«Ich spreche mit Gästen nie über Politik, Religion oder Sport»
05.03.2024 InterviewAm 1. November 2018 kam Tim Weiland vom Aman Hotel Le Mélézin im französischen Courchevel und übernahm den Posten des Generalmanagers im The Alpina Gstaad. Nach fast fünfeinhalb Jahren verlässt der 43-Jährige Ende Saison das Saanenland wieder. Im ...
Am 1. November 2018 kam Tim Weiland vom Aman Hotel Le Mélézin im französischen Courchevel und übernahm den Posten des Generalmanagers im The Alpina Gstaad. Nach fast fünfeinhalb Jahren verlässt der 43-Jährige Ende Saison das Saanenland wieder. Im Interview erzählt er, dass nicht immer das teuerste Arrangement den grössten Wow-Effekt bei den Gästen erzielt und warum er sich mit einer Topfpflanze vergleicht.
KEREM S. MAURER
Tim Weiland, würden Sie selbst als Gast im The Alpina Gstaad einchecken?
Absolut! Schon als ich zum ersten Mal hierhergekommen bin, um die Eigentümer kennenzulernen, fand ich das Ambiente aussergewöhnlich. Am Abend spielte ein Pianist in der Bar, alle Altersgruppen waren vertreten und die Stimmung war fantastisch. Von dem Moment an war ich überzeugt, dass mir The Alpina nicht nur als Arbeitsstelle, sondern auch als Lebensmittelpunkt sehr gefallen würde. Und deshalb: Ja, ich würde als Gast hier Urlaub machen.
Wie hat sich das The Alpina Gstaad unter Ihrer Führung verändert, sprich, was ist der Tim-Weiland-Stempel, den Sie dem Hotel aufgedrückt haben?
Das Haus war schon sehr gut aufgestellt, bevor ich herkam. Es war nicht die Idee, dass ich einen neuen Stil entwickle, sondern es ging darum, eine Kontinuität auf hohem Niveau zu halten. Ich pflege einen ungezwungenen Stil und mag ein entspanntes Ambiente.
Auch zwischen Ihnen und Ihren Mitarbeitenden?
Nicht nur zwischen mir und den Mitarbeitenden, sondern auch zwischen den Mitarbeitenden und den Gästen. Ich sehe mich unter den Angestellten eher als Kollegen denn als Boss. Das sorgt für eine andere Wertschätzung und hat immer gut funktioniert.
Was liegt Ihnen im Umgang mit Hotelgästen besonders am Herzen?
Mir ist der persönliche Service sehr wichtig. Das bedeutet, dass man die Individualität und die persönlichen Aspekte eines Gastes über die herkömmlichen Servicestandards stellt. Das erkläre ich auch neuen Mitarbeitern immer wieder.
Was soll man sich darunter vorstellen?
Es gibt Servicestandards, die man zum Beispiel in Hotelfachschulen oder in anderen Hotels lernt. Solche Standards sind wichtig, ohne Zweifel. Aber sobald es um den Gast geht, muss man den Service personalisieren und speziell auf den Gast zuschneiden – jeder ist anders. Da müssen Hotelangestellte flexibel sein. Mir ist es wichtig, diese Flexibilität aufzuzeigen, damit gezielt auf jeden einzelnen Gast eingegangen wird.
Was ist das Verrückteste, das Sie jemals einem Alpina-Gast ermöglicht haben?
Es geht weder um das Verrückteste noch um das Teuerste, sondern um Dinge, die dem Gast in Erinnerung bleiben. Ich war einmal mit einem Prinzen aus dem Mittleren Osten – am Tag vor dessen Abreise – wandern. Da sahen wir unten im Tal einen Zug fahren. Der Prinz war fasziniert. Nachdem ich ihm alles über die MOB erklärt hatte, was er wissen wollte, sagte er mir, dass er noch nie in einem Zug gefahren sei.
Ein Prinz, der noch nie Zug gefahren ist?
Ja! Sein Flugzeug hatte er in Genf abgestellt. Also haben wir den Helikopter, der ihn am nächsten Tag dorthin fliegen sollte, storniert und stattdessen Plätze im Goldenpass Express reserviert. Am Tag seiner Zugfahrt sandte er mir viele Whatsapp-Nachrichten, weil er so viel Schönes wie Berge, den Genfersee, die Palmen in Montreux oder die Rebberge gesehen hatte. Eine Zugfahrt ist für uns nichts Aussergewöhnliches, aber für den Prinzen bedeutete es die Welt. Und darum geht es doch. Man muss die Leute kennenlernen und ihnen aussergewöhnliche Erlebnisse vermitteln.
Gibt es für Sie so etwas wie ein ungeschriebenes Gesetz im Umgang mit Gästen?
Für mich, ja! Ich spreche mit Gästen nie über Politik, Religion oder Sport. Viel lieber sprechen wir über das Thema Reisen. Das ist der gemeinsame Nenner, der alle vereint und uns eher zusammenbringt – sonst wären sie ja nicht hier.
Sie sind in der Karibik aufgewachsen, haben in Indien, China, Marokko, Thailand und auf den Malediven gearbeitet. Sie kennen absolute Traumdestinationen auf der ganzen Welt. Kann Gstaad mit denen eigentlich mithalten?
Gstaad ist auf jeden Fall auch eine der grossen Traumdestinationen und kann zu hundert Prozent mit den anderen mithalten. Für Menschen, die in Grossstädten wie Miami, New York, Sao Paolo, Rio, Singapur, Dubai oder wo auch immer leben, ist Gstaad absolut exotisch. Hier herrschen ein anderes Klima, andere Farben, andere Gerüche, anderes Essen und ein anderer Baustil. Hier sehen sie Berge, Chalets, gesunde Kühe auf grünen Weiden und sie atmen frische Luft. Wir haben dasselbe Klientel, wie die anderen bekannten Traumdestinationen.
Offenbar lieben Sie den Kontakt zu den Menschen und übernehmen gerne die Gastgeberrolle. Dennoch ziehen Sie sich aus dem operativen Geschäft zurück und wechseln in den Verwaltungsrat der The Alpina Gstaad AG. Warum?
Ich ziehe mich ja nur aus dem operativen Geschäft des Alpinas zurück. Und das Verwaltungsratsmandat ist keine Vollzeitstelle. Ich werde gerne regelmässig im Jahr nach Gstaad zurückkommen, um diesen Sitzungen beizuwohnen.
Zurückkommen? Das heisst, Sie verlassen das Saanenland?
Ja, vermutlich sogar die Schweiz. Ich war ja noch nie sesshaft. Zuvor habe ich vier Jahre in Courchevel gearbeitet, das war mein Langzeitrekord. Jetzt sind es über fünf Jahre in Gstaad, das ist schon wieder ein neuer Rekord. Es ist nichts gegen das The Alpina oder gegen Gstaad. Es ist für mich Zeit, zu wechseln und etwas Neues zu machen.
Wo zieht es Sie hin?
Auf meinem Tisch liegen einige Angebote, aber ich habe mich noch nicht entschieden. Ich werde sicherlich in der Hotellerie bleiben. Es gibt Hoteliers, die nicht verstehen können, dass ich von hier weggehe. Aber ich bin ein Mensch, der noch nie irgendwo Wurzeln geschlagen hat. Und wer mich kennt, weiss, dass ich auch hier nicht wurzeln werde. Ich bin wie eine Topfpflanze, mich kann man überall hinstellen, ich fühle mich überall wohl.
Was geben Sie Ihrer Nachfolgerin Nadine Friedli mit auf den Weg?
Frau Friedli ist auch schon seit mehreren Jahren bei uns im The Alpine Gstaad und noch länger in der Region. Ich habe ein gutes Gewissen, das Haus unter ihrer kompetenten Führung zu lassen. Als Schweizerin mit einem fundierten Fachwissen in der Luxushotellerie erfüllt sie alle Voraussetzungen, um das Haus weiterzubringen. Sie wird Herausforderungen erleben, die neu sind, wird aber ihren eigenen Stil finden, um diese zu bewältigen.