Strom für 105 Haushalte mit Strassengeländer in Schönried
23.03.2023 Wirtschaft
Eine Studie des Kantons Bern hat Strasseninfrastrukturen auf ihr Potenzial für Fotovoltaikanlagen untersucht – und kommt zum Schluss, dass das Strassengeländer der Hauptstrasse zwischen Schönried und Saanenmöser einer der Topstandorte des Kantons wäre. Durch ...
Eine Studie des Kantons Bern hat Strasseninfrastrukturen auf ihr Potenzial für Fotovoltaikanlagen untersucht – und kommt zum Schluss, dass das Strassengeländer der Hauptstrasse zwischen Schönried und Saanenmöser einer der Topstandorte des Kantons wäre. Durch den Bau einer Anlage könnten über 100 Haushalte während eines Jahres versorgt werden.
NICOLAS GEISSBÜHLER
Fotovoltaik (FV), also die Umwandlung von Sonnenstrahlung in elektrische Energie, gehört zu den vielversprechenden Arten, erneuerbare Energie zu gewinnen. In den letzten Jahren konnten massive Verbesserungen in Sachen Effizienz erzielt werden, die nutzbaren Flächen sind schier endlos. Das Tiefbauamt des Kantons Bern (TBA) hat dazu eine Studie in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse kürzlich präsentiert wurden.
Sunnige Fang als ausgezeichneter Standort
Die Studie sieht eines der grössten Potenziale in Schönried, genauer an der Stützmauer im Sunnige Fang und an der Lehnenbrücke, also an der Hauptstrasse zwischen Schönried und Saanenmöser. Die Studie untersuchte nur Flächen, die bereits existieren, wie Lärmschutzwände, Kreisverkehre, Raststätten oder Stützmauern an Kantonsstrassen. Die Stützmauer und die Brücke zwischen Schönried und Saanenmöser versprechen laut der Studie das sechstgrösste Potenzial aller untersuchten Infrastrukturen. Nur die Raststätten Pieterlen und Münsingen, die Viadukte Goldiswil und Wynau sowie die Stützmauer Eselacker in Erlenbach sollen ertragsreicher sein. Ebenfalls ein grosses Potenzial – wenn auch etwas kleiner als das in Schönried – hat die Stützmauer Schüpfehubel auf dem Jaunpass. Untersucht wurden ausnahmslos alle Flächen, die sich in Kantonsbesitz befinden, insgesamt 9500 Infrastrukturobjekte.
Mehrere Herausforderungen
Laut Arnold Trümpi, Leiter Planung und Verkehr beim TBA, gebe es aber etliche Herausforderungen und Schwierigkeiten, bevor an der Kantonsstrasse Strom produziert werden kann: «Die Hauptfunktion der Strasse ist das Führen von Verkehr und dieser darf nicht beeinträchtigt werden, genauso wenig wie die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer.» Stützmauern sind sicherheitsrelevant und können dadurch nicht einfach willkürlich verbaut werden. Am Standort Sunnige Fang könnte beispielsweise die Schneeräumung zu einem Problem werden: «Der geräumte Schnee wird oft neben die Strasse geschoben. Wenn dort nun eine FV-Anlage steht, die durch dieses Abladen blockiert oder gar beschädigt werden könnte, ist das ein Problem», sagt Trümpi. Auch müsse die Unterstruktur der Brücke und der Stützmauer stets für Wartungsarbeiten zugänglich sein. «Es müssen also jeweils Lösungen wie hochklappbare FV-Elemente verbaut werden», fügt Trümpi als Lösung hierfür an. Aus diesem Grund hätten sie bereits in der Studie einen halben Meter Freiraum vom Boden her eingeplant.
Neben den bereits genannten Problemen kommen jeweils situative Gegebenheiten hinzu: «Bei Raststätten wird mit dem Bau einer FV-Anlage ein Dach und damit eine Höhenbeschränkung gebaut. Bei Lärmschutzwänden ist die Hauptfunktion, dass sie den Lärm eindämmen. FV-Elemente reflektieren den Schall aber ziemlich gut, da sie eine glatte Oberfläche haben. So kann es sein, dass die Lärmschutzfunktion verloren geht», sagt Trümpi. Dazu komme, dass die Basisinfrastrukturkosten für solche Anlagen rund doppelt so viel kosteten wie die Solarpanels selbst.
Wahres Potenzial auf Hausdächern
Allgemein betont Trümpi, dass solche Anlagen an Strasseninfrastrukturen nur die zweitbeste Lösung sind: «Hausdächer sind klar weniger problematisch, oft ertragreicher und viel billiger mit FV-Anlagen auszurüsten.» Laut ihm ist es dennoch nur eine Frage der Zeit: «Es ist nicht die Frage, ob solche Anlagen gebaut werden, sondern wann. Wenn privat nicht auf Dächer gebaut wird, müssen die zweitbesten Flächen her, also Seen, Berge, Staumauern oder eben Strasseninfrastrukturen. Diese Flächen werden ja sowieso schon genutzt.»
Ausserdem müssten die Anlagen an das Stromnetz angeschlossen werden können, was in der Studie nur grob untersucht werden konnte. Laut Trümpi könnte dies zu einem weiteren Problem werden: «Ausserhalb von Siedlungen hat man oft nur das Stromnetz der Strassenbeleuchtung und dieses hat zu wenig Kapazität. Oft sind Strasseninfrastrukturen gar nicht mit Strom erschlossen. Nötige Verteiltransformatoren sind ausserhalb von Siedlungsgebieten nur sporadisch gesät.»
Kanton investiert nicht selber
Trotz der Probleme zeigt sich Trümpi mit den Ergebnissen der Studie sehr zufrieden: «Es ist sehr positiv, dass wir so viele geeignete Objekte gefunden haben. Allerdings bin ich skeptisch betreffend der kurzfristigen Nutzung, weil FV-Dachanlagen viel wirtschaftlicher sind.» Die Anlagen dürften wohl eher mittel- oder langfristig entstehen. Der Kanton wird auch nicht selber investieren, sondern gegen Mitte dieses Jahres eine Marktansprache mittels Bewerbungsverfahren durchführen. Das heisst, die Strasseninfrastrukturobjekte werden öffentlich publiziert, der Kanton wird sie interessierten Energieversorgern, Investoren oder Einzelpersonen zugänglich machen. Die Projektierung und auch der Betrieb der Anlagen liegt dann bei den Investoren. Diese müssen auch die Instandhaltungskosten tragen, dürften aber den Strom auch verkaufen.
Damit will der Kanton Bern einen Beitrag an die Energiewende und eine nachhaltige, unabhängige Schweizer Energieversorgung leisten. Für die Realisierung solcher FV-Anlagen auf den Strasseninfrastrukturen wäre es laut Trümpi zwar von Vorteil, wenn die Energiepreise weiterhin hoch bleiben würden, auch wenn er uns allen dies nicht wünscht.
WAS SAGT DIE GEMEINDE SAANEN DAZU?
Die Gemeinde ist grundsätzlich erfreut über die Nachricht des grossen Potenzials in Schönried. Patricia Matti, Gemeinderätin und Präsidentin der Bau- und Planungskommission der Gemeinde Saanen, sagt, sie finde es zwar positiv, dass dieses Potenzial in der Gemeinde vorhanden ist, allerdings sehe sie ähnliche Probleme wie Trümpi vom TBA. «Die Stützmauer ist direkt am Bahngleis, da könnte auch die Sicherheit der Züge zum Problem werden», sagt Matti auf Nachfrage. Die Gemeinde Saanen prüfe laufend, wo sich in der Gemeinde Fotovoltaikanlagen anböten – vor allem auf Gemeindebauten. «Die Gemeinde ist bemüht, Fotovoltaikprojekte zu unterstützen. Insgesamt ist die Gemeinde nachhaltigen Projekten gegenüber offen», so Matti. Aber: «Auf Hausdächern Fotovoltaikanlagen zu bauen ist mit wesentlich weniger Herausforderungen verbunden als an anderen Infrastrukturen», fügt Matti an.
NICOLAS GEISSBÜHLER
GROSSER RAT WILL SOLAR-ANLAGEN BESSER FÖRDERN
Auch den Grossen Rat beschäftigt die Solarthematik. So hat die Finanzkomission eine Steuergesetzrevision für die 2. Lesung vorberaten. Sie beantragt dem Grossen Rat, dass Solaranlagen von landwirtschaftlichen Grundstücken in die Bewertung des amtlichen Wertes einfliessen sollen. Zudem fordert sie, dass die in der 1. Lesung beschlossene Erhöhung des Drittbetreuungsabzugs und die steuerliche Bevorteilung von Solaranlagen schon für das Steuerjahr 2023 in Kraft treten.
FINANZKOMISSION DES GROSSEN RATES/PD