Mit Seilen und Helikoptern auf über 2500 Metern im Einsatz
22.08.2024 GsteigDie Swissgrid arbeitet zurzeit an der umfassenden Sanierung und Modernisierung der 220-Kilovolt-Höchstspannungsleitung zwischen Gsteig und Savièse. Diese Massnahmen sind notwendig, um zum einen die beschädigte Leitung aus dem Felssturzgebiet zu verlegen und zum anderen ...
Die Swissgrid arbeitet zurzeit an der umfassenden Sanierung und Modernisierung der 220-Kilovolt-Höchstspannungsleitung zwischen Gsteig und Savièse. Diese Massnahmen sind notwendig, um zum einen die beschädigte Leitung aus dem Felssturzgebiet zu verlegen und zum anderen die Infrastruktur zu modernisieren. Wir haben nachgefragt.
JOCELYNE PAGE
Swissgrid, die Schweizer Übertragungsnetzbetreiberin, hat in diesem Jahr mit den Sanierungsarbeiten an der 220-Kilovolt-Höchstspannungsleitung begonnen, die sich von Chamoson im Wallis bis Mühleberg erstreckt. Besonders betroffen ist der Abschnitt zwischen Gsteig und Savièse (VS), der aufgrund eines Felssturzes im Jahr 2017 schwer beschädigt wurde. In der Region des Sanetschpasses müssen nun drei neue Masten errichtet und fünf bestehende abgebaut werden. Zusätzlich werden die Mastfundamente mit Mikropfählen verstärkt, um die Stabilität in dem steilen Gelände zu gewährleisten. Zudem gibt es eine neue Linienführung: Früher waren es zwei, nun ist es nur noch ein Trassee, welches aus dem Erdrutschgebiet herausführt.
Ein weiterer Grund für die Sanierung und Modernisierung: Die Leitung über den Sanetschpass, die aus dem Jahr 1955 stammt, hat bald das Ende der Lebensdauer erreicht.
Eine umfassendes Projekt, welches beim Sanetschpass auf 2252 Meter über Meer ausgeführt wird. Wir haben bei André Räss, Communcation Manager bei Swissgrid, nachgefragt.
Welcher Abschnitt war vom Felssturz im Sanetschpassgebiet betroffen?
André Räss: Gemäss dem Bericht des Geologen des Kantons Bern lösten sich rund 50’000 Quadratmeter Geröll im Gebiet «Hohmad». Dies hatte zur Folge, dass ein Strommast der 220-Kilovolt-Leitung Chamoson-Mühleberg am Sanetschpass beschädigt wurde.
Dieser Felssturz löste sich im Oktober 2017. Wieso wird die Höchstspannungsleitung erst jetzt saniert?
Stromleitungen in alpinem Gebiet werden aufgrund der Naturgefahren stark geschützt. Trotz der Beschädigungen durch die Erdrutsche war dieser Leitungsabschnitt nicht gefährdet. Bei den jetzt anstehenden Arbeiten handelt es sich um eine altersbedingte Gesamtsanierung des betroffenen Leitungsabschnitts. Dieses Projekt wurde nach 2017 gestartet. Die Bewilligungen für die Sanierung liegen nun vor. Da die Übertragungskapazität der alpenquerenden Übertragungsleitungen begrenzt ist, müssen solche Arbeiten lange im Voraus geplant werden.
War das Leitungsnetz während dieser Zeit sichergestellt?
Trotz der Beschädigungen aufgrund der Erdrutsche war dieser Leitungsabschnitt nicht gefährdet. Damit eine Überlastung eines Netzelements verhindert werden kann, wendet Swissgrid die «n-1-Regel» an. Das bedeutet,dass im Falle eines Ausfalls eines Netzelements alle anderen Elemente im Übertragungsnetz genügend Kapazität haben müssen, um die zusätzliche Energie zu übertragen.
Die Leitung im Sanetschgebiet ist fast 70 Jahre alt. Ist sie eine der ältesten Leitungen in der Schweiz?
Nein, bei der Sanetschleitung, die 1955 erstellt wurde, handelt es sich nicht um die älteste Leitung in der Schweiz. Einzelne Leitungen wurden vor über 80 Jahren gebaut, wie beispielsweise einige Höchstspannungsleitungen in der Zentralschweiz. Generell hat eine Freileitung eine Lebensdauer von rund 80 Jahren. Das bedeutet, dass Swissgrid in den nächsten Jahren viele Sanierungsarbeiten durchführen muss. Swissgrid verfolgt einen langfristigen Plan zur Instandhaltung, Modernisierung und Engpassbeseitigung der Netzinfrastruktur.
Wie bemerken Sie, dass eine Leitung an ihr Lebensende gelangt? Verliert die Infrastruktur an Leistung über die Jahre?
Die Leitungen in alpinem Gebiet sind besonderen Naturgefahren und Witterungsverhältnissen ausgesetzt, insbesondere durch die Schneelast im Winter. Dies trägt zur Alterung der Leiterseile und Keramikisolatoren bei. Im Rahmen von Instandhaltungsarbeiten sorgt Swissgrid laufend dafür, dass die Leitungen zu jedem Zeitpunkt für die Menschen und die Umwelt sicher betrieben werden. Über die gesamte Lebensdauer hat Swissgrid keinen Leistungsabfall festgestellt.
Die Leitungen am Sanetschpass befinden sich in alpinen Gebieten. Wie gestaltet sich diese Sanierungsarbeit?
Die Sanierungsarbeiten werden hauptsächlich durch Schweizer Unternehmen ausgeführt, die im Leitungsbau spezialisiert sind und Erfahrung mit Montagearbeiten im Hochgebirge haben. Nachdem der Bereich, in dem sich die Masten befinden, geschützt wurde, werden derzeit Verstärkungsarbeiten an den Masten ausgeführt. Anschliessend folgt der Austausch der Leiterseile. Aufgrund einiger schwer zugänglicher Zonen werden einzelne Arbeitsschritte mit dem Helikopter ausgeführt. Was den Schutz der im Gelände arbeitenden Mitarbeiter betrifft, so sind diese mit Absturzsicherungen ausgestattet. Sie müssen immer doppelt gesichert sein, wenn sie in der Höhe auf den Masten arbeiten. Bei Helikoptereinsätzen steuert ein Flugassistent den Piloten vom Boden aus, und für alle besonders technischen Manöver wurde im Vorfeld ein Handhabungsplan erstellt und intern von Spezialisten validiert.
Was sind die geschätzten Kosten für die Sanierung und die Verlegung der Leitung?
Die Kosten für die Modernisierungsarbeiten am gesamten Leitungsabschnitt betragen rund 15 Millionen Franken.
Welche Massnahmen werden ergriffen, um die Umweltauswirkungen der Bauarbeiten zu minimieren?
Bei den Sanierungsarbeiten nimmt Swissgrid besondere Rücksicht auf die Umwelt und die Natur. Die Sicherheit hat oberste Priorität bei allen Arbeiten. Beim Umweltaspekt wurden diverse Auswirkungen berücksichtigt. Die Quelle des Burgbachs in der Nähe der Bauarbeiten, der auf der Gsteiger Seite entwässert, wird von einem Hydrogeologen überwacht. In einigen Gebieten werden geschützte Blumen mit ihrem ganzen Wurzelballen umgesiedelt, wie zum Beispiel der Hirschkolben, der nur an bestimmten Stellen in der Höhe wächst. Da der Bau und die Sanierung einer Höchstspannungsleitung Eingriffe in die Natur erfordern, führt Swissgrid in den betroffenen Gebieten Renaturierungsprojekte zur Kompensation durch. Im Rahmen dieses Projekts wertet Swissgrid unter anderem zwei Teiche am Sanetschpass ökologisch auf, um die Biodiversität zu schützen.
Wie wird sichergestellt, dass die Stromversorgung während der Bauarbeiten nicht unterbrochen wird?
Für die Bauarbeiten an den Mastfundamenten und den Mastsockeln kann die Leitung die meiste Zeit in Betrieb bleiben. Für den Austausch der Leiterseile und der Isolatoren wird die Leitung für eine längere Zeitdauer geplant ausser Betrieb genommen.
Und was geschieht während dieser Zeit?
Der Betrieb des Übertragungsnetzes ist langfristig geplant. Bereits über ein Jahr im Voraus erstellt die Netzleitstelle von Swissgrid anhand eines Netzmodells eine erste Prognose über die erwartete Netzsituation. Zum Beispiel werden geplante Instandhaltungen von Leitungen oder Revisionen von Kraftwerken berücksichtigt. Die Planung des Netzbetriebs wird bis zu einem Tag vor dem Echtzeitbetrieb laufend verfeinert. Zudem überprüft die Netzleitstelle laufend, ob das Netz die Energie übertragen kann, wo Engpässe bestehen und welche Massnahmen notwendig sind.
Was sind die Vorteile der neuen Mikropfähle, die bei der Verstärkung der Mastfundamente eingesetzt werden?
In steilem Gebiet werden die Mastfundamente mit Mikropfählen im Boden verankert und mit zusätzlichen Massnahmen gesichert. Die Mikropfähle haben den Vorteil, dass weniger Beton für die Mastfundamente notwendig ist.
Der Bund, die Kantone und auch die Gemeinden wollen alternative Energiequellen fördern, beispielsweise durch Solardächer. Ist diese Leitung für einen solchen Ausbau gewappnet?
Das Schweizer Stromsystem befindet sich im Umbruch. Die Energiestrategie 2050 verändert die Anforderungen markant, denn Energieproduktion, -verbrauch und -speicherung werden immer dezentraler, insbesondere durch die Zunahme erneuerbarer Energien und neuer Technologien wie E-Mobilität und Wärmepumpen. Die Modernisierung und der Ausbau des Stromnetzes sind ein entscheidender Faktor, damit die Energiewende gelingen kann. Gerade für den Abtransport grosser Energiemengen aus alpinen Solaranlagen müssen auch die nötigen Kapazitäten für den Stromtransport bereitstehen. Der Netzausbau hält schon heute nicht mit dem Kraftwerksausbau mit. Die Bewilligungsverfahren und das Bewilligungstempo bei Netzprojekten müssen rasch verbessert und beschleunigt werden, um neu gebaute Anlagen zeitnah ans Netz anschliessen zu können. Swissgrid hat 2015 das «Strategische Netz 2025» publiziert, welches zehn Projekte umfasst. Swissgrid hat auf der Grundlage des energiewirtschaftlichen Szenariorahmens des Bundes das «Strategische Netz 2040» erarbeitet, worin der künftige Netzausbaubedarf ausgewiesen wird. Dieses wird voraussichtlich im Frühjahr 2025 kommuniziert.