Tanz dich frei!

  10.06.2022 Vorschau, Werbung

Das Filmpodium Saanenland zeigt den Film «Ema y Gastón» von Pablo Larraín, Chile (2019), am Montag, 13. Juni im Kino Gstaad.

Ema, die junge Tänzerin, ist eine rätselhafte Erscheinung. Sie wirkt wie eine Ausseridische, ist sowohl weiblich wie androgyn, ist gleichzeitig stark und verletzlich und gemäss den gesellschaftlichen Anforderungen eine Versagerin. Eigene Kinder kann sie mit ihrem Partner Gastón nicht bekommen. Der Adoptivsohn überfordert sie und das Paar muss ihn zurückgeben. Überall herrscht Streit und auch die Beziehung zu Gastón zerbricht. Ema macht sich auf ihre eigene Art auf, um die Scherben ihres Lebens zusammenzukehren: Sie sucht ihre Befreiung, indem sie sich in den Tanz und in sexuelle Abenteuer stürzt. Ihre wilde Lust am Leben ist verwirrend, letztlich aber nur vermeintlich ziellos.

Spannungsgeladen ist auch die Beziehung zwischen Ema und ihrem Ehemann. Es herrscht Hochspannung und die Gegensätze prallen heftig aufeinander. Die beiden scheinen aber doch auch aufeinander angewiesen zu sein. Gastón ist Choreograf und repräsentiert die Welt, in der Ema gescheitert ist. Er inszeniert Tanz in grossen Theatern und Hallen, er dirigiert die Tänzerinnen, er kreiert und bewahrt Kunst. Emas Tanz findet jedoch im Leben, auf der Strasse statt – zu Reggaeton, der südamerikanischen Mischung aus Hip-Hop, Techno und Reggae. Ihr Tanz kommt aus ihrem Inneren, ist impulsiv und nicht geordnet, wie auch ihr Inneres ungeordnet und voller Brüche und Widersprüche ist. Emas Kunst ist nicht beständig. Sie lebt vom Moment und wird von den Tänzerinnen buchstäblich verbrannt; sie bleibt nur in der Erinnerung des Zuschauers haften.

In seinen früheren Filmen (bei uns bekannt v.a. der Film über den chilenischen Dichter Pablo Neruda) hat Larraín mit grossem Stilbewusstsein Geschichte aufgearbeitet. «Ema y Gastón» ist ganz anders. Es geht nicht um ein Gestern, sondern um das Hier und Jetzt, als gäbe es kein Morgen. Wie Emas Tanz folgt auch der Film keinen klaren Strukturen. Der Regisseur will dem Zuschauer keine fertige Geschichte präsentieren, sondern ermöglicht ihm den Blick in das verwirrende, rätselhafte, oft auch unverständliche und ärgerliche Innere von Ema und zwingt ihn, die Geschichte aufgrund seiner eigenen Hintergründe und Erfahrungen selber für sich zu erzählen.

Der Film ist eine Demonstration ungefilterter Emotionalität, die nicht auf Manipulation zurückgreift, sondern auf Konfrontation. Hier wird nicht einfach die Vergangenheit brav abgearbeitet, sondern lustvoll in den Boden gestampft, wenn eine entfesselte Mariana Di Girolamo als Ema erst einmal in Schwung gekommen ist und um sie herum nichts mehr ist, wie es einmal war.

PD FILMPODIUM SAANENLAND

Mit «Ema y Gastón» zeigt das Filmpodium Saanenland den letzten Film dieser Saison – nach der Sommerpause sind wir aber im September wieder zurück, wie immer am zweiten Montag im Monat. Und: Anregungen für das nächste Programm nehmen wir gerne entgegen!


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