnten auf der Flucht verhaftet werden. Am Montag fand vor dem Regionalgericht Oberland in Thun der Prozess gegen zwei ...
JUSTIZ
Im Februar 2025 waren in Saanen zwei Hotels von einer aus Frankreich heraus operierenden Diebesbande überfallen worden. Drei der vier Täter konnten auf der Flucht verhaftet werden. Am Montag fand vor dem Regionalgericht Oberland in Thun der Prozess gegen zwei Beschuldigte statt.
PETER SCHIBLI
Was in der Nacht auf den 15. und den 19. Februar in zwei Hotels am Spitzhornweg und an der Schönriederstrasse in Saanen geschah, kann laut Staatsanwaltschaft und den amtlichen Verteidigern getrost als «aussergewöhnlich» bezeichnet werden: Während die Auftraggeber im Hintergrund blieben, fuhren vier junge Männer, getrieben vom Traum vom schnellen Geld, in einem gestohlenen Auto zweimal ins Saanenland, um in Hotels einzubrechen.
Beim ersten Einbruch am Spitzhornweg standen zwei der Täter vor dem Hotel Schmiere, einer blieb im Auto und der Vierte betrat das Gebäude durch den Diensteingang. Nachdem er die Schiebetür zum Rezeptionsraum mit einem Brecheisen aufgehebelt hatte, riss er zwei Tresore aus einem Schrank und verlud diese mit Hilfe der Mittäter ins bereitstehende Auto.
Drei Tage später fuhr das Quartett erneut nach Saanen, diesmal an die Schönriederstrasse. Dabei erhielten sie von ihren Auftraggebern über Mobiltelefon Anweisungen. Maskiert betraten drei der Täter das Hotel und begannen, in der Rezeption nach Geld und Wertgegenständen zu suchen. Als der Nachtportier aus der Lobby erschien, packten sie den Rentner, schlugen und zwangen ihn, die Schlüssel zu zwei Tresoren herauszugeben.
Danach fesselten sie das Opfer mit Kabelbindern, einem Stromkabel sowie Klebeband und hiessen den Mann, sich bäuchlings auf den Boden zu legen. Dann flüchteten sie in zwei Autos. Das zweite Motorfahrzeug stahlen sie vor dem Hotel. Auf der Flucht Richtung Grenze konnte das Quartett in Aigle von der Kantonspolizei Waadt angehalten und festgenommen werden. Dabei konnte einer der Täter entkommen.
Abgekürztes Verfahren
Während den Ermittlungen durch die
Berner Justiz zeigten sich zwei der Täter geständig sowie kooperativ; sie gaben den Raub und die Einbruchdiebstähle zu, verrieten aber ihre Hintermänner nicht. Auch den Namen des geflüchteten Kollegen gaben sie nicht preis. Trotzdem waren die Voraussetzungen für ein abgekürztes Verfahren gegeben. Darauf legte die Staatsanwaltschaft Oberland den amtlichen Verteidigern eine Anklageschrift mit Anträgen für Strafen und Massnahmen vor. In Verhandlungen zwischen allen Beteiligten gelang eine Einigung. Mit Unterschrift anerkannten die Beschuldigten die Vorwürfe und erklärten sich mit den beantragten Strafen einverstanden.
Dem dreiköpfigen Kollegialgericht kam am Montag die Aufgabe zu, sich zu überzeugen, dass die beiden Beschuldigten die Anklagepunkte mündlich bestätigten und die beantragten Sanktionen akzeptieren. Ohne weitere Ergänzungen taten sie dies auf Französisch. Die Befragungen, die weniger als 30 Minuten dauerten, wurden von einer Übersetzerin auf Deutsch, respektive auf Französisch übersetzt. Auf die Frage nach ihren Zukunftsplänen liess der erste Angeklagte verlauten, er wolle sich nach Verbüssen der Gefängnisstrafe um seinen Sohn kümmern und einer geregelten Arbeit nachgehen. Der zweite Beschuldigte meinte pathetisch, er wolle «seine Eltern stolz machen» und das Studium wieder aufnehmen.
Aus prozessökonomischen Gründen wird im abgekürzten Verfahren auf eine formelle Beweisführung sowie auf Plädoyers verzichtet. In kurzen Statements zeigten sich die Staatsanwaltschaft sowie beide amtlichen Verteidiger zufrieden mit dem Deal und attestierten der Gegenseite Respekt. An die Adresse der Beschuldigten – der eine war in einem neuen Anzug, der zweite in sauberen Jeans und einem Shirt vor Gericht erschienen – meinte die Anklägerin sogar, diese hätten sich während des ganzen Verfahrens anständig verhalten. Auf ein letztes Wort verzichteten die Beschuldigten.
Freiheitsstrafe und Geldstrafe
Nach einer nur zehnminütigen Beratungszeit verkündete die Gerichtspräsidentin das Urteil und erhob die von der Staatsanwaltschaft beantragten Sanktionen zum Urteil. Der eine Beschuldigte, der das Fluchtauto fuhr, erhielt eine Freiheitsstrafe von 30 Monaten (abzüglich sieben Monate Untersuchungshaft). Der zweite Täter 29 Monate. Beide werden nach Absitzen der Gefängnisstrafe für acht Jahre des Landes verwiesen.
Beide wurden ausserdem zu einer Geldstrafe von je 600 Franken und zu einer Busse von 200 Franken verurteilt. Die Verfahrenskosten von insgesamt 23’000 Franken werden ihnen je zur Hälfte auferlegt. Gutgeheissen wurde auch die Schadenersatzforderung des Hotels am Spitzhornweg in der Höhe von 795 Franken. Weitere Zivilforderungen wurden auf den Zivilweg verwiesen. Das Honorar der beiden amtlichen Verteidiger bevorschusst der Kanton Bern. Sollten die Beschuldigten zu Vermögen kommen, müssen sie die entsprechenden Beträge zurückzahlen.
Den Worten Taten folgen lassen
In ihrer kurzen Urteilsbegründung hoffte die Gerichtspräsidentin, die Verurteilten hätten ihre Lektion gelernt. «Lassen sie nun den Worten Taten folgen.» Unter Anspielung auf die Aussagen zu ihren Zukunftsplänen bezüglich Sohn und Eltern meinte die Vorsitzende: «So, wie Sie gehandelt haben, machen Sie niemanden stolz!» Zum Schluss der Verhandlung liess die Gerichtspräsidentin den beiden Männern mehrere Briefe ihrer Eltern und Familien überreichen.
Der Portier hat nach Aussagen des Geschäftsführers des Hotels an der Schönriederstrasse beim Überfall keine körperlichen Schäden davongetragen. Aufgrund des erlittenen Schocks ging er aber nach dem Vorfall in die endgültige Pension. Das Urteil gegen die beiden Einbrecher ist noch nicht rechtskräftig. Sollten sie keine Rechtsmittel ergreifen, werden sie bei guter Führung in gut einem Jahr entlassen und nach Frankreich ausgewiesen.