Spital STS AG: menschenunwürdige Pläne?
23.10.2025 GesundheitswesenIm September haben «engagierte Bürgerinnen» den Regierungsrat und die Spital STS AG in einem offenen Brief um Stellungnahmen bezüglich des neuen Betriebskonzepts für das Spital Zweisimmen gebeten. Nun liegen die Antworten vor, doch die Bürgerinnen reagieren ...
Im September haben «engagierte Bürgerinnen» den Regierungsrat und die Spital STS AG in einem offenen Brief um Stellungnahmen bezüglich des neuen Betriebskonzepts für das Spital Zweisimmen gebeten. Nun liegen die Antworten vor, doch die Bürgerinnen reagieren darauf mit einem weiteren offenen Brief – und nutzen harsche Formulierungen.
KEREM S. MAURER
Die Antwort der Gesundheits-, Sozialund Integrationsdirektion (GSI) auf den offenen Brief von Anfang September der «engagierten Bürgerinnen» – Marianne Herbst aus Oberwil, Rosmarie Willener aus Zweisimmen und Fränzi Kuhnen aus St. Stephan (wir haben berichtet) – fällt relativ knapp aus. Der Regierungsrat und die GSI hätten sich über viele Jahre «intensiv für eine Lösung des Spitalstandorts Zweisimmen engagiert», auch das GSS-Projekt habe ihre volle Unterstützung genossen. Sie weisen darauf hin, dass das Projekt letztlich an den Gemeindeabstimmungen und nicht am Kanton gescheitert sei und bedauern, dass auch die Medaxo-Lösung nicht realisiert wurde. Und sie betonen, eine Lösung für den Spitalstandort Zweisimmen zu finden sei nach wie vor Sache des Verwaltungsrats der Spital STS AG, und dieser habe ja ein Betriebskonzept vorgestellt. GSI und Regierungsrat nähmen die Fragen im offenen Brief zur Kenntnis, aber: «Da diese Fragen operativer Natur sind, wurden diese korrekterweise direkt von der STS AG beantwortet.»
Was sagt die STS AG?
«Die Spital STS AG nimmt die Sorgen und Bedenken der Bevölkerung im Obersimmental-Saanenland ernst», schreibt die STS AG in ihrer Antwort auf den eingangs erwähnten offenen Brief. Allerdings seien die darin aufgeführten Punkte bereits in der Projektarbeit sorgfältig geprüft und im Betriebskonzept, welches seit dem 1. Oktober 2025 in Kraft ist, berücksichtigt worden. Hinsichtlich der Schliessung des Operationsbetriebs betont die Spital STS AG, man habe mit dem Eigner, sprich mit dem Kanton Bern, eine «wohlüberlegte und verantwortbare Entscheidung» getroffen. Der Entscheid, den Operationsbetrieb und die Anästhesie am Spitalstandort Zweisimmen nicht mehr weiterzuführen, basiere auf einer klaren Auslegeordnung. In diesem Prozess sei die GSI stets eingebunden gewesen und mit den Projektverantwortlichen der Spital STS AG in transparentem Austausch gestanden. Die Spital STS AG verstehe, dass diese Änderungen einen Einschnitt bedeuteten, aber: «Wir sind überzeugt, dass dieser Schritt medizinisch, organisatorisch und wirtschaftlich notwendig ist, um die Grundversorgung für das Obersimmental-Saanenland langfristig zu sichern.»
Die Stellungnahme der STS AG auf die zentralen Punkte des offenen Briefes: siehe Kasten.
Zweiter offener Brief
Doch damit geben sich die «engagierten Bürgerinnen» nicht zufrieden und verfassten einen neuen offenen Brief mit dem reisserischen Betreff «Soll die Region Simmental-Saanenland für menschenunwürdige Pläne hinhalten?» Darin bezweifeln sie, dass die Sorgen und Bedenken der Bevölkerung ernt genommen worden seien, denn, so schreiben sie: «Wir können uns nicht erinnern, dass wir als Bevölkerung gefragt wurden, ob wir das neue Betriebskonzept mittragen wollen.» Dieses sei der Bevölkerung zwar vorgestellt, aber kritische Fragen und Voten seien abgewehrt worden. Die «engagierten Bürgerinnen» fordern in ihrem neuen offenen Brief eine umfassende medizinische Grundversorgung in der Region Simmental-Saanenland «über den ganzen Lebenszyklus des Menschen».
Menschenunwürdige Pläne?
Das Verhalten und die Äusserungen des Regierungsrates, der GSI und der Spital STS AG gepaart mit den Informationen im «Spital Impuls Zweisimmen» seien nicht in der Lage, bei ihnen Vertrauen aufzubauen, finden die «engagierten Bürgerinnen». Vielmehr stelle sich ihnen die Frage, ob das wirkliche Problem vielleicht anderswo und nicht an den genannten Gründen liege, und: «Soll die Region Simmental-Saanenland für irgendwelche menschenunwürdige Pläne hinhalten?»
Es sei dringend notwendig, dass der Regierungsrat seine Verantwortung der Zuständigkeit für eine allen zugängliche medizinische Grundversorgung wahrnehme und hinsehe. Es könne ja vorkommen, dass man auf einen falschen Weg gerate, dann müsse man aber auch den Mut und die Grösse haben, umzukehren und sich neu zu orientieren, statt ins Verderben zu laufen. «Wir müssen aufeinander zugehen, statt die Fronten weiter zu verhärten. Es geht um unser Recht auf eine verantwortungsvolle medizinische Grundversorgung», schreiben Marianne Herbst, Rosmarie Willener und Fränzi Kuhnen und werfen noch einmal ihren Lösungsansatz mit einer Genossenschaft auf. «Die Abstimmungen betreffend dem GSS-Projekt haben klar gezeigt, dass die Bevölkerung in unserer Region grossmehrheitlich eine zuverlässige medizinische Grundversorgung will.»
STELLUNGNAHMEN DER STS AG ZU DEN ZENTRALEN PUNK TEN DES OFFENEN BRIEFES VON ANFANG SEPTEMBER:
OP und Anästhesie
Die Aufrechterhaltung eines 24/7-OP-Betriebs mit Anästhesie erfordert ein grosses, hoch spezialisiertes Team, das aufgrund von Fachkräftemangel nicht mehr zuverlässig besetzt werden kann. Gleichzeitig sind die Fallzahlen am Spitalstandort Zweisimmen seit Jahren rückläufig und tief. Würden wir den Betrieb unverändert weiterführen, was unter den aktuellen Gegebenheiten operativ nicht realisier- und wirtschaftlich nicht tragbar ist, wäre mittelfristig die Patientensicherheit gefährdet – also genau das, was Sie zu Recht einfordern.
Notfallversorgung
Die Notfallstation ist weiterhin ganzjährig 24/7 in Betrieb. Ärztinnen und Ärzte sind rund um die Uhr vor Ort. Diese werden telemedizinisch durch Ärzte und Ärztinnen des Spitals Thun unterstützt. Assistenzärzt:innen treffen keine Entscheidungen ohne Supervision durch einen Facharzt, eine Fachärztin. Der Spitalstandort Zweisimmen bietet weiterhin eine umfassende medizinische Notfallversorgung analog dem heutigen Leistungsangebot an. Der chirurgische Notfall wird nach der Triage in Abhängigkeit von 1) der Art Verletzung/Erkrankung und 2) der Dringlichkeit in ein Regionales Spitalzentrum/ Zentrumsspital verlegt oder in ein ambulantes Setting überführt.
Telemedizin
Wir teilen Ihre Einschätzung, dass Telemedizin kein Ersatz für OP und Anästhesie ist. Sie ist jedoch eine wertvolle Ergänzung: Sie ermöglicht rasche Fachkonsile und Entscheidungen, bevor eine Verlegung erfolgt. Dieses Modell wird in der Schweiz und international überdies erfolgreich eingesetzt.
Verlegungen
Wir übernehmen sämtliche medizinisch indizierten Verlegungen zwischen unseren Standorten. Die Kosten tragen nicht die Patient:innen. Für Schlechtwetterlagen und Naturereignisse bestehen entsprechende bodengebundene und luftgebundene Alternativen. Das Einsatzdispositiv stellt sicher, dass genügend Rettungsmittel verfügbar sind. Hierfür lohnt sich übrigens auch mal ein Blick über die bernischen Grenzen hinaus: So funktioniert das Rettungs- und Transportwesen auch in Zermatt: Ein Gebiet, das im Gegensatz zum Simmental-Saanenland im Sommer und Winter um ein Mehrfaches höher frequentiert ist, und das nächste Spital ebenfalls 50 (Visp) resp. 70 Autominuten (Brig) entfernt liegt.
Versorgungssicherheit trotz Wegfall der Chirurgie
Wir sind uns bewusst, dass eine Bergregion mit über 15’000 Einwohner:innen und hoher touristischer Frequentierung eine verlässliche Versorgung benötigt. So übrigens auch mit dem neuen Magic-Pass, dessen Popularität wir uns hinsichtlich der bevorstehenden Wintersaison 2025/26 überaus bewusst sind und diesbezüglich auch vorsorglich planen. Mit unserem Modell stellen wir sicher: 24/7-Notfall mit ärztlicher Präsenz vor Ort; Interdisziplinäre Bettenstation mit Überwachungsmöglichkeit; spezialisiertes ambulantes Angebot Medizin und Chirurgie; Dialyse; Diagnostik mit Röntgen und Labor. Damit bleibt Zweisimmen ein Spitalstandort – jedoch kein Standort mit Operationsbetrieb.

