Polosport: Ästhetik und Glamour
26.08.2025 SportIm Polospiel vereinigen sich Technik, Taktik, Tempo und Teamgeist. Aber auch die Fairness und das Wohl der Pferde werden grossgeschrieben. Der Hublot Polo Gold Cup Gstaad – das «königliche» Spiel, wie es in den Glanzprospekten auch genannt wird – ...
Im Polospiel vereinigen sich Technik, Taktik, Tempo und Teamgeist. Aber auch die Fairness und das Wohl der Pferde werden grossgeschrieben. Der Hublot Polo Gold Cup Gstaad – das «königliche» Spiel, wie es in den Glanzprospekten auch genannt wird – überzeugt jährlich mit topgesetzten Spielern und an Gladiatoren erinnernde Kämpfe um die begehrten Weltranglistenpunkte.
EUGEN DORNBIERER-HAUSWIRTH
Das Polospiel interessiert eine internationale und zunehmend auch eine lokale Zuschauerschar. Wie ist das zu erklären? Vermutlich liegt der Reiz eines Besuches im Gesamtpaket: die Pferde, der nahegelegene Flugplatz mit der Möglichkeit, das Innere eines millionenteuren Flugzeuges besichtigen zu dürfen, dem Kinderspielgarten, dem Glamour, «sehen und gesehen werden» – schlicht, dem besonderen Ambiente.
Was macht man eigentlich bei der Sportart Polo?
Bei einem Polospiel versuchen zwei Mannschaften mit jeweils vier Spielern auf Pferden einen Ball mit einem Holzschläger in das Tor der Gegner zu schlagen. Das Spielfeld ist in der Regel ca. 275 Meter lang und ca. 180 Meter breit – jenes in Saanen ist kürzer und schmaler. Die beiden Tore stehen in der Mitte der kurzen Spielfeldseite und bestehen aus jeweils zwei drei Meter hohen Torpfosten, welche ca. siebeneinhalb Meter auseinanderstehen.
Ob der Ball in das Tor fliegt oder rollt, zeigt der Linienrichter, der hinter dem jeweiligen Tor steht, mit einer Fahne an. Eine nach oben geschwenkte Fahne bedeutet «Tor», eine nach unten geschwenkte «ausserhalb des Tores und Spielfeldes».
Das Spiel wird von zwei Schiedsrichtern geleitet. Die Polospiele in Saanen waren in vier Zeitabschnitte, genannt Chukkas, à je siebeneinhalb Minuten eingeteilt.
Das Regelwerk beinhaltet sehr viele Spielregeln. Den Zuschauenden erschliessen sich diese nicht auf den ersten Blick. Aufgefallen sind vermutlich die Bekleidung der Reiter und die bandagierten Beine und Schweife der Pferde. Dass die Reiter den Poloschläger nur rechts halten dürfen, was auch für Linkshänder gilt, ist bestimmt nicht jeder und jedem aufgefallen. Für viele weitere regeltechnische Finessen wie Ellenbogentechnik, Schlagtechnik, Wegrecht, Handicap der Spieler, Rollenverteilung unter den vier Spielern, Spieltaktik und vieles weiteres mehr braucht es schon Expertenwissen. Aber die Freude an den mit einer Geschwindigkeit von 50 bis 60 Stundenkilometern galoppierenden, abrupt stoppenden, sich wendenden, sich aufbäumenden, Körper an Körper kämpfenden Poloponys ist für unsereiner eben weit mehr als Schiedsrichterwissen.
Eine Besonderheit im Polosport sind die Handicaps der Spieler. Im Finalspiel zwischen den Teams Gstaad Palace und Albinati Aeronautics markierten die Argentinier Podesta (Gstaad Palace) und Jauretche (Albinati) mit je sieben Handicappunkten ihre besondere Klasse. Die hoch dotierten Spieler engagierten sich primär für ihre Teams, trugen jedoch auch persönliche Zweikämpfe aus, um ihre Handicaps zu verbessern. Diesen Umstand mussten die beiden Teamcaptains in ihrer Spieltaktik berücksichtigen. Offenbar gelang das Markus Graeff, Team Gstaad Palace, ausgezeichnet.
Gstaad Palace jubelt
Team Gstaad Palace mit den Spielern Markus Graeff, Thommy Graeff, Martin Podestá Jr. und Francisco Fucci gewann das Turnier im Final gegen das Team Albinati Aeronautics mit den Spielern Luca Meier, Patricio Gaynor, Santiago Cernadas und Fabian Bolanterio.
Nach einer Spieldauer von gut einer Stunde stand das Resultat 7:4 fest. Gstaad Palace war zwar stets in Führung, benötigte jedoch zu 100 Prozent das Können und die Erfahrung seiner argentinischen Topspieler. Erfreulich war, dass der junge Thommy Graeff, Sohn des ältesten Teammitglieds Markus Graeff, ein spielentscheidendes Tor erzielte.
DIE HANDICAPS (HCP)
Jeder Polospieler hat je nach Leistungsstärke ein persönliches Handicap, das bei −2 beginnt und bis +10 gehen kann. Die besten Polospieler der Welt mit einem Handicap von +10 kommen derzeit fast alle aus Argentinien. Die Summe der vier Einzelhandicaps bilden das Gesamthandicap einer Mannschaft.
EDH
MARKUS GRAEFF, TEAMCAPTAIN DES TEAMS GSTA AD PAL ACE, IM INTERVIEW VOR DEM HALBFINAL
«Der Reitsport war und ist meine Leidenschaft»
Markus Graeff, Sie sind ein sehr erfolgreicher Polospieler. Wie kamen Sie zu dieser Sportart?
Seit Kindesbeinen lebe ich mit Pferden. Wer mich in den Polosport führte, weiss ich nicht mehr. Tatsache ist indessen, dass mich der Reitsport faszinierte.
Ritten Sie schon, bevor Sie das Polospiel entdeckten?
Wie gesagt, der Reitsport war und ist meine Leidenschaft. Als Bub arbeitete ich auf unserem Bauernhof. Wir hatten Pferde zum Arbeiten. In jungen Jahren wurde ich Jockey im Galopprennsport. Als Amateur bestritt ich über 500 Pferderennen und beendete über 100 siegreich.
Was fasziniert Sie am Polosport?
Einiges! An erster Stelle die Arbeit mit den Pferden. Die Gesellschaft im Team erfüllt mich immer mit grosser Freude. Und dann ist da noch die Natur, die Schönheit unserer Spielwiesen.
Ist Polospielen anstrengend?
Und wie! Als Laie denkt man vielleicht, das müsse ja leicht sein, so umherzugaloppieren. Tatsache ist hingegen, dass Polospielen vom Reiter alles fordert. Und unter «alles» verstehe ich die körperliche und geistige Verfassung.
Was tun Sie, um diese Voraussetzungen erfüllen zu können?
Ich spiele nun seit gut 20 Jahren Polo. Im fortgeschrittenen Alter muss man für die genannten Voraussetzungen viel Zeit investieren. Zweimal pro Woche schwitze ich im Fitnesscenter. Es gilt, die Rumpf-, Schulterund Armmuskulatur zu kräftigen. Aber auch das Training des Herz-Kreislaufsystems darf nicht vernachlässigt werden. Im Spiel pumpen die Herzen in hoher Frequenz, jenes des Reiters oft im Bereich von 180 Schlägen pro Minute und jenes des Pferdes so um die 160.
In wenigen Minuten wird Ihr Team im ersten Halbfinal um den Einzug in den Final spielen. Wie fühlen Sie sich?
Ein wenig nervös bin ich schon. Ich bin der Älteste in meinem Team und hoffe, eine gute Leistung abrufen zu können. Ich freue mich auf das Spiel.
Etwas mehr als eine Stunde später gewann das Team Gstaad Palace, angeführt vom brillanten Martin Podestá Jr., der perfekt mit seinen Schweizer Teamkollegen Markus und Thommy Graeff sowie dem effizienten Francisco Fucci harmonierte, den ersten Halbfinal gegen das Team Kielder Agro Group 6:5.