Team der Maternité Alpine: unerschütterlich
17.06.2024 GesellschaftIm Geschäftsjahr 2023 der Maternité Alpine wurden Personalnotstand abgefedert, sinkende Geburtenzahlen registriert und die Unsicherheit des Spitalstandorts Zweisimmen sowie der Grundversorgung im Gesundheitswesen immer wieder hautnah miterlebt. Dennoch steht das Team mit all ...
Im Geschäftsjahr 2023 der Maternité Alpine wurden Personalnotstand abgefedert, sinkende Geburtenzahlen registriert und die Unsicherheit des Spitalstandorts Zweisimmen sowie der Grundversorgung im Gesundheitswesen immer wieder hautnah miterlebt. Dennoch steht das Team mit all seinen Leistungen weiter zur Verfügung.
JENNY STERCHI
«Wir sind gekommen, um zu bleiben.» Es umschreibt die Idee und den unbedingten Willen, im Obersimmental, im Saanenland und auch im Paysd’Enhaut die hebammengeleitete Geburtshilfe anzubieten. Und das realisiert die Maternité Alpine im mittlerweile achten Betriebsjahr. An der gut besuchten Generalversammlung am vergangenen Freitag waren allerlei Einzelheiten darüber zu erfahren.
Herausforderung angenommen
Das letzte Geschäftsjahr sei laut eigenen Angaben ein ziemlich stürmisches gewesen. Nicht genug damit, dass der Spitalstandort Zweisimmen viel diskutiert und alles andere als sicher ist. Auch rückläufige Geburtenzahlen und einige Personallücken forderten sowohl das operative Team als auch die Verwaltung und den Beirat heraus. Dennoch haben sie es geschafft. «Wir sind immer noch da und machen weiter.» Mit dieser fast kämpferischen Ansage machte Verwaltungspräsidentin Anne Speiser deutlich, dass dieses Angebot der hebammengeleiteten Geburtshilfe bestehen bleiben wird – so lange es irgendwie möglich ist.
Spital-Sturm
«Für das Geburtshaus ist eine stationäre Spitallösung immens wichtig. Ohne Zugang zum Operationssaal im Spital Zweisimmen, womit die Nothilfe gewährleistet wird, sind Geburten in unserer Region unwahrscheinlich», präzisierte Anne Speiser die Wichtigkeit eines Spitals in der Region.
Die Debatte und diversen Abstimmungen im letzten Jahr seien am gesamten Team des Geburtshauses nicht spurlos vorbeigegangen. Man habe viel Zeit und Energie investiert, um sich mit potenziellen Standortbetreibern abzustimmen und die Bedürfnisse der Maternité Alpine zu formulieren. Und man habe immer wieder auf neue Gegebenheiten reagieren müssen. So habe die Schliessung des OP-Nachtbetriebs im Spital Zweisimmen aufgrund Personalmangels gemäss Co-Betriebsleiterin Susanne Reber zu Zusatzaufwand und einer Neubewertung der Möglichkeiten geführt.
«Im Moment ist wieder alles offen, nichts klar. Aber wir bleiben optimistisch. Erst recht, wenn wir zurückschauen und sehen, was wir in der Vergangenheit schon alles überstanden haben», betonte die Präsidentin und ordnete all das als Teamleistung ein. Ohne Gesundheitsversorgung von Schwangeren, Wöchnerinnen und Neugeborenen in der Region würde eine grosse Lücke klaffen (siehe Info-Box).
Personal-Wirbel
Der Fachkräftemangel macht auch vor der Geburtshilfe nicht halt. Im Sommer und Herbst des letzten Jahres war die Personaldecke im Geburtshaus von Zweisimmen ziemlich dünn. Zum Glück sei die Verbindung zu Hebammen, die eigentlich schon den Ruhestand geniessen, sehr eng. «Sie kamen und halfen, den Betrieb sicherzustellen», schaute Co-Betriebsleiterin Susanne Reber zurück. Auch sie wird zum Ende des Jahres die Maternité Alpine verlassen. «Nicht etwa, weil es mir zu unsicher wäre oder ich genug vom Betrieb habe», fügte sie an. Sie begibt sich in eine Ausbildung und beides parallel zu erledigen, fordere zu viel.
Doch man habe die Suche bereits gestartet und hoffe, in der verbleibenden Zeit eine geeignete Person zu finden, die an der Seite von Co-Betriebsleiterin Andrea Linder ihren Platz einnehmen wird.
Bei den Hebammen ist die Maternité Alpine als Arbeitgeberin bis ins Unterland interessant und gilt als attraktiv. Weniger Druck, hohe Autonomie und Verantwortlichkeit locken viele Hebammen nach Zweisimmen. So erstaunt es nicht, dass vorwiegend Geburtshelferinnen im Einsatz sind, die nicht in der Region wohnen.
Geburten-Flaute
Die rückläufigen Geburtenzahlen, die nicht nur im Geburtshaus in Zweisimmen zu beobachten waren, stellten eine weitere Herausforderung dar. Demnach lagen auch die Erträge der erbrachten Leistungen unter denen des Vorjahres.
Reserven angelegt
Die Rechnung 2023 schliesst trotz allem mit einem Ertragsüberschuss von 138’342 Franken. Grund für diese erfreuliche Entwicklung waren Spendengelder von Gemeinden und anderen Donatoren in Höhe von 244’930 Franken. Neben dem Ausgleich des Defizits durch den um 58’000 Franken gesunkenen betrieblichen Ertrag konnten auch Einlagen in den Spendenfonds vorgenommen und somit Reserven angelegt werden.
Mit dem Velo unterwegs
Die Hebammen der Maternité Alpine sind viel unterwegs. Tausende Kilometer fahren sie im Jahr mit dem Auto zu all den Wöchnerinnen nach Hause. Wenn es nicht gerade zu abgelegen ist, sind sie seit einiger Zeit auch mal mit dem E-Velo unterwegs. Das ist eine gute Alternative zum Auto, sofern die Wege kurz sind. Wochenbettbesuche im Dorf gehören zu diesem Einsatzfeld. «Wir sind schnell, wir haben alles dabei, sind nachhaltig unterwegs und brauchen keinen Parkplatz», fasst Susanne Reber zusammen.
KENNZAHLEN SEIT BETRIEBSSTART 2017 BIS ENDE 2023
- Mehr als 160 Paare besuchten die Geburtsvorbereitungskurse.
- Mehr als 2500 Schwangerschafts-Vorsorgeuntersuchungen
- 375 Kinder wurden geboren.
- Mehr als 4600 stationäre Pflegetage nach der Geburt wurden in Anspruch genommen.
- 233 Frauen und Neugeborene kamen nach der Geburt im Spital fürs Wochenbett in die Maternité Alpine.
- 3900 Wochenbettbesuche wurden bei den Wöchnerinnen zu Hause absolviert. Dafür wurden 101’000 Kilometer gefahren.
- Das Team der Maternité Alpine stand für 850 Konsultationen im geburtshilflichen Dienst bereit.
- Ein Hauswirtschaftsteam, das mit liebevoller Art und bester Verpflegung für einen überaus angenehmen Aufenthalt sorgt.
- Insgesamt wurden 6400 ambulante Konsultationen geführt. Diese Konsultationen umfassten unter anderem Notfallsituationen, auftretende Probleme, zum Beispiel beim Stillen, oder Verunsicherungen in der Schwangerschaft oder bei Säuglingen. Unter den Ratsuchenden befanden sich einheimische Frauen und Eltern sowie Feriengäste.
PD/JST